Top-Buchhalter mit Geheimnissen: Ben Affleck im US-Thriller "The Accountant".


Foto: Warner

London/Wien – Buchhalter sind im Kino meist farblose Schreibtischtäter. Bei Christian Wolff – der Name ist vom Philosophen der Aufklärung geliehen – ist dies anders: Er trägt zwar auch Taschenschoner am Hemd, rechnet allerdings schneller als mancher Computer, und er weiß mit Faust und Feuerwaffe gut umzugehen.

Wolff ist in Gavin O'Connors The Accountant das Phantom, mit dem man in einen eher verworrenen Plot eintritt, der Agentenfilm und Mindgame-Thriller durchkreuzt. Ein letztes Puzzleteil: Es handelt sich um den ersten Actionhelden mit Asperger-Syndrom. Ben Affleck, gegenwärtig Batman-Darsteller, gibt der Part Gelegenheit, sich zwischen eigenen Projekten als stoischer Antiheld zu präsentieren.

STANDARD: Wie läuft es seit dem Film denn mit der Mathematik?

Affleck: Beim einfachen Addieren hab ich mich enorm gesteigert!

STANDARD: Hatten Sie in der Szene, in der Sie ganze Glaswände mit Rechnungen vollschreiben, eigentlich eine Ahnung davon, was Sie da gerade machten?

Affleck: Ehrlich gesagt, nein. Aber Gavin war besessen davon, dass das alles Sinn ergab. Es mussten bestimmte Zahlen sein. Deshalb gab es Leute, die mir die Zahlen zuriefen: "4, 2, 7, Beistrich, 8, 3 ..." Es war ein bisschen lächerlich. Ich hätte jede Zahl nehmen können.

STANDARD: Sie sind ja auch Regisseur. Sind Sie da nicht versucht, die Kontrolle zu übernehmen?

Affleck: Sie meinen, ob ich am liebsten nach der Kamera gegriffen hätte? Nein, ich fühle mich sehr wohl damit, nur der Schauspieler zu sein, der seine Grenzen kennt. Es ist eine schöne Abwechslung zum Regieführen, weil man nicht für alles verantwortlich ist.

STANDARD: Haben Sie Ihre Figur als reale Person betrachtet – oder denkt man da mehr an eine Konstruktion aus Versatzstücken?

Affleck: An eine Konstruktion aus realen Personen. Ich habe in der Vorbereitung mit Leuten mit Asperger-Syndrom und entsprechenden Experten gesprochen. Wir haben auch darüber geredet, ob es für sie okay ist, einen Film wie diesen zu machen – sie fanden das alle großartig.

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STANDARD: Seit "Rain Man" denkt man bei Autisten im Kino an schauspielerisches Schaulaufen. Das ist bei Ihnen anders, nicht wahr?

Affleck: Ja, es sollte nicht zu sehr nach Schauspielen aussehen. Sonst registriert man als Zuschauer ständig nur diese sonderbaren Verhaltensformen. Ich wollte es minimalistisch angehen, damit es am Ende umso realer wirkt. Manche Menschen mit Asperger-Syndrom haben ausgeprägte Affekte, viele aber auch nicht. Weniger zu tun erschien mir hier sinnvoller.

STANDARD: Zumal Ihr Held sich ja durch große körperliche Selbstbeherrschung auszeichnet.

Affleck: Das hat hartes Training verlangt. Aber letztlich sind Kampfszenen nicht anders als Tanzszenen – man muss stark genug, beweglich genug sein. Es gab aber auch Kämpfer in diesem Film, die mich besser aussehen ließen, als ich in Wahrheit bin.

STANDARD: Apropos: Robert De Niro wollte Donald Trump ins Gesicht schlagen. Fühlen Sie ähnlich?

Affleck: Es wäre wohl eine Art, damit umzugehen ... Ich würde das selbst aber nicht machen, nein. Ich unterstütze Trump nicht und denke, dass Hillary die Wahl gewinnen wird. Die Chancen stehen gut. Es ist die ungewöhnlichste Wahl, die ich bisher erlebt habe. So geschmacklos war es noch nie.

STANDARD: Sie führen Regie, schreiben, spielen – überlagern sich diese Aktivitäten eigentlich ständig?

Affleck: Der große Vorteil von Schauspieler-Regisseuren ist, dass sie die meiste Zeit am Set sind. Man ist daran gewöhnt – es ist wie eine Auflockerungsübung für die nächste Regiearbeit.

STANDARD: Neben "The Batman" planen Sie auch ein Remake von "Zeugin der Anklage". Wie kam das?

Affleck: Eine tolle Geschichte. Ich möchte die Bausteine nehmen und sie etwas aktualisieren. Es ist ein echter Klassiker, aber keiner, an dem man gar nichts ändern darf. Manche Töne wirken heute schräg, wie die Verkleidung von Marlene Dietrich. Man kann versuchen, das realistischer zu machen. Die Geschichte ist der Motor, der dich durch den Film führt; und das, was Spaß macht, ist, sie neu einzukleiden. Mit anderen Dialogen, Ausschmückungen etc.

STANDARD: Sie haben wiederholt empfindlich auf Kritik reagiert. Gehen Sie jetzt anders damit um?

Affleck: Wenn ich eine Kritik lese, überspringe ich alles, bis ich meinen Namen finde! Natürlich will ich, dass das, was ich mache, auch den Kritikern gefällt. Und dem Publikum. Deswegen hat man in Kinos ja auch Sitze angebracht. Doch man darf sich nicht davon auffressen lassen, sonst macht es einen verrückt. (Dominik Kamalzadeh, 22.10.2016)