Landesrätin Johanna Mikl-Leitner (li.) und Grünen-Abgeordnete Christiane Brunner fanden einige inhaltliche Gemeinsamkeiten, wenngleich Letztere auch die Umsetzung einmahnte.

Foto: Der Standard/Robert Newald

Johanna Mikl-Leitner: "Der großvolumige gemeinnützige Wohnbau ist für Niederösterreich wichtig und notwendig."

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Christiane Brunner: "Die Diskussion, ob wir mit öffentlichen Geldern neue Ölkessel montieren, können wir uns nicht mehr leisten."

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STANDARD: Frau Mikl-Leitner, gibt es Ihrer Wahrnehmung nach Unterschiede zwischen der ÖVP und den Grünen in Fragen der Umwelt- und Klimaziele, was die Wohnbaupolitik betrifft?

Mikl-Leitner: Klimaschutz sollte nicht das Thema einer einzigen politischen Partei sein, sondern jeder Partei. Der Klimawandel geht uns alle an, deswegen ist er für mich ein Thema, mit dem sich alle zu beschäftigen haben.

Brunner: Das, was Sie gesagt haben, kann ich unterstreichen. Verbal gibt es wahrscheinlich nur mehr wenige Unterschiede. Es gibt nur eine Fraktion, die den Klimawandel leugnet, ansonsten sind wir uns im Parlament verbal sehr einig. Der große Unterschied sind die Entscheidungen, die getroffen werden. Es hilft mir nichts, wenn alle sagen, wir wollen eh Klimaschutz. De facto ist in Österreich seit dem Klimavertrag von Paris keine einzige Klimaschutzmaßnahme beschlossen worden. Auch im Wohnbau nicht.

STANDARD: Welche Unterschiede meinen Sie?

Brunner: Die Umsetzung des Klimavertrages ist nicht nur Umwelt-, sondern auch Wirtschafts- und Sozialpolitik. Nur billig zu bauen, ist nicht sozial. Wenn ich jetzt ein Haus baue oder saniere und das nicht effizient und klimaverträglich mache, bedeutet das, dass ich es bis 2050 noch einmal angreifen muss. Von Kosteneffizienz kann man dann nicht sprechen. Allein dass wir nach dem Klimavertrag noch diskutieren, ob wir mit öffentlichen Geldern neue Ölkessel installieren, können wir uns nicht mehr leisten. Ein Ölkessel, jetzt installiert, pickt für Jahrzehnte.

Mikl-Leitner: Wo wir, glaube ich, beisammen sind, ist, dass der Förderschwerpunkt auf Sanierungen liegen muss. Es muss vor allem auch eine Förderschiene für den Öl- und Gaskesseltausch geben. Wir werden jetzt bei uns in Niederösterreich eine derartige Initiative starten, wo wir Investitionen mit einem Einmalzuschuss unterstützen. Dass die Öllobby Förderungen gibt, um Ölkessel zu kaufen, ist wirklich ein Affront. Ich glaube, dem sollte man entgegenwirken.

STANDARD: Frau Mikl-Leitner, Sie sind ja eher abrupt vom Innenministerium und der Flüchtlingsfrage nach St. Pölten zu Wohnbau und Finanzen gewechselt. Haben Sie heute Nachmittag etwas gelernt?

Mikl-Leitner: Ich bin sehr dankbar, dass ich diesen Nachmittag mit so vielen Expertinnen und Experten genießen konnte, auch weil wir gerade selbst an einem Wohnbausymposium arbeiten mit dem Titel "Salon Wohnen". Ich sehe unter anderem zwei Herausforderungen, die wir in Zukunft bewerkstelligen und dabei zugleich Wien helfen können. Das Erste ist Digitalisierung gegen Urbanisierung. Ich sehe in der Digitalisierung eine entscheidende Chance, den urbanen Raum, speziell die Bundeshauptstadt, zu entlasten. Zweitens kann man Wien zusätzlich entlasten, indem wir gewisse Bundesinstitutionen auch in die Länder verlegen. In den Regionen ist viel Wohnraum wie Stifte, Vierkanthöfe, vielleicht in Zukunft alte Lagerhäuser. Das ist nicht zynisch gegen Wien gemeint, sondern als Win-win-Situation.

STANDARD: Frau Brunner, haben Sie heute auch etwas gelernt?

Brunner: Ich habe gelernt, dass die Umsetzung des Klimavertrages und nachhaltige Bauweisen viel mehr Mainstream sind, als man annehmen könnte. Der Gebäudesektor hat schon viel geleistet in Österreich, das anerkennen wir. Aber er muss sicher weiter arbeiten, nicht nur, damit wir die österreichischen Klimaziele erreichen, sondern weil es eine große Chance ist, denn Leute aus anderen Nationen schauen sich in Österreich an: Was müssen wir tun, welche Lösungen gibt es?

STANDARD: Beim Wohnsymposium hörten wir auch die weitgehende Forderung eines Förderstopps von Einfamilienhäusern zum Wohle des Klimas. Was halten Sie davon?

Mikl-Leitner: Also, es ist eine Illusion, den Menschen die Wohnform vorzuschreiben. Ein- und Mehrfamilienhaus genauso wie großvolumiger Wohnbau sind beide wichtig und notwendig. Wie immer ist es wichtig, eine Vielfalt zu haben. Natürlich soll nachhaltig gebaut werden, und natürlich soll bei den Förderungen der Schwerpunkt auf die Sanierung gelegt werden. Was mir sozialpolitisch auch wichtig ist: Wir sollten die Schaffung von Eigentum fördern, weil das die beste Altersvorsorge ist.

Brunner: Man muss dazusagen, es leben am Land nicht nur reiche Leute in Einfamilienhäusern. Das ist etwas anderes als in der Stadt. Aber: Es bringt uns nichts, wenn wir ein energieeffizientes Haus haben, das dann in der Gesamtbilanz durch mehr Verkehrsaufkommen mehr Energie verbraucht. Wir sind für einen gesamtheitlichen Ansatz, dass die Lage eines Hauses auch zu berücksichtigen ist. Die Frage der Raumordnung ist da ganz zentral. Man sollte künftig genau überlegen, wo sind Wohngebiete und wo nicht.

STANDARD: Das Land Niederösterreich ist aufgrund seiner Größe natürlich auch prägend in Österreich. Welche Überlegungen haben Sie in Bezug auf die Umsetzung der Klimaziele konkret in Ihrer Wohnbaupolitik?

Mikl-Leitner: Ich habe mir auch Zahlen mitgenommen, ich will aber nicht von Bilanzen leben. Aber Fakt ist, dass natürlich auch eine nationale Strategie festgelegt und vor allem die OIB-Richtlinie beschlossen worden ist. Und dass wir diese in Niederösterreich schon gesetzlich umgesetzt haben – und auch dementsprechend handeln.

STANDARD: Was sind die Forderungen der Grünen in dem Zusammenhang?

Brunner: Neben der Forderung, dass es neue Ölkessel nach einem Klimavertrag nicht mehr geben kann, wollen wir, dass die Mittel für die thermische Sanierung wieder erhöht werden, die wurden ja radikal gekürzt, obwohl das für das Budget eine Win-win-Situation ist. Der Flächenverbrauch ist auch eine wichtige Komponente. Wenn wir so weiterbauen, werden wir in hundert Jahren kaum mehr landwirtschaftliche Flächen haben. (Gerfried Sperl, 25.10.2016)