Im äußersten Süden der spanischen Region Aragón, eine Autostunde von Valencia entfernt, liegt in der Provinz Teruel der Landkreis Gúdar-Javalambre. Ein hügeliges Hochplateau, etwas kleiner als das Bundesland Vorarlberg. Gúdar-Javalambre gehört zu den ärmsten Landstrichen Spaniens mit der geringsten Einwohnerdichte überhaupt. Die Sommer sind heiß, die Winter eiskalt. Auf den armen Böden gedeiht nur wenig.

Mitte der 1960er-Jahre entdeckte man erstmals den Wert einer Knolle, die sich dort schon immer in der steinigen Erde wohlgefühlt hatte, den Bauern aber ungenießbar erschienen war. Der Fruchtkörper eines Pilzes eigentlich: Schwarzer Trüffel.

Der Périgord-Trüffel mit seiner feinen Maserung ist weltweit gefragt.
Foto: Michael Marek

Ahnungslose Bewohner

"Zuerst kamen die Franzosen", erinnert sich Eladio Salvador und löffelt seine Steinpilzsuppe mit Terueler Schinken im Restaurant Los Leones im mittelalterlichen Dorf Mora de Rubielos. "Mit ihren Hunden liefen sie über unser Land, wir hatten keine Ahnung, was sie suchten. Und wenn einer fragte, konnten wir nicht verstehen, was sie sagten. Bis wir es dann herausfanden. Sie waren hinter unseren Trüffeln her. Wir hatten gar nicht gewusst, dass die etwas wert waren." Eladio, ein knorriger Mann im Rentenalter, lächelt.

Und heute? "Heute kommen Professoren, Anwälte, Notare zu unserer Trüffelmesse", zählt Eladio auf, als wolle er den sozialen Aufstieg unterstreichen, den sie hier geschafft haben.

Trüffelbauer Eladio Salvador ist stolz auf das weitläufige Gebiet mit seinen Steineichen.
Foto: Michael Marek

Dabei ist Tuber melanosporum, weltweit als Périgord-Trüffel bekannt, schon lange als Delikatesse begehrt. Um 1800 bezeichnete ihn der französische Schriftsteller, Aphoristiker und Gastrosoph Jean Anthelme Brillat-Savarin als "Schwarzen Diamanten". Und schon in der italienischen Renaissance galt Trüffel als magisch, als Aphrodisiakum gar, geschätzt von Papst Alexander VI. und dessen Tochter Lucrezia Borgia. Es sind seltsame Anekdoten, die Trüffelbauer Eladio im Restaurant erzählt.

Manolo Górriz, ein Gastwirt mit leiser Stimme und feinen Manieren, trägt den Bacalao im Kartoffelbett herein. Und wie alle Gerichte krönt auch den Kabeljau der fast schwarze, innen weiß geäderte Pilz Tuber melanosporum, papierdünn geschnitten oder fein geraspelt. Ein Raunen hebt an, der Wirt ist zufrieden.

Späte Erkenntnis

Erst Unwissen, Ausbeutung durch clevere Leute von auswärts und schließlich das späte Erkennen des Reichtums: In Gúdar-Javalambre dauerte es lange, bis man dem Geheimnis des Trüffels auf die Spur kam. Wie ihn finden, wie kultivieren? Die Bauern brauchten Jahrzehnte dafür, das herauszufinden.

Menschen können ihn weder sehen noch riechen, ihn also auch nicht orten. Denn er versteckt sich gut zwanzig Zentimeter tief in der Erde, lebt nur in Symbiose mit wenigen Baumarten, am liebsten den in Spanien weitverbreiteten Steineichen. Die Einflussnahme ist daher sehr beschränkt. Nur zwei Dinge kann der Mensch tun: ideale Umweltbedingungen schaffen und Geburtshelfer spielen, sprich: die Pilzsporen an den richtigen Ort bringen.

Mykorrhiza – so heißt die Verbindung zwischen Pilz und Baumwurzel, beim Trüffel meist die der Steineiche, ist die Voraussetzung für den Trüffelanbau. In einem Industriepark in Sarrión arbeitet Juan María Estrada. Der Agraringenieur ist der Geburtshelfer der Trüffel: "Im Labor impfen wir die Baumwurzeln mit den Pilzsporen. Die Setzlinge der Steineichen entwickeln dann ein in seiner Form typisches Myzelgeflecht. So wissen wir, der Trüffelpilz hat angedockt."

Nach zwei Jahren in der Baumschule kommen die jungen Pflanzen dann auf die Felder. "Einmal draußen auf dem Feld, breitet sich das Myzel aus und kolonisiert den Boden, der oberirdisch wie verbrannt aussieht, weil der Pilz das Wachstum anderer Pflanzen unterdrückt. Sobald er das zweite Wachstumsstadium erreicht hat, wird er dann Trüffel produzieren." Und erst nach sieben Jahren werden die Hunde der Bauern die ersten Knollen finden. Ein Prozess, der sehr viel Geduld erfordert.

Das schwarze Gold

Während der Erntezeit, zwischen November und März, gehen die Bauern täglich auf die Felder. Scannern gleich schnüffeln ihre Hunde jeden Quadratmeter Boden ab. Denn wo gestern noch ein unreifer, ungenießbarer Trüffel im Boden ruhte, kann er sich heute zur Delikatesse entwickelt haben. Dann fangen die Tiere an zu graben, und die Bauern heben vorsichtig Stück für Stück die Knollen aus dem Erdreich. Bis zu mehrere Hundert Gramm wiegen die Schwarzen Trüffel, oft sind sie dabei nicht größer als ein Golfball. Innen erinnern sie mit ihrer feinen weißen Maserung an die Struktur eines menschlichen Gehirns.


Vorsichtig graben die Trüffelsucher, wie Alberto Salvador, die edlen Pilze zwischen November und März aus.
Foto: Michael Marek

Inzwischen ist Trüffelanbau die wichtigste Einnahmequelle der Region. Über sechstausend Hektar beträgt die schnell wachsende Fläche der Felder, und sie ist damit das größte zusammenhängende Trüffelanbaugebiet der Welt. Gut dreißig Tonnen Tuber melanosporum, drei Viertel der spanischen Produktion, beträgt die Ernte eines Jahres.

Zu über achtzig Prozent geht sie direkt in den Export, meist nach Frankreich, wo die Nachfrage nach Périgord-Trüffel schon lange nicht mehr aus eigener Herstellung befriedigt werden kann. Zwischen 250 und 300 Euro kostet das Kilo Tuber melanosporum im Großhandel. Der Konsument zahlt ein Vielfaches.

Eine Diva

"Nichts kommt dem Trüffel gleich", Pedro Biel ist da rigoros: Er sei ein zuverlässiger Küchenkumpel für den jungen Maître des Melanosporum, eines Gourmetlokals in Mora, das den Pilz im Namen und auf dem Tisch hat, als sechsgängiges Trüffelmenü, das erste der Region. "Aber Trüffel ist auch eine Diva", schränkt Pedro ein, "kochen soll man ihn nicht." Nur bei bis zu fünfundsechzig Grad entfalte er sein volles Aroma, darüber hinaus verliere er es. "Man soll ihn erst kurz vor dem Servieren dazugeben, am besten zu milden Speisen. Oder eben roh auf die fertigen Gerichte, dann entfaltet er seine maximale Kraft."

Und wenn Pedro zum Dessert den getrüffelten Brandy aus dem Schrank holt, ist er stolz und der Gast dem Klimax nah. Mindestens ein Jahr dümpeln die drei Trüffel in der Flasche. Dann haben Schnaps und Pilz sich auf ein aromatisches Gleichgewicht geeinigt.

"Wenn du einen Trüffel hast, riecht die ganze Küche danach", schwärmt Pedro. "Ich lege ihn zu rohen Eiern in einen Behälter, und nach drei Tagen im Kühlschrank ist der Duft in die hineingezogen, ohne dass ich ein Stück Trüffel verbraucht habe. Ein einfaches Spiegelei wird so zum kulinarischen Erlebnis. Fantastisch!"

Im mittelalterlichen Dorf Mora de Rubielos bekommt man in vielen Restaurants Gerichte mit Trüffel.
Foto: Michael Marek

Aromabombe

Der Geruch von Tuber melanosporum ist viel intensiver als jener des deutlich billigeren Sommertrüffels, Tuber aestivum, der in Trüffelprodukten meist verwendet wird. Ganz zu schweigen vom Chinatrüffel, einem ebenso fernen wie fragwürdigen Verwandten ohne Kraft und Klasse aus dem Reich der Mitte.

"Man muss das den Leuten sagen", insistiert María Jesús Agustín, die mit zwei Mitstreiterinnen täglich stundenlang die Erde von den Pilzen putzt, sie in Scheiben und Streifen schneidet und Öle, eingelegte Trüffel oder Essenzen verkauft.

Vor zehn Jahren ging es los. Und noch bosseln María Jesús und ihre Kolleginnen vor sich hin in ihrer Dorfidylle. Aber genau wie all die anderen Verbliebenen in diesem Südzipfel der Provinz Teruel hoffen sie darauf, durchzustarten in die Zukunft mit dem magischen Pilz, der sich ausgerechnet bei ihnen so wohlfühlt. (Michael Marek, RONDO, 29.10.2016)