Der Schauspieler Manfred Krug am 5. Februar 1997 während Dreharbeiten zur ARD-Serie "Liebling Kreuzberg" in der Rolle des Anwalts Robert Liebling.

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Berlin – Manfred Krug war ein Volksschauspieler. Aber er wurde es, 1937 in Duisburg geboren, in der DDR und daher auf eine andere, integralere Weise als im schichtenbewussten Westen, wo das Etikett populären Figuren gilt, deren Darstellungskunst vom bürgerlichen Feuilleton nie ganz ernst genommen wird. In der begrenzten DDR, in der das Bürgertum seinen Geschmack in der Nische pflegen musste (Krug selbst sammelte Möbel und Antiquitäten) und nicht von oben als Dünkel ausleben konnte, war der Volksschauspieler Krug so was wie ein Popstar.

Man sieht das einer Figur an wie dem Vorarbeiter Balla in Frank Beyers Film "Spur der Steine", auch wenn der später verbotene Film in der DDR quasi keine Rezeptions- und Wirkungsgeschichte hat: Wie Cowboys schreiten Balla und seine Männer durch die volkseigenen Betriebe, nur dass diese Cowboys Zimmermannshüte tragen und ihre Coolness sich dem Stolz des Proletariers verdankt. Es gibt, abgesehen vom Hippietum der "Legende von Paul und Paula", kaum Bilder, in denen das DEFA-Kino so ikonisch vital aussah und so viel größer als die kleinmütige, bürokratische Enge, wegen der Krug nach der Biermann-Ausbürgerung in den Westen ging.

Gesangskarriere

Krugs DDR-Filmografie beinhaltet einen Großteil dessen, was an Kino aus dem verschwundenen Land interessant ist, im Westen machte er im Fernsehen Karriere. In der "Sesamstraße", als Trucker Franz Meersdonk in der Speditionswesenerzählung "Auf Achse", als ironischer Anwalt "Liebling Kreuzberg" und als Paul Stoever im Hamburger "Tatort". Letzteres helmutkohlhafte 17 Jahre lang, und am Ende konsequent in jeder Folge musizierend, was eine Reprise auf Krugs frühe Gesangskarriere von soulig-jazzigen Günther-Fischer-Nummern war, die er auch dann noch mit der Sängerin Uschi Brüning pflegte, als er sich vom Schauspiel längst verabschiedet hatte.

Das Ankommen im Westen fiel dem geschäftstüchtigen Krug (die gut bezahlte Werbung für die Telekom-Aktie bezeichnete er später als Fehler) trotz seines fortgesetzten Erfolgs nicht leicht; das Interview, das er Hermann Schreiber 1979 gab, ist ein bleibendes Dokument über die Schwierigkeiten der Verständigung zwischen Ost und West..

"Werden Sie Sehnsucht haben?"

"Abgehauen", die dokudramatische Verfilmung von Krugs Tagebuch vor dem Weggang aus der DDR von 1996, endet mit einem Schnipsel Originalfernsehmaterial. Krug wird nach dem Grenzübertritt von ZDF-Korrespondent Dirk Sager empfangen. Die erste Frage gilt dem, was zurückgelassen wird ("Die Leute, das Publikum, und ich glaube, da gab es eine ziemlich besondere Beziehung zwischen dem Publikum und mir"), die zweite lautet: "Werden Sie Sehnsucht haben?"

Und dann beißt der große, kräftige Krug, dieser sozialistische Hedonist, die Zähne zusammen, um nicht von Rührung übermannt zu werden, und dreht sich weg, um sich mit beiden Fäusten die Augen zu reiben. Der kleine, dünne Sager legt das Mikrofon aus der Hand und steckt sich seine Pfeife an.

Man muss sich die Szene als das versöhnlichste Ende vorstellen, das eine zerrissene Biografie wie die von Manfred Krug haben kann. Am 21. Oktober ist er mit 79 Jahren in Berlin gestorben. (Matthias Dell, 27.10.2016)