Bei Anzeichen von Schlaganfall (Lähmung, Doppelbilder, Sprachstörungen) unbedingt sofort die Rettung rufen. Jede Minute zählt, wenn es darum geht die Behandlung mittels Lyse zu starten. Zukünftig könnte sie schon im Rettungsauto beginnen.

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In der Notfallambulanz einer Klinik bewahrheitet sich Tag für Tag ein prägnanter Satz: "Time is brain – Zeit ist Gehirn". Schließlich werden dort Patienten mit Verdacht auf einen Schlaganfall eingewiesen. Alle 20 Minuten erleidet ein Mensch in Österreich einen Schlaganfall. Das Gehirn des Patienten wird nicht richtig durchblutet, weil ein Blutgerinnsel den Blutfluss versperrt. Je schneller die Helfer reagieren und den Patienten versorgen, umso eher können sie verhindern, dass Nervenzellen absterben. Bestätigt sich der Verdacht auf einen Schlaganfall, kommt vielfach die Thrombolyse, kurz Lyse genannt, zum Einsatz. Der Patient erhält eine Infusion mit einem Enzym, dass das Blutgerinnsel auflöst.

Der Haken ist nur: Die Therapie muss in den ersten 4,5 Stunden nach einem Schlaganfall erfolgen. Und selbst in diesem Zeitfenster verschlechtert sich die Prognose mit jeder Minute und die Gefahr einer Behinderung nimmt stetig zu.

Bislang erhält ein Patient die Behandlung in einer Stroke Unit, einer neurologischen Station im Krankenhaus, in denen eine optimale Versorgung möglich ist. Zuvor jedoch müssen die Ärzte durch eine Computertomographie (CT) sicherstellen, dass der Schlaganfall wirklich durch ein Blutgerinnsel und nicht durch eine Hirnblutung ausgelöst wurde. Im Krankenhaus ist es dann allerdings möglicherweise bereits zu spät für die Lyse. Große Lyseregister in USA und Europa zeigen, dass nur sehr wenige Patienten in den ersten 90 Minuten nach dem Schlaganfall behandelt werden.

Rettung als Behandlungsraum

Um wertvolle Zeit zu gewinnen, setzt man daher auf eine neue Strategie: Weltweit hat man mittlerweile in rund 20 Städten eine mobile Stroke Unit eingeführt. Dieses Konzept eines mit einem CT-Gerät ausgestatteten Rettungsfahrzeuges haben vor einigen Jahren Forscher in Deutschland am Uniklinikum des Saarlands in Homburg entwickelt.

Mit Hilfe der technischen Ausstattung kann geschultes Personal schon vor dem Eintreffen im Krankenhaus alle notwendigen Untersuchungen durchführen und mit der Lyse beginnen. Erste Studien in deutschen Städten zeigen, dass Patienten auf diesem Weg rund 25 bis 35 Minuten früher in den Genuss der Lysebehandlung im Vergleich zur konventionellen Versorgung kommen. Teilweise erhielt ein Drittel der in der mobilen Stroke Unit versorgten Patienten die Behandlung innerhalb von 60 Minuten nach dem Schlaganfall. Und es konnten letztlich auch mehr Patienten in der gleichen Zeit therapiert werden.

Studie zur Klärung

Doch die alles entscheidende Frage bleibt: Was bringt den Patienten die mobile Stroke Unit wirklich? Verbessert sich ihre Prognose durch eine frühere Behandlung? Diese Frage interessierte auch Alexander Kunz und seine Kollegen von der Charité Universitätsmedizin Berlin. Sie führten daher eine Studie mit mehr als 650 Patienten durch, die 2016 im Fachblatt "The Lancet Neurology" erschienen ist. Die Forscher verglichen Patienten, die erst im Krankenhaus eine Lysebehandlung bekamen mit solchen, die diese in einer mobilen Stroke Unit in Berlin erhalten hatten.

Patienten, die schon auf dem Weg ins Krankenhaus die passende Therapie erhielten, litten drei Monate nach dem Schlaganfall zwar nicht signifikant seltener unter einer Behinderung als solche, die regulär behandelt wurden. Sie hatten aber tendenziell weniger häufig eine schwere Behinderung und unter ihnen war die Überlebensrate höher.

Outcome vergleichen

"Die Studie ist wichtig", sagt Klaus Faßbender von der Universität des Saarlandes, der die mobile Stroke Unit mitentwickelt hat, aber nicht an der Berliner Studie beteiligt war. Er weist allerdings auf eine methodische Schwäche der Untersuchung hin: Die Forscher um Kunz hätten lediglich bestehende Patientenregister ausgewertet statt die Patienten zufällig zu einer der beiden Behandlungsgruppen zuzuweisen. Doch nur eine solche zufällige Zuweisung kann letztlich gewährleisten, dass beide Gruppen in ihrer Zusammensetzung zueinander weitgehend gleichwertig sind und sich die unterschiedlichen Ergebnisse auch wirklich auf die unterschiedliche Behandlung zurückführen lassen.

Auch der Mediziner Alastair Buchan von der University of Oxford sieht den Bedarf für größere und damit statistisch aussagekräftigere Studien. "Die mobilen Stroke Units haben in meinen Augen aber durchaus das Potential, Schlaganfälle rechtzeitig und mit weniger Behinderungen zu behandeln. Er weist allerdings darauf hin, dass es eine Frage der Ressourcen sei, die neue Methode auch wirklich in der klinischen Praxis zu etablieren. Immerhin müssten die speziell ausgestatteten Rettungswagen finanziert werden und man benötige gut ausgebildetes Personal an Bord der mobilen Stroke Unit, um die Diagnose und die Behandlung durchführen zu können.

Wie es weiter geht

Es bleibt zudem die Frage, ob sich die viel versprechenden Ergebnisse dieser ersten Studien auch auf andere Regionen als Städte in Deutschland übertragen lassen – auf Länder und Regionen mit ganz anderer Infrastruktur, Verkehrssituation und medizinischer Versorgung. Da zu Beginn sicher nicht mit vielen Spezialfahrzeugen zu rechnen ist, könnte die Wartezeit jenseits großer Städte zu lange werden.

In ländlichen Gebieten etwa könnte es sein, dass lokale Krankenwagen vor Ort den Patienten ähnlich schnell ins Krankenhaus bringen können wie eine mobile Stroke Unit eines einzelnen Krankenhauses benötigt, um den Betroffenen überhaupt zu erreichen. (Christian Wolf, 29.10.2016)

Originalstudie:

Functional outcomes of pre-hospital thrombolysis in a mobile stroke treatment unit compared with conventional care: an observational registry study