Wie die Blätter im Herbst, verfärbt sich auch ein blauer Fleck nach einiger Zeit gelblich. Das liegt am Abbauprodukt Bilirubin.

Foto: APA/dpa/Marcel Kusch

Wenn sich die Haut gelblich färbt, vermuten viele fälschlicherweise eine Krankheit als Ursache. Die Betroffenen sind zudem meist sehr schlank. Die Rede ist von Personen mit einem moderat erhöhten Bilirubinspiegel, auch "Gilbert-Syndrom" genannt.

"Etwa fünf bis zehn Prozent der Europäer 'leiden' daran – bzw. leiden eben nicht, denn weil es abgesehen von Gewicht und Teint kaum Symptome gibt, wissen die wenigsten überhaupt davon", erklärt Karl-Heinz Wagner vom Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien.

Jeder hat Bilirubin in seinem Körper. Konkret handelt es sich dabei um ein Abbauprodukt des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin, das zum Beispiel dafür sorgt, dass blaue Flecken sich beim Verheilen langsam gelb färben. In der Leber wird das Bilirubin von Enzymen wasserlöslich gemacht, also "konjugiert", und schließlich über den Stuhl ausgeschieden.

Gelbe blaue Flecken

Wagner erklärt am Beispiel eines "Blauen Flecks", wie Bilirubin im menschlichen Körper abgebaut wird: "Die bläuliche Färbung eines Hämatoms kommt vom Eisen. Beim Abbau der roten Blutkörperchen wird der Fleck leicht türkis – das ist das Biliverdin. Am Ende bleibt das Bilirubin übrig und der vormals blaue Fleck wirkt gelb."

"Bei Personen mit dem Gilbert-Syndrom funktionieren diese Enzyme und damit der Abbau über die Leber nur zu 30 bis 40 Prozent ", so der Experte weiter und erklärt: "Es handelt sich dabei um einen Gendefekt, der sich erst mit 18 oder 19 Jahren über einen moderat erhöhten Bilirubin-Spiegel im Blut sowie der typisch gelblichen Haut bemerkbar macht."

Gefährlich wird es dann, wenn die Bilirubin-Abbau-Enzyme gar nicht funktionieren. Denn ab einer bestimmten Bilirubin-Konzentration im Blut kann der Stoff ins Gehirn gelangen und dort toxisch wirken – das kommt jedoch sehr selten vor. "Bei Babys springt das Enzym manchmal erst einige Tage nach der Geburt an, daher kann sich Bilirubin im Blut anreichern und Neugeborenengelbsucht auslösen. Passiert das Bilirubin die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, kann das schlimmstenfalls tödlich enden", erklärt der Forscher. Das sei laut Wagner auch der Grund, warum Bilirubin unter Ärtzen keinen guten Ruf hat: "So wird das Gilbert-Syndrom – auch Morbus Meulengracht genannt – oft fälschlicherweise als Krankheit dargestellt."

Ins rechte Licht rücken

In drei aktuellen Fachpublikationen zeigen Wagner und sein Team nun, dass sich Bilirubin in moderat erhöhter Konzentration positiv auswirkt – und zwar in mehrfacher Hinsicht. "Wir haben uns den Energiestoffwechsel der Probanden angeschaut und gezeigt, dass er bei Personen mit Gilbert- Syndrom effizienter funktioniert als bei der Kontrollgruppe: Infolgedessen sind BMI sowie Cholesterinwerte niedriger, Fett- und Glukosestoffwechsel besser und damit das Risiko z.B. an Diabetes oder CVD zu erkranken geringer", führt Wagner aus. Außerdem scheint der erhöhte Bilirubinspiegel den Stoffwechsel des Alterns zu beeinflussen. "Altersbedingte Krankheiten treten seltener auf", so der Studienleiter und ergänzt: "Bedauerlicherweise ist der Bilirubin-Spiegel aber noch nicht steuerbar – entweder man hat das Gilbert-Syndrom oder eben nicht."

Das Ergebnis der Studien: Bilirubin – in moderater Konzentration – ist gut, aber wie kann man den Bilirubinspiegel "künstlich" erhöhen? "Bilirubin ist kaum löslich und wird daher so gut wie nicht über den Darm ins Blut aufgenommen. Wir beschäftigen uns daher mit der Frage, wie Bilirubin über die Ernährung – z.B. über bestimmte Gemüsearten – oder über die Modulierung bestimmter Enzyme in der Leber erhöht werden kann", so Wagner.

Länger leben mit Bilirubin

Das "Altern mit Bilirubin" haben sich die Dissertantin Anela Tosevska und Postdoc Christine Mölzer im Rahmen der BILIHEALTH Studie genauer angesehen. "Hier standen Telomere, die Enden bzw. Schutzkappen unserer Chromosomen, im Zentrum: Ihre Länge wird bekanntlich mit der Lebenserwartung in Verbindung gebracht. Und wir wissen, dass Personen, die an Diabetes, Herzinfarkten oder Krebs leiden, kürzere Telomere haben", erklärt Wagner. Ein zentrales Ergebnis der Studie: Personen mit Gilbert-Syndrom verfügen tatsächlich über längere Telomere.

"Ein weiteres interessantes Ergebnis ist, dass bei Menschen mit erhöhtem Bilirubin der oxidative Stress geringer ist: Sie sind also besser vor Zell- sowie DNA-Schädigungen geschützt, was wiederum den Alterungsprozess und die Lebenserwartung beeinflusst", betont der Wissenschafter und Leiter der Forschungsplattform Active Ageing.

Diese verschiedenen Puzzleteile will Wagner nun in Verbindung setzen: "Wie die Einzelkomponenten zusammenspielen und welcher Mechanismus dahinter liegt, ist noch zu klären. Was wir aber mit Sicherheit bereits jetzt wissen: Bilirubin ist ein klinischer Marker für ein längeres und gesünderes Leben." Und diesen Marker gilt es unter Medizinern zu bewerben.

"Obwohl Bilirubin offensichtlich beträchtliche Auswirkungen auf den Menschen hat, wird es nach wie vor unterschätzt", sagt Wagner weiter, der bereits am nächsten großen Projekt tüftelt, um einem weiteren (möglichen) positiven Effekt des Gallenfarbstoffes auf die Spur zu kommen. "In einer groß angelegten internationalen Studie sowie in einem kürzlich gestarteten FWF-Projekt werden wir den Zusammenhang zwischen Bilirubin und bestimmten Krebserkranken untersuchen", verrät er. (red, P. Schiefer, 3.11.2016)