Das Voestalpine-Werk in Corpus Christi am Golf von Mexiko ist das größte und modernste seiner Art weltweit. Der dort produzierte Eisenschwamm wird direkt in alle Welt verschifft.

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Wien – Die größte Investition eines österreichischen Unternehmens auf der grünen Wiese in den USA, das Voestalpine-Werk in Corpus Christi, war offenbar noch größer als bisher bekannt. In Summe schlage das Projekt Direktreduktionsanlage zur Erzeugung von Eisenschwamm mit "über einer Milliarde Dollar" zu Buche, sagen Insider. In Euro umgerechnet sind das mehr als 900 Millionen – um die Hälfte mehr als die von Voestalpine-Chef Wolfgang Eder stets kommunizierte Investitionssumme von 550 Millionen Euro.

Als Gründe für die höheren Ausgaben wird in Voestalpine-Aufsichtsratskreisen der von der Schiefergas-Förderung angeheizte Bauboom in Texas genannt, selbiger habe die Preise für Baustoffe wie Beton und Eisen in die Höhe getrieben. Auch die vorbereitende Bodenbearbeitung sei aufwendiger gewesen, als ursprünglich angenommen, zusätzliche Bohrungen seien notwendig gewesen. Hinzu kamen Anfang 2015 Überschwemmungen aufgrund massiver Regenfälle, die Bauarbeiten wochenlang lahmlegten.

Einen Anstieg der Baukosten hatte Voestalpine bereits im März 2015 eingeräumt, damals freilich einen leichten: Es handele sich "maximal um ein paar Prozent". Zwölf zusätzliche Millionen beträfen eine Kaltbrikettieranlage, die sich innerhalb eines Jahres rechne, hieß es. 85 Prozent der veranschlagten Kosten in Texas seien fix, nur bei 15 Prozent könne es konjunkturbedingt zu Schwankungen kommen.

"Keine nennenswerten Veränderungen"

Auf die auch im Aufsichtsrat diskutierten höheren Investitionen angesprochen, wehrte Voestalpine-Sprecher Peter Felsbach am Dienstag ab. Man könne diese Informationen nicht bestätigen. "An der Basisinvestition für die Anlage bei der Projektentscheidung Ende 2012 von 740 Millionen Dollar traten keine nennenswerten Veränderungen ein", betonte Felsbach. Diese 740 Millionen entsprächen dem Wechselkurs bei der Projektverabschiedung 2012. Da das Projekt überwiegend in Dollar finanziert sei, hätten Veränderungen keine nennenswerten negativen Auswirkungen.

Er räumte allerdings ein, dass bei Beton, Baustahl, Verrohrungen, Montagen "eine gewisse Kosteninflation" naturgemäß auftrete und es bei Großprojekten üblich sei, während der Bauzeit technisch und wirtschaftlich attraktive Ergänzungsinvestitionen vorzunehmen. In der hochgerechneten längerfristigen Durchschnittsbetrachtung liege das Projekt unverändert beim angestrebten internen Zinsfuß von zwölf Prozent, so der Voestalpine-Sprecher. Darin seien die indirekten positiven Effekte an österreichischen Standorten noch gar nicht berücksichtigt. Eine endgültige Bewertung stehe aber erst am Ende der Hochlaufphase fest.

Im Konzernergebnis werden die höheren Kosten wohl nicht auffallen. Denn pro Jahr sei der qualitativ hochwertige Eisenschwamm aus Texas um 200 Millionen Euro billiger als in Österreich oder Europa hergestelltes Vormaterial.

Wie lang der Kostenvorteil anhält, bleibt abzuwarten. Dass Eisenschwamm aus der Ukraine oder Russland aufgrund des Preisverfalls eine Konkurrenz zu den US-Pellets sein könnte, verneint die Voestalpine. Diese könnten schon bei der Qualität nicht mithalten und auch die Binnenlogistik wäre kostspieliger.

Für Corpus Christi wäre vermutlich selbst das kein gravierender Nachteil. Denn das neue Werk war bereits vor seiner Eröffnung Ende Oktober voll ausgelastet. Die dort hergestellten rund zwei Millionen Tonnen Eisenpellets werden zur Weiterverarbeitung direkt aus dem Tiefseehafen verschifft und in Nord- und Südamerika sowie bei der Voest in Linz und Donawitz (800.000 Tonnen pro Jahr) weiterverarbeitet.

"Gelassen" sieht die Voest die vom US-Handelsministerium verhängten Importzölle gegen sich und Stahlerzeuger aus Deutschland, Frankreich, Belgien, China, Italien, Japan, Südkorea und Taiwan. Der Vorwurf: Dumping bei Blechen für Haus-, Brücken- und Schiffsbau. (Luise Ungerboeck, 9.11.2016)