Lausanne – Erbliche Krankheiten wie Chorea Huntington oder manche Muskeldystrophien beruhen auf einer bestimmten Art von Erbgutveränderung. Konkret sammeln sich an einem Ort im Genom zu viele Wiederholungen einer "Buchstaben"-Folge an. Lausanner Forscher konnten nun in Laborversuchen zeigen, wie sich deren Anzahl reduzieren ließe.

Die Genschere "CRISPR-Cas9" ist in aller Munde: Einfacher und präziser denn je lässt sich damit das Erbgut umschreiben. Darauf ruhen große Hoffnungen, da CRISPR ein mögliches Werkzeug für Gentherapien gegen schwere Erbkrankheiten sein könnte. Forschende der Universität Lausanne berichten nun von einem ersten wichtigen Schritt, um mit dieser Genschere eines Tages einen bestimmten Typ fortschreitender Erbkrankheiten zu behandeln, die Hirn- und Muskelzellen betreffen können. Zu dieser Gruppe gehören 14 Krankheiten, beispielsweise die Nervenkrankheit Chorea Huntington oder manche Muskeldystrophien.

Zu viele Wiederholungen

Wie das Team um Vincent Dion im Fachjournal "Nature Communications" schreibt, lässt sich mit einer bestimmten Variante der Genschere die schädliche Erbgutveränderung hinter diesen Krankheiten reparieren. Zumindest konnten das die Forscher bei Zellen in der Kulturschale beobachten.

Bei diesen Erbgutveränderungen handelt es sich um zu häufige Wiederholungen einer Abfolge von drei "Buchstaben", wie es vonseiten der Uni Lausanne heißt. Die gesamte Erbinformation in unseren Zellen ist durch vier solcher Buchstaben – auch Nukleotide genannt – codiert: A, C, G und T.

Wiederholungen von drei Nukleotiden, beispielsweise "CAG" kommen im riesigen menschlichen Erbgut zwar öfters vor, problematisch wird es aber, wenn sich zu viele davon aneinander reihen. Bei Gesunden kommt eine Wiederholung von "CAG" im Huntingtin-Gen zum Beispiel 11 bis 34 mal vor. Chorea Huntington-Patienten tragen 42 bis über 150 Wiederholungen. Die Folgen sind anfangs psychische Beschwerden, später zunehmender Verlust kognitiver Fähigkeiten und der Bewegungskontrolle.

"Gesunde" und "kranke" Kopie

"Die Anzahl der CAG-Wiederholungen sagt die Schwere der Krankheit voraus", erklärt Studienleiter Dion. "Je mehr es davon gibt, desto schwerer wird der Verlauf der Krankheit und in desto jüngerem Alter manifestiert sie sich." Meist tritt Huntington zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr auf, es gab jedoch auch Fälle mit Krankheitsbeginn im frühen Kindesalter.

eine Idee unter Genetikern ist aber schon länger, die Anzahl der Wiederholungen zu reduzieren. Genau das haben die Forschenden um Dion an Zellen in der Kulturschale getestet.

Normalerweise schneidet die Genschere "CRISPR-Cas9" den kompletten DNA-Strang durch. Die Zelle repariert den Schnitt anschließend, was sich aber bei den CAG-Wiederholungen als zu instabil herausstellte, wie die Forscher im Fachartikel schreiben. Viele Patienten besitzen eine "gesunde" Kopie des Gens – die bei dem Eingriff intakt bleiben muss – und eine "kranke" mit zu vielen CAG-Wiederholungen.

Forschung erst am Anfang

Mit einer Spezialvariante des Genschere lösten die Wissenschafter das Problem: Diese schneidet die DNA nur halb durch. Das ruft andere Reparaturwerkzeuge der Zelle auf den Plan. Mit dem Resultat, dass die Anzahl der Wiederholungen tatsächlich nur in der "kranken" Kopie des Gens reduziert wurde.

Bis zu einer Therapie gegen Chorea Huntington und Co ist es jedoch noch ein weiter Weg: In weiteren Versuchen an Zellen und an Versuchstieren wie Mäusen muss die Sicherheit dieser Methode noch genauestens geprüft werden. Es könnte jedoch der Grundstein für eine Gentherapie sein, die den Verlauf dieser Art von schweren Erbkrankheiten aufhält oder gar umkehrt. (APA, sda, 10.11.2016))