In Kapfenberg plant die Voest den Bau eines neuen Elektrostahlwerks. Noch ist die Realisierung aber angesichts der sehr volatilen Situation am europäischen Energiemarkt noch nicht abgesichert.

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Kapfenberg/Graz – "Kapfenberg steht voll hinter dem Werk. Wir sind ein alter Industriestandort, alles wartet auf diese 300-Millionen-Euro-Großinvestition", sagt der Bürgermeister der obersteirischen Stadt Kapfenberg, Manfred Wegscheider (SPÖ). Ob sich das Warten auf die für die alte Böhler-Voest-Metropole entscheidende Investition in ein neues Edelstahlwerk auch lohnen wird, ist jetzt aber einigermaßen unsicher geworden.

Voest-Chef Wolfgang Eder stellt der Politik eine Rute ins Fenster: Die jüngste Entscheidung der europäischen Regulierungsbehörde, den gemeinsamen Strommarkt Deutschland-Österreich zu canceln, werde eine zweistellige Erhöhung des Strompreises in Österreich zur Folge haben. Was die Rentabilität des neuen Elektrostahlwerks infrage stellen würde, argumentiert Eder sinngemäß. Nun sei die Politik am Zug.

3000 Arbeitsplätze

Bürgermeister Wegscheider will an den Worst Case eines Platzens der Ausbaupläne der Voest vorerst einmal gar nicht denken: "Ich kann Eder natürlich verstehen, dass die Rahmenbedingungen stimmen müssen. Ich mache mir über die Strompreisentwicklung ebenso Sorgen, aber da muss sich jetzt eben die österreichische Bundespolitik auf die Füße stellen, ich erwarte mir von der Politik, dass sie hier hart verhandelt", sagt Wegscheider im Gespräch mit dem STANDARD. Er werde nächste Woche diesbezügliche Gespräche auch mit Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) führen. Immerhin stünden ohne diese "Zukunftsinvestition" letzten Endes 3.000 Arbeitsplätze und die Zukunft des Voest-Standorts Kapfenberg auf dem Spiel, sagt Wegscheider.

Sollte Kapfenberg tatsächlich nicht realisiert werden, stünde wohl der texanischen Standort Corpus Christi als Alternative bereit – wegen der dortigen niedrigen Energiepreise.

Auch der steirische SPÖ-Landeshauptmann-Vize Michael Schickhofer will sich jetzt für Kapfenberg ins Zeug schmeißen: "Wir wollen und wir brauchen diese hochmoderne Industrieanlage der Voestalpine in Kapfenberg." Die gemeinsame Strompreiszone mit Deutschland sei an sich ja ein "gutes und richtiges Beispiel für die Sinnhaftigkeit des europäischen Binnenmarkts". Michael Schickhofer: "Gerade hier darf die Europäische Kommission nicht nachgeben und muss auf einer gemeinsamen Strompreiszone beharren."

Appell an Bundesregierung

Wie Wegscheider will auch der steirische Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann (ÖVP) ein Scheitern des Großinvests der Voest erst gar nicht andenken: "Ich bin zuversichtlich, dass das Werk in Kapfenberg errichtet wird, aber selbstverständlich muss für die Voest das Geschäftsmodell passen." Er habe diesbezüglich bereits mit Eder gesprochen, das Land Steiermark werde auf die Bundesregierung einwirken.

Der Grund für den Preiskonflikt liegt eigentlich in Deutschland. Im Norden Deutschlands wird überproportional viel billiger Strom aus Windkraft produziert, der wegen zu schwacher Leitungen aber nicht in den industriestarken Süden gelangt. Der Strom wird daher über Polen und Tschechien und schließlich über Österreich im Kreis geschickt.

Der Umweg strapaziert aber die Leitungen Polens und Tschechiens, beide Länder fordern schon lange einen künstlichen "Engpass" an der deutsch-österreichischen Grenze. Nun wird auf europäischer Ebene die Abkoppelung des deutschen Strommarktes lanciert.

Die österreichische E-Control will rechtlich aber dagegen vorgehen. Auch die Verbund-Tochter Austrian Power Grid, die als Übertragungsnetzbetreiber mit der allfälligen Umsetzung betraut wäre, behält sich rechtliche Schritte vor. (Walter Müller, 12.11.2016)