Patientinnen mit Brustkrebs erleben nicht nur einen Diagnose-Schock, eine Herausforderung ist auch die medizinischen Hintergründe der Erkrankung zu verstehen – und zusammen mit dem Arzt Therapieentscheidungen zu treffen.

Wichtig in diesem Zusammenhang: Welche Therapie ist statistisch betrachtet die wirksamste. Genau das ist die Aufgabe von Evidenz basierter Medizin. Um zu Ergebnissen zu kommen, werden Studien miteinander verglichen. Eine wichtige Medikamentenklasse sind bei bestimmten Formen von Brustkrebs die Aromatasehemmer.

Ob und welche Vorteile sie gegenüber anderen Therapien für Brustkrebs oder im Vergleich untereinander haben, hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersucht und seinen Abschlussbericht vorgelegt. Demnach zeigen die verfügbaren Daten für das frühe, nicht aber für das späte Stadium der Erkrankung Vorteile gegenüber Tamoxifen: Die Patientinnen überleben länger und Rezidive treten später auf.

Studienlage überblicken

Beim fortgeschrittenen Brustkrebs ist die Datenlage insgesamt deutlich schlechter. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte das Institut beauftragt, mehrere Vergleiche anzustellen: Zum einen sollte das IQWiG die Aromatasehemmer anderen Behandlungsoptionen, insbesondere dem Antiöstrogen Tamoxifen, gegenüberstellen.

Zum anderen sollte das Institut prüfen, ob sich die drei zugelassenen Wirkstoffe aus der Klasse der Aromatasehemmer (Anastrozol, Exemestan, Letrozol) in Hinblick auf Nutzen oder Schaden unterscheiden.

Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler feststellten, ist die Studienlage beim frühen Brustkrebs deutlich besser als beim späten: Zwölf der insgesamt 19 Studien, die das IQWiG in die Bewertung einbeziehen konnte, betreffen den frühen Brustkrebs. Erst im Juli 2015 wurden die Ergebnisse einer Studie mit über 4000 Teilnehmerinnen publiziert, die zwei Aromatasehemmer (Letrozol, Anastrozol) verglich.

Krankheitsstadium entscheidend

Beim späten Brustkrebs ist die Datenlage indes deutlich schlechter. So wurden einige Fragestellungen gar nicht untersucht und die Zahl der Teilnehmerinnen ist erheblich niedriger (rund 3000 gegenüber etwa 39 000). Bemerkenswert ist auch, dass hier keine der Studien den Aspekt "gesundheitsbezogene Lebensqualität" berücksichtigte.

Die Bewertung stützt sich nicht allein auf publizierte Studien. Denn auf Anfrage des IQWiG haben Hersteller zusätzliche Daten oder Angaben zu Studien geliefert, sodass die Bewertung auf einer vollständigen Datenbasis möglich ist. Beim frühen Brustkrebs sind Aromatasehemmer für fünf verschiedene Therapieregime zugelassen, bei zwei davon zeigen die Daten einen Zusatznutzen gegenüber Tamoxifen: Bei der Upfront-Therapie beginnen die Patientinnen die medikamentöse Therapie mit einem Aromatasehemmer. Bei der Switch-Therapie wechseln sie nach einer zwei- bis dreijährigen Vorbehandlung mit einem Aromatasehemmer auf ein Antiöstrogen.

Erwünschte und unerwünschte Wirkungen

Zugunsten der Aromatasehemmer fallen die Ergebnisse bei drei Endpunkten aus: beim Gesamtüberleben, bei der Rezidivfreiheit sowie bei bestimmten Nebenwirkungen (schwerwiegende unerwünschte Ereignisse). Andere Nebenwirkungen, insbesondere spezifische unerwünschte Ereignisse, treten je nach Wirkstoff teils häufiger, teils seltener auf als bei Tamoxifen.

Bei der sogenannten erweiterten Therapie, bei der der einzige hier zugelassene Aromatasehemmer Letrozol nach Abschluss einer fünfjährigen Tamoxifen-Behandlung gegeben wird, zeigen die Daten einen Vorteil nur bei der Rezidivfreiheit. Dem stehen jedoch mehr Abbrüche wegen unerwünschter Ereignisse gegenüber.

Für die neoadjuvante Therapie, bei der Aromatasehemmer der Operation vorgeschaltet werden, gibt es keine Daten. Auch für den Vergleich der Aromatasehemmer untereinander fehlen Daten. Bei der einzigen Studie, die Letrozol gegen Anastrozol testete, gibt es keine relevanten Unterschiede.

Kein Anhaltspunkt für Zusatznutzen

Für keines der drei möglichen Therapieregime mit Aromatasehemmern beim späten Brustkrebs bietet einer der Wirkstoffe einen Vorteil: In der Erstlinientherapie gibt es zwar Daten, ein Zusatznutzen gegenüber Tamoxifen lässt sich aus ihnen jedoch nicht ableiten. Für die Zweitlinientherapie, also nach Vorbehandlung mit Antiöstrogenen, und für die Drittlinientherapie fehlen relevante Studien. (red/idw, 15.11.2016)