Die Statue der Königin vor und nach den Restaurierungsarbeiten.
Foto: Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst

Wien – Halb kniend hockt sie da, den Kopf gebeugt und nach links geneigt, der Torso in sich zusammengesunken und die Hände vor dem Gesicht gefaltet. Was wirkt wie das Bildnis einer Bettlerin, ist in Wahrheit die Statue einer nepalesischen Königin. Gemeinsam mit der Abbildung ihres Mannes, König Yoganarendra Malla, und weiteren feuervergoldeten Figuren ist sie von der Steinsäule auf dem zentralen Durbar Square in Patan gestürzt, dessen Spitze die Gruppe seit mehr als dreihundert Jahren zierte.

Auch König Yoganarendra Malla wurde demontiert, restauriert und gereinigt.
Foto: Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst

Bei dem Erdbeben mit der Magnitude von 7,8 im April 2015 und der Serie schwerer Nachbeben starben in Nepal fast 8800 Menschen, 800.000 Häuser wurden zerstört. Neben dem menschlichen Leid führten die Erdstöße zu katastrophalen Schäden am reichen kulturellen Erbe der Region. Der Durbar Square mit seinen angrenzenden Palastanlagen ist eine von sieben geschützten Weltkulturerbestätten des Kathmandu-Tales. Schon vor dem Erdbeben war das Tal von der Unesco zeitweise als gefährdetes Kulturerbe eingestuft worden.

Die Bauteile der zerstörten Gebäude musste eingelagert werden, um sie vor Witterungseinflüssen zu schützen. Österreich finanzierte die Errichtung temporärer Lagerräume.
Foto: Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst

Bereits seit 2010 ist ein Team des Instituts für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst Wien unter der Leitung von Institutschefin Gabriela Krist in jährlichen Kampagnen in Patan aktiv. Das Erdbeben änderte die Aufgaben der Restauratoren: Anstelle von Erhaltungsmaßnahmen stehen nun Einsätze zur Rettung und Wiederaufbau der zerstörten Baujuwele im Vordergrund. Nach dem Beben sei die Stimmung vor Ort fürchterlich gewesen, berichten Krist und ihre Mitarbeiterin Martina Haselberger. Zwei der fünf Tempel am Durbar Square wurden völlig zerstört, ein weiterer ist stark einsturzgefährdet. Von der Palastfassade hielt ein Flügel den Erdstößen nicht stand.

Die eingestürzte Königssäule nach dem Beben und nach der Wiedererrichtung.
Foto: Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst

30 Prozent des Ensembles wurden komplett zerstört, weitere 30 stark beschädigt, bilanzieren die Restauratoren. Das feuchte Klima in dem Himalajastaat stellt dabei eine zusätzliche Bedrohung für die witterungsanfälligen Baumaterialien der historischen Gebäude dar. Während im Vorjahr daher das Hauptaugenmerk auf Sicherungsmaßnahmen gerichtet werden musste, sei heuer jedoch schon deutlich ein Aufschwung spürbar gewesen. Der Palast ist nun neu gedeckt, die Tempel sind eingezäunt und eingerüstet.

Das Patan-Museum wurde neu aufgestellt...
Foto: Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst

Das Team von Krist ist nicht zufällig in Patan aktiv, denn in Nepal existiert ein richtiges Österreich-Netzwerk. Im Jahr 2009 hatte der Architekturhistoriker Eduard Sekler um Unterstützung angefragt. Der emeritierte Harvard-Professor ist seit den Sechzigerjahren mit der Region verbunden, 1990 gründete er den Kathmandu Valley Preservation Trust (KVPT), der sich um die Erhaltung des historischen Architekturensembles kümmert. Ebenfalls seit den Sechzigerjahren in Nepal tätig, ist der Architekt und ehemalige Rektor der Akademie der bildenden Künste, Carl Pruscha.

...und mit einem modernen Beleuchtungskonzept ausgestattet.
Foto: Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst

Zwischen den aus verschiedensten Ländern stammenden Wiederaufbauteams in Nepal ist ein regelrechter Nationenwettbewerb entstanden, wer schneller sichtbare Resultate vorzuweisen hat. Auf die raschen Fortschritte des österreichischen Teams wird dabei durchaus mit einer gewissen Eifersucht geblickt. In fünf Jahren wird der Durbar Square wieder stehen, schätzt Krist.

Die Reinigung des Königsthrons ist Millimeterarbeit.
Foto: Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst

Heuer wurde die Königssäule wiederrichtet. Vorbeugend wurden Risse mit Ultraschall untersucht und verfüllt, die Verbindungen der einzelnen Bauteile mit Stahlstiften verstärkt. Die Experten restaurierten auch ein elfenbeinverziertes dreiteiliges Fenster der Palastfassade und setzten es wieder an seinen Platz. Auch die Renovierung des Patan-Museums, dessen Design von Götz Hagmüller, einem weiteren Österreicher, stammt, wurde in Angriff genommen. Das Beleuchtungssystem wurde dabei auf LED umgestellt und eine Solaranlage geplant – wegweisend in einem Land, in dem Stromausfälle alltäglich sind. Ohne die Finanzierung durch die Austrian Development Agency (ADA) wären alle diese Fortschritte nicht möglich.

Details des rekonstruierten Elfenbeinfensters.
Foto: Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst

Die Königin blickt nun wieder stolz und in einer aufrechten Haltung in die Zukunft. Schrammen und Dellen wurden mithilfe von nepalesischen Kupferschmieden ausgebeult. Nach einer Reinigung und teilweisen Neuvergoldung wartet sie auf die Rückkehr der Restauratoren aus Wien. Im Februar 2017 werden letzte Konservierungsarbeiten an der Figurengruppe durchgeführt. Dann werden die Statuen wieder über dem Durbar Square strahlen – als Symbol für den Wiederaufbau aus den Trümmern der Katastrophe. (Michael Vosatka, 18.11.2016)

Die Fenster nach ihrer Wiederanbringung.
Foto: Institut für Konservierung und Restaurierung, Universität für angewandte Kunst