Scheinbehandlungen und Scheinmedikamente ohne echte Inhaltsstoffe können aufgrund der Erwartungshaltung nachgewiesenermaßen zu Besserung führen.

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EbM-Experte Gerald Gartlehner nimmt für derStandard.at regelmäßig aktuelle Studien unter die Lupe.

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Der Gang zur Homöopathin ist teuer. Zwischen 120 und 250 Euro sind es für den Erstbesuch, ist auf der Webseite der Österreichischen Gesellschaft für homöopathische Medizin zu lesen. Weitere Besuche kosten extra. Die Preise für eine Packung Globuli muten da mit rund zehn Euro noch verhältnismäßig niedrig an.

All das soll von der Krankenkasse bezahlt werden, fordert eine Gruppe von 1.668 Unterzeichnern einer kürzlich eingebrachten parlamentarischen Bürgerinitiative.

Nicht wirksam

In ihrem Antrag behaupten die Unterzeichner, die Wirksamkeit der Homöopathie sei in Studien klar belegt. Das ist falsch. Die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger Studien zeigen deutlich, dass Homöopathie Erkältungen, Asthma, Migräne und viele anderen Beschwerden nicht besser lindern kann als wirkstofffreie Placebo-Medikamente. Auch für andere Erkrankungen gibt es keine seriösen Studien, die eine Wirksamkeit homöopathischer Mittel über einen Placeboeffekt hinaus belegen.

Im eingereichten Text der Initiative verweisen die Antragsteller auf zwei wissenschaftliche Arbeiten. Diese sollen die Wirksamkeit dennoch beweisen. Dazu mangelt es ihnen jedoch an wissenschaftlicher Verlässlichkeit. Eine Arbeit gibt die Ergebnisse bisheriger Studien nur verzerrt wieder. Der zweite Text zeigt lediglich die subjektive Meinung des Verfassers auf, entspricht aber nicht objektiven wissenschaftlichen Kriterien für die zusammenfassende Analyse von Studienergebnissen.

Gleiche Maßstäbe anlegen

In der wissenschaftlichen Medizin müssen sich neue Wirkstoffe einer peniblen Prüfung in streng durchgeführten Studien unterziehen, damit sie zur Behandlung zugelassen werden und die Krankenkassen die Kosten dafür übernehmen. Das muss auch für die Homöopathie gelten.

Es ist nicht akzeptabel, wenn die Sozialversicherungsbeiträge der Österreicherinnen und Österreicher für "schulmedizinische" Interventionen verschwendet werden, die bewiesenermaßen nicht helfen. Auch wenn das in einigen Fällen passiert, kann das kein Grund sein, mit homöopathischen Mitteln eine weitere wirkungslose Behandlungsform zu finanzieren.

Wenn Homöopathie ohne verlässlichen Wirkungsnachweis zur Kassenleistung wird, dann müsste man das auch unzähligen anderen scheinmedizinischen und esoterischen Behandlungen zugestehen. Das aber würde unser solidarisches Gesundheitssystem klar überfordern.

Recht auf Scheinmedizin

Ich will niemandem das Recht absprechen, bei Gesundheitsproblemen den Homöopathen seines Vertrauens statt der Hausärztin um Rat zu fragen. Auch Scheinbehandlungen und Scheinmedikamente ohne echte Inhaltsstoffe können aufgrund der Erwartungshaltung nachgewiesenermaßen zu Besserung führen. Viele Menschen fühlen sich zudem wohl, wenn sich der Homöopath beim Erstgespräch ausführlich Zeit für sie und ihre Krankheitsgeschichte nimmt. Bei der Kassenärztin wird ihnen das nicht geboten, denn die Ärztin bekommt von den Krankenkassen im Schnitt nur etwas mehr als elf Euro pro Gespräch vergütet. Zeit für tiefgehende Patientengespräche bleibt ihr da nicht. So überrascht es nicht, dass viele Menschen gute Erfahrung mit der Homöopathie machen.

Homöopathie und andere scheinmedizinische Behandlungen leben vom großartigen Selbstheilungsvermögen unseres Körpers. Mittelohrentzündungen bei Kindern zum Beispiel heilen zum Großteil spontan ab, zwei Drittel der Kinder sind nach 24 Stunden wieder schmerzfrei. Nimmt eines dieser Kinder am ersten Tag Globuli ein, zeigt sich scheinbar ein eindrucksvoller Heilungserfolg.

Wertigkeit von Globuli

Bei Beschwerden mit guter Spontanheilung können Globuli und andere Scheinmedikamente ohne Nebenwirkungen daher gelegentlich die bessere Wahl sein als ein echtes Medikament mit echten Nebenwirkungen. Es ist wissenschaftlich belegt, dass es besser ist, Kindern mit Mittelohrentzündung während der ersten 48 Stunden nur Schmerzmittel zu geben und keine Antibiotika. Wenn man Eltern mithilfe von Globuli überzeugen kann, dass Zuwarten bis zur Antibiotikatherapie Sinn macht, dann haben auch Globuli ihre Wertigkeit. Dennoch rechtfertigt das noch keine Kostenübernahme durch die Krankenkassen.

Bei schweren Erkrankungen kann eine homöopathische Behandlung jedoch gefährlich sein – nämlich dann, wenn sie anstelle einer wissenschaftlich geprüften Therapie durchgeführt wird. So ist im Jahr 2011 ein Kind in Osttirol an einer schweren Krankheit gestorben, weil es ausschließlich homöopathisch behandelt wurde. (Gerald Gartlehner, 18.11.2016)