An einem Strand des Perm tummeln sich Caseiden.

Illustration: Frederik Spindler © The New York Academy of Sciences

Widersprüchliche Anatomie: Die schwammartige Knochenstruktur weist auf ein Leben im Wasser hin – die Rippen erlaubten aber keine dafür ausreichenden Atembewegungen. Den Widerspruch kann nach Meinung von deutschen Paläontologen nur das Vorhandensein eines Zwerchfells aufgelöst haben.

Illustration: The New York Academy of Sciences

Bonn – Ob Wale oder Robben, Seekühe oder Flusspferde und nicht zu vergessen die kurios anmutenden ausgestorbenen Desmostylia: Immer wieder hat es die Säugetiere im Verlauf der Evolution ins Wasser zurückgezogen, wo die aquatische oder zumindest semiaquatische Lebensweise die Entwicklung großer, plump wirkender Körper begünstigt hat.

Dieser Trend ist offenbar noch viel älter als gedacht und reicht bis zu den fernen Vorläufern der eigentlichen Säugetiere zurück. Vor etwa 300 bis 250 Millionen Jahren lebten die Caseiden, die zu den Synapsiden zählten – jener Tiergruppe, der auch die Säugetiere entstammen. Die Caseiden waren massig gebaute Wesen mit fassförmigem Körper, kräftigen Gliedmaßen und einem vergleichsweise winzigen Kopf. Ihre größten Vertreter konnten über vier Meter lang und eine halbe Tonne schwer werden.

Von der Kuh zur Seekuh

Von neuen Erkenntnissen zu dieser Tiergruppe berichtet die Universität Bonn. Seit der Erstbeschreibung von Caseiden 1910 hatte man gedacht, dass die großen Pflanzenfresser so etwas wie die "Kühe" des Erdaltertums waren. Christen Shelton vom Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Uni Bonn kam jedoch zu einem anderem Schluss, nachdem er die fossilierten Skelette von Caseiden näher untersucht hatte.

"Der Knochenbau hat mich völlig überrascht. Sie waren schwammartig, wie die Knochen alter Menschen", sagt der inzwischen in Kapstadt tätige Wissenschafter. Doch war es keine Alterserscheinung, denn auch bei Jungtieren sah die Knochenstruktur schwammartig aus. Einen ähnlichen Knochenaufbau kennt man von einer heutigen Tiergruppe – den Walen. Shelton zieht daraus den Schluss, dass die Caseiden im Wasser lebten. Sein Kollege Markus Lambertz ergänzt: "Plötzlich machte der fassartige Rumpf mit dem kurzen Hals Sinn. Die schaufelartigen Hände und Füße wurden zum Schwimmen benutzt." Es handelt sich also eher um die "Seekühe" des Erdaltertums.

Schlussfolgerung

Wer sich für längere Zeit unter der Wasseroberfläche tummelt, muss zwischendurch auftauchen und tief Luft holen. "Tauchende Wirbeltiere sind Experten darin, ihre Lungen mit Frischluft zu füllen", sagt Steven Perry vom Institut für Zoologie der Uni Bonn. Menschen können etwa drei Viertel des Lungenvolumens auf einmal bewegen, Wale sogar annähernd ihr gesamtes. Caseiden können dagegen höchstens die Hälfte geschafft haben, schlossen die Paläontologen aus der Anatomie der Tiere. Für eine taugliche Anpassung an ein Leben im Wasser wäre das zu wenig.

Zusätzlich zur Rippenbewegung muss es also eine Art "Hilfsmotor" für die Atmung gegeben haben. Wirbeltiere haben zwar eine ganze Reihe solcher Mechanismen entwickelt, doch konnten die Forscher für die Caseiden alle bis auf ein säugetiertypisches Merkmal ausschließen: ein Zwerchfell. Sie vermuten daher, dass schon der letzte gemeinsame Vorfahr der Caseiden und der Säugetiere vor über 300 Millionen Jahren ein Zwerchfell besaß – das wäre rund 50 Millionen Jahre früher als bislang angenommen.

Lambertz abschließend: "Wir wissen noch sehr wenig über diese Tiere. Es war ein langer Weg zu den Säugetieren – aber die Entstehung des Zwerchfells war ein Schlüsselereignis dahin." (red, 25. 11. 2016)