Wien – Mord bedeutet in der Regel: Ein Mann bringt einen anderen Mann um. Statistisch gesehen sind es nämlich in erster Linie Männer, die morden, und Männer, die ermordet werden. Bekannterweise bringen darüber hinaus Männer Frauen, Frauen Frauen und Frauen Männer um.

Und dann gibt es noch den "Femizid": der Begriff – eine Wortkombination aus den lateinischen Wörtern "femina" und "caedere", übersetzt also "Frauentötung" – kommt dann zur Anwendung, wenn eine Frau aufgrund ihres Geschlechts getötet wird. Beispielsweise durch ihren Partner oder durch Angehörige, oder wenn Frauen durch kriminelle Banden zur Machtdemonstration oder als Form der Kriegsführung getötet werden.

Orange Krawatten, Pullover

Das Phänomen der Frauentötung beinhaltet neben Mord Ebenen, die zu wenig Beachtung finden, wie die Teilnehmer einer Konferenz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zum Thema Femizid am Freitag in Wien einstimmig festgehalten haben. Der 25. November war auch der Tag zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen, weshalb einige der männlichen und weiblichen Teilnehmer Orange trugen, die Symbolfarbe dieses Kampfes.

Die Definition ist wichtig: Firmiert dieses Verbrechen unter "Mord", wird die Frage nach den Ursachen nicht gestellt und damit auch nicht bekämpft. 43.000 Frauenmorde als Beziehungstaten zählen die Vereinten Nationen laut den aktuellsten Zahlen von 2012 weltweit. Das sind viermal so viele Menschen, wie durch Terroranschläge ums Leben gekommen sind, wie Paul Bekkers, Büroleiter des OSZE-Generalsekretärs Lamberto Zannier festhielt. Und dabei handelt es sich nur um Schätzungen, denn Femizide werden statistisch kaum erhoben.

"Bisher war das Thema nicht so weit oben auf der Agenda, das ändert sich allmählich", sagte Dubravka Simonovic, UN-Sondergesandte für Gewalt gegen Frauen zum STANDARD. "Das Sammeln von vergleichbaren Daten ist ein erster wichtiger Schritt, um Bewusstsein zu schaffen und in weiterer Folge Maßnahmen einzufordern, um Femizide zu verhindern."

Polizisten müssten geschult werden, Frauen dazu ermutigt, Fälle von Gewalt zur Anzeige zu bringen, das Justizsystem sensibilisiert werden, Behörden bei Anzeigen schneller reagieren, führten Aktivisten aus Armenien, Georgien, Kasachstan, Serbien, Italien und Großbritannien als Beispiele an. Anna Costanza Baldry, Kriminologin aus Neapel, brachte den Begriff der "männlichen Ehre" ein, der vielen Beziehungstaten zugrunde liege, und sie forderte Hilfe für Waisenkinder infolge von Femiziden.

Aldo Lale-Demoz, Vizedirektor des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, referierte, dass 78 Prozent aller von ihren Partnern getöteten Mordopfern Frauen seien – mit regionalen Unterschieden, aber letztlich hätten die Fälle alle gemeinsam, dass es sich dabei um "die extremste Form der Ungleichheit zwischen Frauen und Männern" handle.(Anna Giulia Fink, 25.11.2016)