Unwillkommen: Demonstranten, die "Flüchtlinge willkommen" heißen. Laut ÖVP, FPÖ und Wirtschaftskammer Wien sollen sie ihre Forderungen künftig nur noch auf der Donauinsel oder in begrenzten innerstädtischen Zonen äußern.

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Wien – Das erste Adventwochenende mit seinem für die vorweihnachtliche Umsatzentwicklung wichtigen ersten Einkaufssamstag hat eine in Wien seit Monaten schwelende Diskussion über Demonstrationen aktualisiert. Präziser: Es wird darüber debattiert, ob es in Wien weiter im Prinzip überall erlaubt sein soll, in Gruppen und lautstark für eine politische Sache durch die Straßen zu ziehen. Die ÖVP Wien geht hier schon seit Monaten mit Einschränkungsideen schwanger.

Das wirft zu allererst Fragen zum Timing auf: Jahrzehntelang wurde die Demonstrationsfreiheit in der Bundeshauptstadt großzügig gelebt, aufgebrachten Autofahrern und jammernden Wirtschaftstreibenden zum Trotz. Warum also derlei Forderungen jetzt?

Demo gegen Kroatien-Rückschiebungen

Vielleicht, weil der gesellschaftliche Rechtsruck ihnen entgegenkommt? Weil also die Wahrscheinlichkeit größer denn je ist, dass derlei Herumstreichen an der Versammlungsfreiheit durchgesetzt werden kann? Außerdem wurde vergangenen Samstag in der Mariahilfer Straße gegen die Rückschiebung von Asylwerbern nach Kroatien demonstriert, die davor monatelang von – meist – ehrenamtlichen Helfern aus der Zivilgesellschaft unterstützt wurden: Für viele Beobachter offenbar per se keine legitime Forderung.

Konkret schlagen ÖVP, FPÖ sowie die Wirtschaftskammer (WKW) in Wien vor, Demonstrationen und Kundgebungen in der Bundeshauptstadt künftig auf bestimmte Zonen zu beschränken. Diese kann man getrost als Demo-Aussperrzonen bezeichnen, sollte es sich dabei, wie kolportiert, unter anderem um die Prater Hauptallee oder die Donauinsel handeln.

Demonstranten unter sich

Der Abschaffung eines wichtigen Zugs der Versammlungsfreiheit – des Rechts, sich im öffentlichen Raum zu bewegen, um auf die eigenen Forderungen aufmerksam zu machen – käme es wiederum gleich, sollten, wie ebenfalls vorgeschlagen, begrenzte Demonstrationszonen definiert werden. Im Gespräch sind hier der Ballhausplatz, der Platz vor der Uno-City, der Schwedenplatz oder die Babenbergerstraße. Außerhalb wäre es dann wohl verboten, in Gruppen öffentlich und lautstark seinen politischen Willen kundzutun. Man würde dafür bestraft.

Doch welchem Zweck dient der Vorstoß? Es gelte, Einbußen für Wirtschaftstreibende durch Demonstrationen zu minimieren, erläuterte WKW-Handelsobmann Rainer Trefelik am Montag, Die Freiheitliche Wirtschaft hatte hier bereits am Freitag die Rechtsmeinung beigesteuert, Demonstrationen würden die Interessen Wirtschaftstreibender als "Rechte Dritter" verletzen.

Homosexuellenparade nur eine "Spaßveranstaltung"?

Trefelik wiederum will künftig außerdem zwischen "Demos" und "Spaßveranstaltungen" unterscheiden; vor allem Letztere sollen eingeschränkt werden. Unter "Spaßveranstaltungen" soll etwa die alljährliche Regebogenparade für rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Transgenderpersonen gezählt werden. Das zeigt, auf welch dünnem Eis sich die Demonstrationszonen-Idee bewegt – menschenrechtlich betrachtet. (Irene Brickner, 28.11.2016)