Goldschmied und Uhremacher: Inspirationsquelle für Bulgari-Uhren ist oft die jahrtausendealte Geschichte Roms, vor allem die römische Baukunst.

Foto: Bulgari

Starke Persönlichkeit: Im Gehäuse der "Octo Finissimo Minutenrepetition", das Achteck, Kreis und Rechteck vereint, steckt die flachste Minutenrepetition der Welt.

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Maßgeblich daran beteiligt war Fabrizio Buonamassa, der Chefdesigner bei Bulgari.

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Das Werk immer schön flachhalten, lautet offensichtlich die Devise bei Bulgari. Zumindest erregte das römische Luxusuhren- und -schmuckhaus mit rekordverdächtigen ultradünnen und zudem komplizierten Zeitmessern in den letzten Jahren immer wieder die Aufmerksamkeit der Fachwelt und die der Aficionados.

Erst 2016 sorgte Bulgari nach dem extraflachen Tourbillon 2015 mit der flachsten Minutenrepetition der Welt für Furore. Die "Octo Finissimo Minutenrepetition" mit 40 Millimeter Durchmesser besitzt ein Titangehäuse mit gerade einmal 6,85 Millimeter Bauhöhe. Sie hat dank der Strichindexe, die als Schlitze ausgeführt sind, auch einen beachtlichen Klang.

Atelier für große Komplikationen

Kein Wunder, dass die Weltrekorduhr in Le Sentier im Schweizer Vallée de Joux mit Stolz präsentiert wird. Hier betreibt Bulgari sein Atelier für große Komplikationen, hier sind die Tüftler am Werk, die der Marke jene Glaubwürdigkeit verleihen, die ihr zweifelsfrei zusteht. Dazu beigetragen haben diverse Akquisitionen.

So kaufte Bulgari, selbst seit 2011 Teil des Luxusgüterprimus LVMH, im Jahr 2000 die hochangesehenen Marken Daniel Roth und Gérald Genta, deren DNA in den aktuellen Uhren weiterlebt. Daniel Roth war bekannt dafür, hochkomplizierte Zeitmesser zu bauen, Gérald Genta ist eine Legende in der Branche: Auf ihn gehen so ikonische Gehäusedesigns wie das der "Royal Oak" von Audemars Piguet, der "Nautilus" von Patek Philippe und der "Octo", das von Bulgari übernommen wurde.

Vertikalisierung und Masse

"Damals ging es in erster Linie darum, Know-how einzukaufen", schildert Jean-Christophe Babin. "Damit meine ich nicht nur bereits entwickelte Uhrwerke und Technologien, sondern auch die Fachkräfte, die diese beiden Marken ausmachten. Es war eine erfolgreiche Übernahme, denn die Leute sind uns nicht davongelaufen." Babin ist seit 2013 CEO von Bulgari. Zuvor leitete er TAG Heuer. Vor diesem Hintergrund scheint es logisch, dass er die Werkestrategie in Richtung Vertikalisierung und Masse – im besten Sinn – vorantrieb.

Denn noch im selben Jahr präsentierte man das erste hauseigene Basiswerk, das Kaliber BVL 191 "Solotempo". Während die Marke also vielleicht ein paar Hundert ultrakomplizierte Uhren im Jahr produzierte, soll mit "Solotempo" die Produktion von mehreren Zehntausend Stück pro Jahr industrialisiert werden. In 95 Prozent der Herrenuhren tickt bereits ein hauseigenes Werk.

Gelungene Synthese

Dabei begann die Uhrengeschichte des 1884 gegründeten Juweliers mit einer ganz speziellen Damenuhr. In den 1950ern nämlich präsentierte Bulgari einen Zeitmesser mit einem flexiblen Schlangenband, das sich die Kundin mehrfach ums Handgelenk winden konnte. Diese später "Serpenti" (Schlangen) genannten Modelle sorgten für Furore und wurden seither immer weiterentwickelt.

Die gelungene Synthese aus Schmuckstück und Uhr weckte jedenfalls das Interesse der internationalen High Society. Damals gehörten Weltstars wie Elizabeth Taylor, Gina Lollobrigida und Audrey Hepburn zu Bulgaris treuer Kundschaft. Taylor und Richard Burton, so heißt es, hielten sich gerne gemeinsam im Shop in der Via Condotti auf. "Das einzige italienische Wort, das Liz kennt, ist Bulgari", pflegte Burton zu sagen.

Digitale Luxusarmbanduhr

Der entscheidende Schritt in die uhrmacherische Zukunft erfolgte 1975, mitten in der Quarzkrise: Für spezielle Kunden legte Bulgari eine Miniserie von 100 Exemplaren einer Golduhr auf, die ein digitales LCD-Display mit einem klassischen Gehäusedesign kombinierte. Auf diese Weise entstand eine der ersten Luxusarmbanduhren mit Quarzwerk und nichtanaloger Zeitanzeige. Die erste "Bulgari Roma" war geboren: Deren rundes Gehäuse erinnert an eine Scheibe, die man aus einer korinthischen Säule herausgeschnitten hatte. Zudem gravierte Bulgari seinen Namenszug (mit antikisierendem "v" anstelle des "u") und den Herkunftsort des Produkts auf den breiten Rand.

Bald folgte eine Serie, deren Lünette unten wie oben den Markenschriftzug trug. Diese "Bulgari Bulgari" wurde zu einem spontanen Erfolg und verlangte bald den Ausbau der Uhrensparte, was die Römer schließlich 1980 nach Neuchâtel, in ihre Schweizer Wahlheimat, führte.

Pragmatismus im Design

Mit Blick auf die angestrebte Autonomie erwarb Bulgari ab 2005 schrittweise Spezialisten für hochwertige Metallarmbänder und Gehäuse, die heute unter dem Namen Manufacture de Boîtes et Bracelets in der Westschweizer Ortschaft Saignelégier (schwer) zu finden sind. In La Chaux-de-Fonds wiederum wurde ein Zifferblätterfabrikant übernommen. In Neuchâtel kommt schließlich zusammen, was zusammenkommen muss.

Es ist auch die Wirkstätte von Fabrizio Buonamassa, dem Chefdesigner von Bulgari. Er arbeitete davor für den Fiat-Konzern. Der hochgewachsene Mann mit dem markanten roten Vollbart schwingt den Kugelschreiber locker über ein leeres Blatt Papier und philosophiert über die Designsprache von Bulgari, während er aus dem Gedächtnis die Umrisse eines Autos zeichnet: unverkennbar ein Porsche. "Die unterschiedlichen Dimensionen machten mir anfangs zu schaffen", erzählt Buonamassa lächelnd. Bei Fiat war er unter anderem für das Innendesign von Alfa Romeo und Lancia verantwortlich. Der Designprozess sei ähnlich, stellt der Industriedesigner pragmatisch fest: "Wenn ich einen Zug entwerfen müsste, würde ich einen Zug entwerfen."

Italianità mit Ironie

Er beginnt die Umrisse einer "Octo" neben die Porsche-Skizze zu zeichnen. Die Sprache muss stringent sein, erläutert er. "Bulgari ist sehr italienisch. Unser Designansatz ist ironisch, mit einer anderen Herangehensweise an Proportionen, Farben und die Funktion." Inspirationsquelle sei oft die jahrtausendealte Geschichte Roms, vor allem die römische Baukunst bilde eine wichtige gestalterische Grundlage: klare geometrische Formen und architektonische Proportionen. "Es geht immer um die Proportionen", betont Buonamassa.

Als Beispiel kann man wieder die "Octo Finissimo" heranziehen, der der Bulgari-Chefdesigner zu Recht eine starke Persönlichkeit attestiert: Ihr Gehäuse vereint Achteck, Kreis und Rechteck. In der Kombination erzeugt das visuelle Spannung: Runde Uhren kann schließlich jeder bauen. "Die superflachen eleganten Uhren sind fast immer klassisch rund", sagt Buonamassa, "aber wir haben uns dagegen entschieden, um etwas Extravagantes zu schaffen." Was anderes hätte man von Bulgari auch nicht erwartet. (Markus Böhm, RONDO, 21.1.2017)

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