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Na bumm: Architekt Martin Heimeier und sein goldener Bombenkrater in Essen.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Auf das Dach hat Heimeier ein rund 200 Quadratmeter großes Penthouse gebaut, in dem er mit seiner Frau wohnt.

Foto: Martin Heimeier

Außen gelochtes Trapezblech, innen großzügige Wohnungen: Ein Hauch von Manhattan weht seit zwei Jahren durch Essen-Huttrop.

Foto: Martin Heimeier

Die 1,10 Meter dicken Wände der Bunkerlofts sind zwar ausgemalt, die raue Betonschalung aber noch sichtbar.

Foto: Martin Heimeier

Ein Hauch von Manhattan weht durch Essen-Huttrop. Doch eine der Wohnungen, die der Architekt Martin Heimeier vermietet, hat etwas, was man selbst an der Upper East Side für kein Geld kaufen kann. Ein gut 3,50 Meter großer Bombenkrater aus dem Zweiten Weltkrieg prangt an der Decke.

Heimeier ist Eigentümer eines Hochbunkers in Essen, er hat ihn umgebaut und zwei Wohnungen hier untergebracht. 1942 war der Luftschutzraum errichtet worden, 1944 schlug eine Sprengbombe ein. "Hier sind auch Menschen gestorben, wie viele, da schwanken die Zahlen", sagt Heimeier. Zwei Jahre baute er um, 2014 wurde er fertig. Statt das Bombenloch zuzumauern, bekam es einen Betondeckel, und Heimeier sprühte den Krater goldfarben an. "Ich war erst am Überlegen, ob man das machen kann." Er entschied sich dafür. "Das bringt die Leute ja auch zum Nachdenken."

Bunker im Internet ersteigert

2009 hat Heimeier das Betonungetüm von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben mit Sitz in Bonn im Internet ersteigert. Er hatte schon zuvor darin sein Büro gehabt. Als er erfuhr, dass der Bund den Bunker verkaufen will, hatte er Angst, als Mieter rauszumüssen – und schlug zu.

Man muss wissen, der 47-Jährige ist sein Leben lang mit dem Bunker verbunden. Seine Großeltern waren Textilhändler und mieteten das Erdgeschoß als Lager. Als Bub hat Heimeier Fahrrad fahren auf dem Platz vor dem Betonklotz gelernt, als Student daneben gewohnt. Später hat er im Bunker an Autos gebastelt.

Bundesanstalt bewirbt "markante Spezialimmobilien"

In Deutschland werden mittlerweile viele Bunker neu genutzt, für Ausstellungen, für Büros und Wohnungen. Mit einer sympathischen Gelassenheit bewirbt die Bundesanstalt für Immobilien die klobigen Relikte als "markante Spezialimmobilien". In Kiel wird derzeit ein "Hochbunker in Wassernähe" angepriesen, in Herne in Nordrhein-Westfalen einer als "Hochbunker mit Potenzial".

Nicht nur in Essen, auch in München-Schwabing wurden bereits Luxuswohnungen in einem Bunker errichtet, 2014 waren sie bezugsfertig. Im Hamburger Stadtteil St. Pauli könnte auf einem Flakturm ein öffentlicher Park entstehen. Unter dem Schlagwort "Grüner Bunker" wird in Hamburg seit Monaten über das Projekt diskutiert.

Sehnsucht nach dem Besonderen

In Heimeiers sieben Meter hoher Luftschutzimmobilie sind zwei loftartige Wohnungen mit 260 und 250 Quadratmetern untergebracht. Heimeier selbst lebt mit seiner Frau Sandra auf rund 200 Quadratmetern auf dem Dach. In einem Penthouse, das er draufgebaut hat. Im Erdgeschoß, wo einst die Großeltern Kleider lagerten, ist sein Architekturbüro. Die Wände der Bunkerlofts sind zwar ausgemalt, doch die raue Betonschalung ist noch sichtbar. An einer Wand ist auch noch der Schriftzug eines polnischen Zwangsarbeiters zu lesen, "Polen wird kommen". Heimeier lackierte die Zeile durchsichtig und sagte seinen Mietern, sie müsse auf alle Fälle bleiben.

Die Vermietung sei überhaupt kein Problem gewesen. Obwohl ihm die zweite Wohnung besser gefalle, musste er feststellen, dass der leuchtende Sprengkrater die Interessenten besonders anzog. "Wir mussten bei der ersten Vermietung die Kraterwohnung zwischen den Interessenten, die beide Wohnungen genommen hätten, auslosen." In diesem Herbst ist sie neu vermietet worden, schlagartig habe es viele Interessenten für die etwas andere Zimmerdecke gegeben.

In Essen lebt sich's günstig

Auch wenn das Bunkerwohnen leicht zu vermitteln sei, ist der Mietzins im Essener Stadtteil Huttrop nicht berauschend. "Essen ist ja nicht gerade Düsseldorf", spielt Heimeier auf die hohen Preise in der Landeshauptstadt Nordrhein-Westfalens an. Er vermiete die beiden Wohnungen für knapp über fünf Euro pro Quadratmeter.

Entsprechend günstig realisierte Heimeier ab 2012 den Umbau. Er spricht von einer "extremen Eigenleistung". Da er zusätzlich zum Architekturbüro auch eine kleine Baufirma betreibt, habe er das meiste selbst machen können. Nicht einfach bei einem Bauwerk mit 1,10 Meter dicken Wänden und 1,60 Meter dicker Decke. "Da kann man nicht mal eben ein Loch reinmachen, um eine Leitung durchzulegen", stellt Heimeier lakonisch fest. Hätte er für alles Professionisten engagiert, hätte ihn das Projekt rund 1,4 Millionen Euro gekostet, vermutet er.

Sprengmörtel für die Fenster

Schwierig waren wegen der Wandstärke natürlich neue Fenster. Die Bundesanstalt hatte zwar welche hinterlassen, Heimeier fand diese aber zu klein. Abhilfe schaffte ein sogenannter Quellsprengstoff. "Der ist wie so ein flüssiger Mörtel, den man in Bohrlöcher füllen kann", sagt er. Heimeier bohrte schräge, 40 Millimeter dicke Löcher und füllte den Quellsprengstoff mit einer Gießkanne ein. "Man bringt so viel Spannung in den Beton, dass er reißt", sagt er.

Die Fensterscheiben schwenkte er selbst mit einem Kran ein. Auch das sparte Geld. "Das macht ja kein normaler Bauherr", sagt Heimeier. Sein Bunker sei auch energieeffizient. Beton ist ein guter Wärmeleiter, durch die Masse der Wände sind die Wohnungen auch exzellente Wärmespeicher. Im Sommer wiederum brauche man keine Klimaanlage. "Wenn's zu warm wird, macht man einfach die Fenster zu, und dann kühlt das wieder runter", sagt Heimeier. An die meterdicken Betonwände brachte Heimeier etwa 140 Millimeter Dämmung an.

Aufwertung des Viertels

Als Außenfassade wählte der Architekt weißes gelochtes Trapezblech. Ein Material, das Heimeier, der im Brotberuf Industriebauten plant, vertraut war. Er hofft, dass mit den Jahren Wilder Wein drüberwächst.

Die Nachbarn begrüßten die Neugestaltung des Bunkers. Nach seinem Kauf brauchte er 2009 deren Zustimmung. Die sei leicht zu bekommen gewesen, auch weil der Mietspiegel bunkerbedingt niedriger war als in anderen Straßen in Essen-Huttrop. "Ist halt nicht immer schön, auf so einen Hochbunker zu gucken", sagt Heimeier.

Wenn er mit seiner Frau rede, sage er jedenfalls immer noch "Bunker", auch wenn das Gebäude nirgends mehr so aussieht. "Leider", sagt Heimeier, aber so sei der Deal mit den Nachbarn gewesen. "Ich hätte schon gerne die eine oder andere Stelle noch sichtbar gelassen. Bei Bunkerprojekten ist es schon schade, wenn man nirgendwo mehr spürt, was das für ein Gebäude war." (Lukas Kapeller, 25.12.2016)