Der Mensch als (Baum-)Krone der Schöpfung: Faksimile vom "Stammbaum des Menschen" des Zoologen Ernst Haeckel.

Jan-Peter Kasper, Uni Jena

Bei Haeckel entwickeln sich Tiere, Pflanzen und Protisten aus einer gemeinsamen Wurzel.

Ernst Haeckel, Wikimedia Commons

Jena/Wien – Um die Abstammung des Menschen besser zu verstehen, waren sie lange groß in Mode. Doch in den letzten Jahren spricht man im Zusammenhang mit der Vorgeschichte von Homo sapiens lieber von einem Strauch als von einem Baum des Leben: Zu vielgestaltig und kompliziert erscheint die Herkunft des Menschen angesichts der gleichzeitigen Existenz verschiedener Vormenschenarten.

Doch woher kommt überhaupt die Idee, evolutionäre Abstammungen als Baum des Lebens darzustellen? Der erste, der einen Stammbaum dieser Art skizzierte, war – wie nicht weiter überraschend – Charles Darwin selbst. In einer Tagebuchnotiz 1837 gibt es ein kleines unbeschriftetes Bäumchen, das später in seinem bahnbrechenden Werk "Die Entstehung der Arten" (1859) als Diagramm dargestellt wurde.

Die Erfindung der Phylogenie

Darwins großer Popularisator im deutschsprachigen Raum war Ernst Haeckel, der 1866 in seinem Buch "Generelle Morphologie der Organismen" unter anderem den ersten phylogenetischen Stammbaum der Organismen zeichnete. Zugleich erfand er überhaupt erst das Konzept der Phylogenie, wie Uwe Hoßheld (Uni Jena) erläutert, also die stammesgeschichtliche Entwicklung von Lebewesen: "Da Haeckel diesen Begriff im selben Werk überhaupt erst definiert hat, war es nur ihm möglich, eben auch den ersten Stammbaum dieser Art so zu bezeichnen."

Der Wissenschaftshistoriker Hoßfeld und sein Kollege Georgy Levit erinnern im Fachblatt "Nature" anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums dieses Stammbaums im Fachmagazins "Nature" an die Wurzeln dieses Konzepts. Im konkreten Fall handelt es sich bei Haeckel genau genommen um einen monophyletischen Stammbaum, denn alle drei von Haeckel eingeteilten Organismenreiche – Tiere, Pflanzen und Protisten (Organismen, die weder Blut noch Chlorophyll besitzen) – seien aus einer einzigen Wurzel (Moneren-Radix) hervorgegangen.

Charles Darwin und August Schleicher

Doch nicht nur Darwin beeinflusste den deutschen Zoologen bei der Erfindung der Stammbäume. Auch ein Jenaer Kollege und Freund aus der Sprachwissenschaft inspirierte ihn. "Der Linguist August Schleicher hatte bereits 1863 einen ersten Stammbaum angefertigt, um die Entwicklung der indogermanischen Sprachen bildlich festzuhalten", sagt Hoßfeld. "Ernst Haeckel griff diese Art der Visualisierung schließlich auf."

Bis heute gibt es keine bessere Methode, um biologische Vielfalt zu illustrieren. Zwar kommen neue Techniken und Methodiken zum Einsatz und die Stammbäume werden als Kladogramm, Diagramm etc. wiedergegeben, am Prinzip hat sich aber nichts geändert. "Es ist einfach die beste, übersichtlichste Art und Weise, biologische Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet darzustellen", resümiert Hoßfeld. Auch wenn sie – siehe die Evolution des Menschen – mitunter etwas unterkomplex ist. (tasch, 11.12.2016)