Besonders nach einem Lauf könnten die knalligen Strümpfe sinnvoll sein, glauben Experten.

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Früher waren sie fleischfarben und im Krankenhaus vorzufinden. Heute sind Kompressionsstrümpfe neongelb, knallrosa oder blitzblau und werden auch von Hobbyläufern auf der Prater-Hauptallee getragen.

Was dahintersteckt: Die eng sitzenden Kniestrümpfe sollen den venösen Druck und damit den Rückstrom vom Blut zum Herz erhöhen. Durch diesen Druck soll das Lymphsystem angeregt und Stoffwechselprodukte – also beispielsweise Laktat aus der Muskulatur – schneller abtransportiert werden. Schwere Läuferbeine gehören der Vergangenheit an, und die Regeneration wird beschleunigt, versprechen die Hersteller.

Vom Farbspektrum abgesehen sind medizinische und von Sportlern getragene Kompressionsstrümpfe einander recht ähnlich. Die Strümpfe für Sportler setzen aber meist auf unterschiedlichen Druck an unterschiedlichen Stellen des Beins. "So soll eine Art Massageeffekt beim Laufen entstehen", erklärt der Linzer Orthopäde Florian Dirisamer. Außerdem sitzen medizinische Kompressionsstrümpfe in der Regel enger und werden individuell angepasst. Das sportliche Pendant gibt's im Laufshop, wo zumindest der Wadenumfang zur Größenfindung vermessen werden sollte.

Verbesserung "im Nuancenbereich"

"Qualitativ hochwertige wissenschaftliche Belege" für die Wirkung von Kompressionsstrümpfen bei Läufern gibt es bis dato aber nicht, betont Dirisamer: "Und die Daten, die es gibt, wurden zum Gutteil von der Industrie finanziert." Für ihn sind die bunten Strümpfe trotzdem "kein Trend, der unvernünftig ist". Denn von Menschen mit Durchblutungsstörungen abgesehen, würden die engen Socken bei Läufern definitiv keinen Schaden anrichten.

Und die These, die hinter den Stutzen steckt, findet der Orthopäde durchaus schlüssig – obwohl die von den Kompressionsstrümpfen vielleicht erwartbaren Verbesserungen in der Ausdauerleistungsfähigkeit "im Nuancenbereich" liegen würden. Nuancen also, die für Profisportler vielleicht über Sieg oder Niederlage entscheiden können – nicht aber für Hobbysportler. "Aus wissenschaftlicher Sicht", meint Dirisamer daher, "braucht der Hobbysportler solche Strümpfe eigentlich nicht."

Aber weil manche Profis darauf setzen, wollen die Hobbysportler sie auch, vermutet er. Der Glaube an die Wirkung sei "ein ganz wichtiger Faktor" beim Sport. "Aber lustigerweise tragen die Kenianer, die den Marathon am Ende gewinnen, keine Kompressionsstrümpfe", sagt der Linzer Sportmediziner Rainer Hochgatterer.

Subjektive Empfindung

Einen therapeutischen Effekt – etwa als Stabilisierung für Menschen mit Sprunggelenksproblemen – bezweifelt Dirisamer: "Aber da sind wir bei der subjektiven Wahrnehmung: Wenn der Läufer mit einem Kompressionsstrumpf eine höhere Stabilität empfindet, dann hat er wahrscheinlich wirklich ein besseres Lauferlebnis."

Hochgatterer empfiehlt, die Strümpfe bei der Regeneration – also nach dem Lauf – zu tragen. "Während des Laufens braucht man die Strümpfe meiner Einschätzung nach nicht, weil dabei durch die Bewegung die Muskelpumpe ohnehin so aktiv ist", bestätigt auch Dirisamer.

Viele tragen die Strümpfe aber auch beim Laufen, um auf Nummer sicher zu gehen. "Da spielt sich vieles auf der Gefühlsebene ab, und das ist ja völlig in Ordnung", sagt Dirisamer. Dem einen geht es ums Tragegefühl, dem anderen darum, die klirrende Kälte beim Laufen nicht an den Wadln zu spüren. Am Ende, sind sich die Mediziner einig, sind Kompressionsstrümpfe Geschmackssache – so wie auch die grellbunten Farben, in denen sie erhältlich sind. (Franziska Zoidl, 26.12.2016)