Erich Erber: "In Asien bewegte sich was, dort raunzt keiner."

Erber Group

In einem Zehntel des Futters für Nutztiere steckt Know-how aus Niederösterreich.

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Wien – Der Weltmarkt für Tierfutter aus Getreide wiegt jährlich gut 950 Millionen Tonnen. Ein Dollar pro Tonne fließt bei einem Zehntel des gesamten Volumens nach Getzersdorf. Die kleine Gemeinde in Niederösterreich ist Herzstück einer Gruppe von Betrieben, die es von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt in ihrer Branche an die Weltspitze geschafft hat. Sprungbrett dorthin waren Schimmelpilze und das Wissen darüber, wie sich ihr Gift neutralisieren lässt.

Spezialist für Pilzgifte, die Futtermittel kontaminieren, ist Erich Erber. Der als vierter Sohn von neun Kindern einer Bauernfamilie Geborene machte sich in den 1980er-Jahren in Pottendorf mit drei Mitarbeitern selbstständig. Heute erzielt er mit 1.600 Beschäftigten gut 305 Millionen Euro Umsatz, produziert an Standorten von Brasilien bis China und zieht die Fäden von Singapur aus, wohin er vor 15 Jahren auswanderte.

Probiotika statt Radieschen

Eigentlich hätte er ja gern die heimatliche Landwirtschaft übernommen, den Hof mit sieben Hektar Grund, erinnert sich Erber. Für Viertgeborene ein aussichtsloses Unterfangen. Also ging er zum Tabakpflücken nach Kanada, arbeitete für eine Zementfabrik in Ghana, ließ sich an der Universität für Bodenkultur in Wien ausbilden, versuchte seine Familie erfolglos dazu zu überreden, statt auf Kühe auf Radieschen und Bohnen zu setzen – und gründete im Alter von 30 Jahren sein eigenes Unternehmen. Die Bank gewährte ihm einen Kredit von 250.000 Schilling. Heutzutage würden junge Start-ups mit ähnlichen Plänen wohl eher leer ausgehen, ist sich Erber sicher.

Der Niederösterreicher wollte einen kleinen überschaubaren Betrieb auf die Beine stellen. Seine Idee: raus aus dem Einsatz von Antibiotika in der Tiergesundheit hin zu probiotischen, also natürlichen, Leistungsförderern. Ein Firmenzukauf brachte ihm ein Patent rund um die Neutralisierung eines Pilzgiftes. Dieses wurde anfangs kaum beachtet, wurde für ihn aber zur Keimzelle für ein rasant wachsendes internationales Geschäft.

Raus aus der Nische

Erber sagte fünf weiteren Toxinen den Kampf an, tat sich dafür mit Universitäten zusammen und ist heute Weltmarktführer in der Deaktivierung von Mykotoxin im Nahrungsmittelbereich. Pilzgifte waren vor 30 Jahren ein akademisches Nischenthema, sagt er. Mittlerweile aber beschäftigten sie die gesamte Lebensmittelindustrie. Tulln habe den USA als Zentrum für entsprechende Forschung weltweit den Rang abgelaufen.

In China nimmt sich Erber neben dem Tierfutter erstmals auch Reis an. Durch zu lange Lagerung entstünden etwa in Reisnudeln hochriskante Gifte, die es zu neutralisieren gelte. Parallel dazu entwickelt seine Firmengruppe Impfstoffe gegen Tierkrankheiten. Die jüngste Innovation beugt dem tödlichen Durchfall bei Ferkeln vor. Die Diagnostik von Pilzgiften und Allergenen ist ein weiteres Standbein. Im Dienste der Lebensmittelsicherheit wachse vor allem Letzteres außerordentlich stark.

Die Erber Group, die nach wie vor im Besitz Erbers und seiner Familie steht, steigerte den Umsatz jedes Jahr um rund ein Fünftel. Bis 2022 ist eine halbe Milliarde Euro geplant. Krisen hat der Konzern dennoch hinter sich. 1990 sei er beinahe in Konkurs gerutscht, gibt Erber offen zu. "Ich wurde übermutig, alles, was ich anfasste, ging mir so leicht von der Hand." Der Erfolg verleitete ihn dazu, auch in Termingeschäfte mit Sojagroßhandel einzusteigen und "das Rad immer größer zu drehen".

150 neue Arbeitsplätze

Er verspekulierte sich, stieg auf die Bremse und konzentriert sich seither aufs Kerngeschäft. 2017 werde er damit international 150 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, gut 50 davon in Österreich.

Erber zählt hierzulande 400 Mitarbeiter, 140 in der Forschung. An den Standorten und der Zentrale in Niederösterreich will er nicht rütteln. Klar sei die Steuerbelastung hoch, und für Betriebsanlagengenehmigungen brauche es gut und gern eineinhalb Jahre, sagt er. Der hohe Standard in der Forschung, das juristische Umfeld für Arbeitgeber und die Loyalität der Mitarbeiter mache das jedoch wett.

Warum er selbst Österreich verließ und den Lebensmittelpunkt in Singapur fand? Nach Reisen durch Kanada und Afrika sei ihm Österreich, so gern er hier lebte, einfach zu klein geworden. 1988 zog es ihn erstmals in die asiatischen Tigerstaaten. "Hier bewegte sich was, hier raunzt keiner." Wer in der Lebensmitteltechnologie reüssieren wolle, komme an Asien nicht vorbei.

Erbers Familie übersiedelte anfangs mit, kehrte später aber wieder nach Österreich zurück. Er selbst sammelt hierzulande nach wie vor regelmäßig die Familie um sich, entschied sich jedoch unabhängig von allen "steuerlichen Vorteilen" für die Metropole Singapur – in der es "nur fünf Tage für eine Arbeitsgenehmigung braucht und Container im Hafen an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr verschifft werden". Dort investiere er auch in junge Gründer, "in Branchen, die ich verstehe".

"Kein Bumerang-CEO"

Den Konzern will er im Privatbesitz halten, eine Familienverfassung legte die Regeln fest. Externe Geldgeber seien nie zur Debatte gestanden. "Wir sind immer aus eigener Kraft gewachsen. Nicht zu rasch, sonst fliegt man auseinander."

Erber selbst zog sich in den Aufsichtsrat zurück. Dort will er bleiben, auch wenn er sich jüngst von Christian Seiwald, zuvor Chef der Novartis, der kurzzeitig die Führung der Erber AG innehatte, trennte. "Ich bin kein Bumerang-CEO. Alles ist so aufgestellt, dass es auch ohne mich läuft." Die Gründung einer Stiftung schließt er für sich aus. "Das käme einer Enteignung gleich." (Verena Kainrath, 12.12.2016)