Eine an Fritz Wotruba erinnernde Styroporfigur als Gegensetzung: Der Salzburger Bildhauer Bernhard Gwiggner protestierte im Mai 2016 gegen den Thorak-Kult in Salzburg.

Foto: Thomas Neuhold

Bild nicht mehr verfügbar.

Josef Thorak bei der Arbeit im Jahr 1938. Der hier von ihm modellierte Kopf wurde eine Büste für den NS-Hetzer Joseph Goebbels.

Foto: picturedesk / Austrian Archives (S) / Imagno

Es sind zwei meterhohe und tonnenschwere Marmorskulpturen, die da im Mirabellpark gleich neben dem Sitz der Stadtregierung herumstehen. Die eine beim Zauberflötenspielplatz stellt den Astronomen Nikolaus Kopernikus dar; die andere im Kurpark den Arzt Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim – besser bekannt als Paracelsus. Die Herkunft der prominent platzierten Monumentalstatuen ist kaum erkennbar: "Thorak", steht unscheinbar auf dem Sockel geschrieben.

Der in Denkerpose verharrende Paracelsus wie auch Kopernikus mit der Weltkugel in der Hand entstammen beide der Bildhauerwerkstatt von Josef Thorak. "Nazi-Kitsch" nennen moderne Künstler wie beispielsweise der Münchner Wolfram Kastner diesen Stil heute. Kastner hatte jahrelang die Heldenverehrung der SS auf dem Salzburger Kommunalfriedhof mit künstlerischen Mitteln bekämpft. Er ist aber nur einer von vielen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten mit Thorak in Salzburg beschäftigt haben. Schließlich gehörte Thorak zu den wichtigsten Künstlern des NS-Regimes.

Gemeinhin wird der 1889 Geborene als "Lieblingsbildhauer Adolf Hitlers" tituliert. Ein Attribut, das sich naturgemäß heute nicht mehr belegen lässt. Fest steht, dass Thorak von Hitler persönlich auf die Liste der "Gottbegnadeten" gesetzt wurde und als "unersetzlicher" bildender Künstler vom Kriegsdienst in der Wehrmacht befreit blieb. Er gestaltete nicht nur Büsten aller möglichen NS-Funktionäre, von Hitler abwärts, sondern auch jede Menge Auftragswerke – vom Nürnberger Parteitagsgelände bis hin zu Statuen bei der Reichskanzlei in Berlin.

Berater der SS

Seine Verwobenheit mit der Diktatur war so eng, dass er bald den spöttischen Beinamen "Reichsmarmormeister" getragen hatte, wie die Salzburger Provenienzforscherin Susanne Rolinek in einem Beitrag in der 2016 erschienenen "Kritisch-künstlerischen Re-Vision zu Thorak" des Bildhauers Bernhard Gwiggner (Edition Tandem) anmerkt. Thorak arbeitete aber auch als "künstlerischer Berater" einer Porzellanmanufaktur der SS bei München. In dieser wurden KZ-Häftlinge aus Dachau zur Arbeit gezwungen.

Thorak war überzeugter Nationalsozialist, der seinen Studenten noch 1944 etwas vom "Endsieg" vorfaselte. Aber wie viele sei er ein "elastischer Charakter" gewesen, ergänzt der Salzburger Zeithistoriker Gert Kerschbaumer.

Thorak gehörte zu jenen Künstlern, die offen für Hitler eingetreten waren, obwohl er mit einer Frau jüdischer Abstammung verheiratet war. Hilda Thorak war eine geborene Lubowski aus Berlin. Ihr Bruder Oskar war ein prominenter Arzt und einige Zeit sogar Hausarzt der Regisseurin und Schauspielerin Leni Riefenstahl. 1933 trennte sich Thorak von seiner jüdischen Frau. Sie und ihr Sohn mussten Deutschland verlassen, um nicht in die Tötungsmaschinerie der Nazis zu geraten. Hilda Thorak lebte bis 1983 in England.

Persilschein

Im Herbst dieses Jahres ist der Pass von Hilda Thorak auf einer Internet-Auktionsplattform angeboten worden. Rufpreis: 5000 Euro. Aus dem Faksimile des Passes mit der auffallend niedrigen Nummer 135 ergibt sich, dass Hilda Thorak noch 1938 in Deutschland war. Das rot aufgedruckte "J" für Jüdin datiert mit 2. November 1938.

Die Entnazifizierung habe Thorak mithilfe des damals "gängigen Prozederes", sich von Freunden "Persilscheine" ausstellen zu lassen, schnell hinter sich gebracht, schreibt Historikerin Rolinek.

Nach den Prozessen 1949 widmete sich Thorak verstärkt christlichen Themen – apropos "elastischer Charakter". 1950 erfolgte die Rehabilitierung mit einer großen Ausstellung in Salzburg. Im Zuge dieser Thorak-Schau wurden die Statuen Kopernikus und Paracelsus der Stadt Salzburg "geschenkt". Thorak verstarb 1952 und wurde im Familiengrab in Salzburg bestattet.

Die Thorak-Show 1950 passte gut ins damals reaktionäre Klima an der Salzach: Gerade in Salzburg habe man besonders um Wähler mit antimodernistischer und NS-Gesinnung gebuhlt, erklärt der Historiker Kerschbaumer.

Der vor wenigen Wochen verstorbene Kunsthistoriker und Kulturjournalist Anton Gugg unterstrich die Nachhaltigkeit von Thoraks im NS-Kontext entstandenen Werken: Diese würden sich exakt in die "bieder-pompöse Salzburger Geschmacksrichtung" einfügen. Das ist wohl das, was Wolfram Kastner mit "Nazi-Kitsch" pointiert zusammengefasst hat.

Perspektivenwechsel

Neben einzelnen politischen Gruppen waren es vor allem Künstler, die wiederholt gegen die Verehrung des Nazi-Steinmetzen Stellung bezogen haben. Es gab Verhüllungen (Anton Thuswaldner 1996), Plakataktionen (Ronald Bolt, 2000), Erklärungstafeln (Wolfram Kastner und Daniel Toporis 2016) oder die Skulptur "Gegensetzung" von Bernhard Gwiggner (2016).

Mit der an Fritz Wotruba angelehnten Gegenfigur zu Paracelsus hatte Gwiggner im heurigen Frühjahr dem Diskurs über Thorak neuen Schwung verliehen. Allen Aktionen gemein blieb freilich, dass sie bestenfalls einige Tage oder Wochen zu sehen waren. Temporäre Interventionen eben. Vorschläge, was mit den gigantischen Brocken im Mirabellpark auf Dauer geschehen soll, blieben aus.

Erst seit wenigen Wochen liegt nun ein Vorschlag jenseits von "wegräumen" oder "stehen lassen" auf dem Tisch: "Es bedarf eines distanzierten, aber bewahrenden Umgangs mit ungeliebten Zeugnissen der Vergangenheit", sagt Daniel Toporis. Der Salzburger Bildhauer geht von der Grundidee der beiden Statuen aus. Diese seien in der Absicht konzipiert worden, durch ihre Monumentalität den Herrschaftsanspruch und den Rassenwahn der Nazis bis in alle Zeit zu verewigen.

Toporis schlägt vor, beide Statuen aus ihrer Verankerung zu heben und diese nebeneinander waagrecht liegend als "Perspektivenwechsel" im Mirabellpark zu platzieren. Die mit den Sockelflächen entstehende Steinfläche solle für eine Gravur mit erklärendem Text genutzt werden. Toporis geht es aber nicht so sehr um die Texterklärung, wichtiger ist ihm der "Perspektivenwechsel". Man könne auf die Symbole der Diktatur "von oben herabblicken", die Monumentalität der Werke Thoraks wäre damit ebenso aufgelöst wie seine Rehabilitierung im Jahr 1950.

Ein symbolisches Datum, an dem die Thorak-Monumente gestürzt werden sollten, hat Toporis auch schon: Am 12. März 2018 jährt sich der "Anschluss" Österreichs an Nazideutschland zum 80. Mal.

Politische Ehrung

Ein ganz eigenes Kapitel Salzburger Kommunalpolitik ist die Ehrung Thoraks mittels einer nach ihm im Jahr 1963 benannten Straße im Stadtteil Aigen. Seit Jahren prallen Initiativen der Bürgerliste und antifaschistischer Organisationen zur Umbenennung der Straße an der Stadtverwaltung und an der Mehrheit der Stadtregierung ab.

Vorgeschlagen wurde beispielsweise die von den Nazi-Schergen 1942 ermordete jüdische Malerin Helene von Taussig. Aber statt einer Umbenennung wurde nach mehreren Beschmierungen der Straßentafeln diese einfach höher montiert und mit einer farbabweisenden Schicht überzogen.

2017 steht diese offizielle Ehrung des NS-Künstlers auf der politischen Agenda. Bei einer von der Stadt Salzburg eingesetzten Kommission zur Überprüfung belasteter Straßennamen, der neben Historikern auch Beamte angehören, kommt der Stadtteil Aigen an die Reihe und damit auch Thorak.

"Wir schauen uns alle Unterlagen von neuem im Original an", sagt Thomas Weidenholzer vom Salzburger Stadtarchiv. Man wolle auf Nummer sicher gehen, dass nicht tradierte Falschmeldungen in die Bewertung Eingang finden. Solche gebe es in Hülle und Fülle. Als Beispiel nennt Weidenholzer die Mär, Thorak wäre in einem Ehrengrab der Stadt Salzburg bestattet worden.

Was nach der Überprüfung durch die Historikerkommission herauskommen soll? Weidenholzer will der Expertise nicht vorgreifen: Von der einfachen Zusatztafel bis zur Umbenennung sei alles möglich. (Thomas Neuhold, 17.12.2016)