Zahnfüllungen, ade? Forscher testeten an Mäusen einen Wirkstoff, der zur Bildung neuer Zahnzellen führt, die Löcher "natürlich" schließen.

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London/Wien – Wenn das, was britische Forscher an Mäusezähnen erfolgreich testeten, auch beim Menschen funktioniert, dann könnten Füllungen aus Amalgam, Kunststoff oder Zement womöglich vor dem Aus stehen. Das ist die gute Nachricht, jedenfalls für Patienten. Das unangenehme und mitunter schmerzhafte Bohren allerdings wird man sich trotzdem nicht ersparen – was wiederum die gute Nachricht für die Zahnärzte ist.

Um den neuen Ansatz zu verstehen, ist ein bisschen Basiswissen zur Zahnanatomie nötig: Unsere Zähne sind, sehr vereinfacht, aus drei Elementen aufgebaut: Der sichtbare Zahn ist vom harten Zahnschmelz überzogen, unter dem sich das sogenannte Dentin befindet, das auch Zahnbein genannt wird und den größten Teil des Zahns bildet. Der innerste Teil wird vom Zahnmark oder der Zahnpulpa ausgefüllt.

Ständige Neubildung

Im Gegensatz zum Zahnschmelz kann das Dentin lebenslang durch einen Prozess der Biomineralisation neu gebildet werden, allerdings nur an der Grenzfläche zum Zahnmark, das bei einer "Wurzelbehandlung" entfernt wird. Zähne sind also, entgegen der landläufigen Ansicht, ein sehr lebendiges Gewebe, das bloß beim Füllen der Löcher durch "tote" Stoffe ersetzt wird.

Genau da setzen Zahnmediziner um Paul Sharpe (University College London) mit ihrer Entwicklung an. Sie haben es nämlich geschafft, diesen Prozess der Selbstheilung auf den gesamten Zahn auszudehnen, und zwar ausgerechnet mit einem Wirkstoff, der zur Behandlung von Alzheimer getestet wird, der den Namen Tideglusib trägt und klinisch als sicher gilt.

Angeregte Zahnzellen

Wie die Forscher im Fachblatt "Scientific Reports" schreiben, stimuliert Tideglusib die Bildung von Stammzellen im Zahnmark und regt sie dazu an, sich zu sogenannten Odontoplasten umzuwandeln. Diese spezialisierten Zahnzellen wiederum führen zur Produktion von Dentin. "Man erhält dadurch schnell Zellen, die auch sehr aktiv sind", so Sharpe.

Bei Mäusen, in deren Zähne man winzige Löcher gebohrt hat, führte diese Behandlung tatsächlich dazu, dass sich die kleinen Hohlräume wieder rückbildeten und quasi "natürlich" aufgefüllt wurden. Verabreicht wurde Tideglusib dabei in Form von Kollagenschwämmchen, die man die Höhlungen steckte und die sich nach einiger Zeit selbst auflösten.

Unklar ist allerdings noch, ob der Wirkstoff auch zur Wiederauffüllung der sehr viel größeren Löcher in Menschenzähnen führen kann, so die Forscher. Deshalb testen sie ihre Methode gerade an Ratten, die viermal so große Zähne haben wie Mäuse. Sollten auch diese Versuche erfolgreich sein, will man mit klinischen Tests bei Menschen beginnen. (tasch, 9.1.2017)