Die Richterschaft will seit langem Kreuze aus den Verhandlungssälen verbannen. Richterin mit Kopftuch gibt es in Österreich keine.

Foto: Robert Newald

Wien – Kreuze in Schulen und Gerichtssälen, doch keine Lehrerinnen und Richterinnen mit Kopftuch – während heimische Politiker hitzig diskutieren, was möglich sein soll, steht zumindest für den Bereich Justiz längst fest, was möglich ist. Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hat vergangenen Sommer nämlich eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich mit genau diesen Themen auseinandersetzen sollte. Wie der STANDARD erfahren hat, liegt der entsprechende Endbericht inzwischen vor. Das Ergebnis der rechtlichen Analyse: Eine Differenzierung zwischen Symbolen verschiedener Religionen ist verfassungsrechtlich nicht zulässig.

In der Justiz ist man nun verwundert über Brandstetters Aussagen, er würde den Vorschlag von Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) unterstützen. Dieser fordert ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen und Richterinnen, will aber gleichzeitig das Kreuz keinesfalls infrage stellen. "In der christlichen Kultur ist man Kreuze gewöhnt. Deshalb hat ein Kreuz in einem Verhandlungssaal bei uns keinen Auffälligkeitswert – im Gegensatz zu Kopftuch oder Kippa bei Amtsträgern", argumentierte Brandstetter im "Kurier"-Interview.

"Eine solche Regelung wäre rechtlich nicht möglich", sagt Sabine Matejka, Vizepräsidentin der österreichischen Richtervereinigung. "Entweder man verbietet religiöse und weltanschauliche Symbole bei Richtern und im Gerichtssaal, oder man lässt alle zu" – also eine Richterin mit Hijab oder Kopftuch genauso wie einen Richter mit Kreuzanhänger oder Schläfenlocken.

Bei Gericht "nichts verloren"

Die Standesvertretung fordert diesbezüglich seit langem Klarheit. Es gehe dabei nicht nur um Kopftuch oder Kreuz, sondern beispielsweise auch um Anstecknadeln, die Rückschlüsse auf politische Präferenzen zulassen. "Unserer Meinung nach hat das im Verhandlungssaal alles nichts verloren", sagt Matejka.

Mit der Debatte um ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen will sie die Diskussion in der Justiz aber nicht vermischt wissen: "Man muss differenzieren, wo der Staat Hoheitsgewalt ausübt und wo nicht", findet Matejka. Ein Verbot religiöser Symbole würde demnach Richter und Staatsanwälte, aber auch Polizisten treffen. Ähnlich sieht das Maria Wittmann-Tiwald, Präsidentin des Handelsgerichts und Vorsitzende der Fachgruppe Grundrechte der Richtervereinigung: "Die Schule kann man sich aussuchen, seinen Richter nicht."

Wie die Debatte derzeit geführt werde, hält Wittmann-Tiwald für "sehr unglücklich". Eigentlich sollte über das Neutralitätsgebot der Justiz gesprochen werden, "übrig bleibt ein Kopftuchverbot". Die Unsachlichkeit bei dem Thema sei "irritierend", da dadurch viele Menschen vor den Kopf gestoßen würden.

"So wahr mir Gott helfe"

Hinzu kommt: Es gibt in Österreich derzeit keine einzige Richterin, die ein Kopftuch trägt. Allerdings hängen in zahlreichen Gerichtssälen Kreuze beziehungsweise sind diese an der sogenannten Schwurgarnitur angebracht – woran sich viele Richter stoßen, heißt es vonseiten der Richtervereinigung. Darüber hinaus beinhaltet die gesetzlich verankerte Eidesformel bis heute den Beisatz "so wahr mir Gott helfe" – eine Vorschrift aus dem 19. Jahrhundert.

Der heimische Verfassungsgerichtshof wurde bisher noch nicht mit der Frage religiöser Symbole bei Gericht befasst. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat hingegen bereits in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass eine Verpflichtung zum Anbringen von Kreuzen weder in Schulen noch in Gerichtssälen mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) zeigte sich am Rande des Ministerrats am Dienstag "grundsätzlich bereit", über den ÖVP-Wunsch nach einem Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst zu diskutieren. Die zuständige Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ) ist weiterhin skeptisch. Sie wolle die Frage, wenn überhaupt, nur im Dialog mit allen Religionsgemeinschaften erläutern. (Katharina Mittelstaedt, 10.1.2017)