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Ex-"Breitbart"-Chef Steve Bannon wechselte als Chefberater in den Stab von Donald Trump.

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Themen setzen: "Schmalbart"-Initiator Christoph Kappes.

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Wien – Ein "1.000-Mann-Mob" habe Deutschlands älteste Kirche in Brand gesetzt, titelte das rechte Portal "Breitbart" am 3. Jänner. Gemeint waren die Ereignisse in der Silvesternacht in Dortmund, als die "Ruhr Nachrichten" von einem kleinen Feuer berichteten, weil ein Feuerwerkskörper in der Gerüstplane landete, die den Kirchturm umhüllte. Die Polizei konstatierte einen "durchschnittlichen bis ruhigen Verlauf" der Feierlichkeiten. Nachrichten wie diese sind das Markenzeichen der Webseite "breitbart.com".

"Sie nehmen Elemente, rühren sie einmal um und stellen sie so zusammen, dass ein falscher Eindruck entsteht", sagt Christoph Kappes. Um populistischen Medien wie "Breitbart" etwas entgegenzusetzen, gründete der deutsche Digitalberater "Schmalbart". Ein Projekt, das er als Watchdog für "Breitbart" konzipierte, aber nicht nur: "Wir wollen aufklären, wie dieses Medium arbeitet, machen aber nicht hier Schluss." Unter Beobachtung sollen noch andere stehen: etwa Seiten wie "Politically Incorrect", der Kopp-Verlag und einige weitere "rein kommerziell betriebene Populistenschleudern".

Start für Kappes' Initiative ist ein Camp am Samstag, den 14. Jänner, in Berlin. Angemeldet haben sich rund 100 Personen. "Aus allen politischen Lagern", betont er im Gespräch mit dem STANDARD: "Von Konservativen bis Linken ist alles dabei."

"Breitbart" kündigte Start in Deutschland an

Auslöser für die Gründung von "Schmalbart" sind die Expansionspläne "Breitbarts" in Europa. Nach dem Ableger in London hat das Portal auch Deutschland und Frankreich im Visier. Als Starttermin wird das Frühjahr kolportiert. Rechtzeitig, um vor der deutschen Bundestagswahl im Herbst mitmischen zu könnnen. "Das könnte einen politischen Erdrutsch auslösen" , sagt Kappes, denn: "'Breitbart' ist schon aufgrund der Finanzstärke und der politischen Agenda besonders brisant."

"Breitbart News" wurde 2007 von Andrew Breitbart gegründet. Positioniert als Anti-Establishment-Medium entwickelte sich die Seite rasch zum Tummelplatz für Verschwörungstheoretiker und zum Sprachrohr der Alt-Right-Bewegung, die sich rechts der Republikaner formierte. Nach dem Tod Breitbarts 2012 avancierte Steve Bannon zum Mastermind der Plattform. Donald Trump verdankt seinen Wahlsieg auch der Schützenhilfe Bannons. Als Dank wurde Bannon zum Chefberater des neuen Präsidenten ernannt.

Boykott nach Werbestopp

Wer nicht spurt, bekommt die Schlagkraft von "Breitbart" zu spüren. Als Kellogg's nicht mehr auf der Seite werben wollte, rief das Medium via Petition zum Boykott von Kellogg's-Produkten auf. Die Seite steuerten Ende 2016 nach Unternehmensangaben bereits über 30 Millionen Besucher monatlich an – Tendenz steigend.

Während in den USA Trump Unterstützung zuteil wird, könnte es in Deutschland die rechtspopulistische AfD sein, sagt Kappes: "'Breitbart' hat eine klare Agenda, bestimmte Parteien zu stärken."

Das Mittel zum Zweck: das Schüren von Vorurteilen gegen Flüchtlinge und Ausländer. Kappes: "'Breitbart' ist auf jeden Fall rassistisch." Genügend Inhalte würden das belegen. Etwa wenn von muslimischen Vergewaltigungspraktiken die Rede ist, die Politiker verschleierten, oder eben von dem vermeintlichen "1.000-Mann-Mob" in Dortmund.

"Populisten aktivieren Ressentiments und verschieben sprachliche Grenzen", warnt Kappes. Es sei "keine Selbstverständlichkeit", dass eine demokratische Gesellschaft funktioniere: "Das ist ein fragiles Gebilde, das schnell zusammenbrechen kann."

Diskurs in die Hand nehmen

Neben der Watchblogfunktion möchte Kappes mit seinen Mitstreitern selbst Themen setzen, um den Diskurs nicht nur den Populisten zu überlassen: Das könnten Zahlen zur Ausländerkriminalität sein oder zum Bildungsniveau von syrischen Migranten. "Dafür wollen wir eine Faktenbank schaffen, die kurze, einfach geschriebene und sauber strukturierte Inhalte enthält, die man gut teilen kann."

Ein weiteres Problem seien Begriffe wie etwa Massenvergewaltigung, die im Internet zirkulieren: "Geben Sie das bei Google ein, sehen Sie überwiegend rechtsextreme Quellen und bekommen den Eindruck, dass Massenvergewaltigungen in Deutschland eine Institution seien", so Kappes. Der Grund? Massenmedien würden solche Begriffe nicht verwenden. Um dem entgegenzuwirken, möchte er entsprechende Domains registrieren: "Massenvergewaltigung.de haben wir schon." Kappes: "An diesen Stellen werden wir den Sachverhalt seriös beschreiben und dafür sorgen, dass er auf Google schnell gefunden wird."

Das Konstrukt hinter "Schmalbart" soll eine Stiftung sein, die über Spenden, Kooperationen und Inhaltelizenzierungen finanziert wird. "Wir denken da an ein paar Säulen und ich sehe die Möglichkeit, dass wir mit sechsstelligen Jahresbudgets arbeiten können." 80 Unterstützer würden bereits spenden. (Oliver Mark, 11.1.2017)