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In der Baubranche gibt es die meisten aus dem Ausland entsendeten Mitarbeiter, was für Ängste vor Lohndumping sorgt.

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Kanzler Kern bei seiner Grundsatzrede am Mittwoch.

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Wien – In seiner Rede am Mittwochabend sprach SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern in Wels auch Arbeitsmarktthemen an. Gegen Lohn- und Sozialdumping könnte man nach dem Geschmack des Kanzlers noch viel mehr tun, innerhalb der EU müsse man die Entsendebedingungen für ausländische Arbeitskräfte ändern, es müsse der Grundsatz gelten: gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Es brauche Lohnschutzklauseln in Österreich. Gleichzeitig gelte es, das Steuerdumping der Ungarn zu bekämpfen.

derStandard.at

Die Lage auf dem heimischen Arbeitsmarkt ist trotz leichten Rückgangs der Arbeitslosigkeit zu Jahresende noch immer äußerst angespannt. Historisch betrachtet liegt die Arbeitslosenquote mit 9,1 Prozent auf einem Rekordhoch.

Neben einer Anhebung aller Kollektivvertragslöhne auf zumindest 1.500 Euro monatlich wird SPÖ-intern seit längerem über Lohn- und Sozialdumping durch osteuropäische Firmen und Arbeitskräfte diskutiert. Die heimischen Gesetze wurden bereits mehrfach verschärft, zum Teil werden die Spielregeln aber auch durch die EU-Kommission bestimmt.

Arbeitsmarktprüfung

Dort will man sich nun dafür einsetzen, dass in Branchen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit das Instrument der Arbeitsmarktprüfung eingeführt wird. Das heißt: Nur wenn sich in Österreich niemand für eine offene Stelle findet, soll sie mit einem EU-Ausländer besetzt werden. Diese Wünsche auf EU-Ebene durchzubringen wird freilich nicht einfach. Konkret sollen Bürger aus Staaten, deren Lohnniveau nicht einmal 80 Prozent des österreichischen erreicht, nur dann in Österreich tätig sein dürfen, wenn keine heimische Arbeitskraft zur Verfügung steht.

Bei diesen Themen braucht es nämlich Einstimmigkeit. Und die osteuropäischen Länder, deren Bürger im Westen gut verdienen, haben naturgemäß andere Interessen. Das zeigt sich auch bei der Entsenderichtlinie, über die seit Anfang 2016 verhandelt wird.

Entsendungen

Sie regelt, unter welchen Voraussetzungen ausländische Arbeitskräfte in ein anderes EU-Land geschickt werden dürfen. Bei der Bezahlung müssen schon derzeit die Mindestsätze der Gastländer bezahlt werden. Das heißt also: Die ungarische Firma muss dem ungarischen Bauarbeiter, der im Burgenland arbeitet, den Lohn laut österreichischem Kollektivvertrag zahlen.

Die heimischen Standards gelten aber nicht für die Sozialversicherungsbeiträge. Sind diese im Entsendeland niedriger – was in Osteuropa der Fall ist –, können die ausländischen Firmen also günstiger in Österreich anbieten. Die Regierung plädiert deshalb dafür, dass auch bei den Sozialversicherungsbeiträgen die Regelungen der Gastländer gelten sollen.

Kürzere Frist

Zudem lehnt man den Vorschlag der EU-Kommission, Entsendungen bis zu 24 Monate lang zu ermöglichen, ab. Österreich sei für eine kürzere Frist, heißt es im Büro von Sozialminister Alois Stöger (SPÖ). Die Zahl der Entsendungen nach Österreich ist in den letzten Jahren jedenfalls stetig gestiegen. Laut aktuellsten Daten der EU-Kommission, die dem STANDARD vorliegen, gab es im Jahr 2015 bereits 108.627 Entsendungen nach Österreich.

Das bedeutet den vierthöchsten Wert unter allen 28 EU-Mitgliedern. EU-weit gab es 2015 erstmals mehr als zwei Millionen Entsendungen (exakt waren es 2.049.192). Im Vergleich zum Jahr 2010 ist die Zahl der entsendeten Mitarbeiter in Österreich um knapp 55 Prozent gestiegen. Insgesamt macht diese Gruppe freilich noch immer nur 2,7 Prozent aller in Österreich Beschäftigten aus.

Slowenen stärkste Nation

Umgekehrt gibt es aber natürlich auch viele Mitarbeiter, die von österreichischen Firmen ins Ausland entsendet werden. Hier liegen zwar die Zahlen für 2015 noch nicht vor, im Jahr davor waren es aber immerhin fast 49.000.

Ebenfalls nur Daten für 2014 gibt es bei der Aufschlüsselung nach Ländern und Branchen. Nicht ganz 30 Prozent der nach Österreich entsendeten Mitarbeiter kamen demnach aus Slowenien, gefolgt von Deutschland (26,8 Prozent) und Ungarn (14,7 Prozent).

Positiv bis retro

Der Arbeitsmarkt-Ökonom des Instituts des für Höhere Studien (IHS), Helmut Hofer, bewertet die Vorschläge gegen die Rekordarbeitslosigkeit von Kern positiv bis retro. Eine sektorale Arbeitsbeschränkung für EU-Bürger sei aber ein "Zurück zu den 1970er-Jahren" und "in der heutigen Zeit nicht sinnvoll", sagte Hofer zur APA.

Eine der vier Grundfreiheiten der EU – Dienstleistungs-, Kapitalverkehrs-, Personen- und Warenverkehrsfreiheit – einzuschränken, wäre "ein sehr starker Eingriff" und eine "sehr gefährliche Forderung", weil dann jedes EU-Land damit beginnen könnte, warnte der Arbeitsmarktökonom. Ausländische Arbeitskräfte würden auch Inländern den Arbeitsplatz sichern, etwa ohne Restaurant-Abwäschern aus dem Ausland gebe es auch keine Jobs für Köche aus dem Inland. Für den IHS-Ökonomen würde eine Arbeitsmarktprüfung auch wieder Probleme mit der Bürokratie schaffen, weil Unternehmen nachweisen müssten, dass sie keine Inländer für den Job finden würden.

Gewerkschaft begrüßt Aussagen

Der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Erich Foglar (SPÖ), hat die Ansagen von Kern ausnahmslos begrüßt. "Die Rede hat sich sehr, sehr positiv abgehoben", sagte er am Donnerstag. Vor allem Vorhaben zu Mindestlohn und Arbeitszeitflexibilisierung seien Kernanliegen der Gewerkschaften und der weiteren Sozialpartner.

Kern habe in seiner Rede eine "wirklich positive Zukunftsperspektive" skizziert, zeigte sich der ÖGB-Präsident begeistert von den Vorhaben des Kanzlers. "Das tut in Zeiten des allgemeinen Gejammers und der kollektiven Depression gut." Es wäre eines der wertvollsten Outputs, wenn es nun gelinge, damit die Stimmung zu verbessern. Foglar: "Der ÖGB steht dem grundsätzlich positiv gegenüber. Wir stehen sicher zur Verfügung." Und auch die Kritiker sollten sich an der Diskussion beteiligen.

Drei wichtige Punkte hat Kern nach Foglars Ansicht in Aussicht gestellt: Die Modernisierung der Wirtschaft, den Ausbau der sozialen Gerechtigkeit und das auf dem Fundament solider Staatsfinanzen. "Wenn es das Ziel sei, 200.000 zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, dann ist das ein Hauptanliegen des ÖGB, der Arbeiterkammer und der Sozialpartner", meinte er weiters. Auch die Vorhaben bei Bildung und Investitionen begrüßte Foglar.

Laut dem ÖGB-Chef wird es nun auf die Umsetzung ankommen. Etwa im Bereich Mindestlohn, einem Hauptanliegen der Gewerkschaften. Die Anhebung in weiterer Folge auf 1.700 Euro sei "ein Gebot der Stunde", dort liege die Schwelle zur Armutsgefährdung. Auch die Flexibilisierung der Arbeitszeit begrüßt Foglar, wenn dies Arbeitnehmern und -gebern gleich viel bringe. Der Vorschlag zur Wahlarbeitszeit sei eine positive Weiterentwicklung, die Motivation und Zufriedenheit bringen könne.

Auch die angedachte Beschränkung des Arbeitsmarktes verteidigt Foglar, da man Lohn-, Sozial- und Steuerdumping bekämpfen müsse. "Es braucht Kontrolle und Sanktionen", meinte der ÖGB-Präsident hinsichtlich zu großer Lohnunterschiede in den EU-Mitgliedsstaaten. Die größten Problem würde nämlich derzeit die Entsendungsrichtlinie machen, "die EU wird sich damit auseinandersetzen müssen", hofft Foglar nun. Das Ziel Kerns sei jedenfalls "absolut richtig".

Die Pläne zu einem mehrheitsfördernden Wahlrecht sieht Foglar pragmatisch: "Das ist eine diskussionswürdige Idee, die man sich ernsthaft ansehen sollte." Der ÖGB-Präsident hofft dahin gehend auf eine emotionslose Diskussion.llte." Der ÖGB-Präsident hofft dahin gehend auf eine emotionslose Diskussion. (Günther Oswald, 12.1.2017)