Bei zunehmender Vergesslichkeit machen sich viele Menschen Sorgen und fragen sich: Ist das noch normal oder schon krank?

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Cornelia Stolze: Verdacht Demenz. Fehldiagnosen verhindern, Ursachen klären – und wieder gesund werden. € 25,70 / 336 Seiten. Herder, 2016.

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Auf welcher Etage im Parkhaus steht das Auto? Wann hat Tante Mitzi Geburtstag? Steht noch Milch daheim im Kühlschrank? Jeder von uns vergisst mal etwas, auch in jungen Jahren. Später im Leben stellen sich viele Menschen allerdings die Frage, ob diese Vergesslichkeit das erste Anzeichen einer Demenz sein könnte.

Meist ist sie das nicht, sagt Cornelia Stolze. Die Diplombiologin und Medizinjournalistin schreibt in ihrem Buch "Verdacht Demenz", dass die Diagnose häufig vorschnell gestellt wird. Studien zeigen, in bis zu drei Viertel aller Fälle ist sie falsch.

Verwechselt wird Demenz häufig mit anderen Phänomenen, etwa einem akuten Verwirrtheitszustand, auch Delir genannt. Dieses kann durch Dehydrierung, falsch dosierte Medikamente, Natriummangel, große seelische Belastung oder nach einer Operation auftreten. Die positive Nachricht: Ein Delir ist umkehrbar – es verschwindet, sobald die Ursache der Störung behoben wurde. Unbehandelt kann es allerdings tatsächlich zu Demenz führen. Das Delir nach wenigen Wochen als Demenz zu diagnostizieren ist laut Stolze ein ärztlicher Kunstfehler. Als Faustregel gilt: Für die Diagnose Demenz müssen die Symptome seit mindestens sechs Monaten bestehen.

Mythen rund um Demenz

Besonders spannend zu lesen ist jenes Kapitel, das sich quasi mit Mythen beschäftigt, also mit jenen Symptomen, die auf eine Demenz hindeuten können es aber nicht müssen – eindeutige Kriterien oder Tests für eine Demenz-Diagnose gibt es übrigens nicht. Zu diesen Symptomen zählen unter anderem Vergesslichkeit, Fehlhandlungen – etwa Problemen bei der Ausführung alltäglicher Handgriffe, Wahrnehmungs-, Erkennungs- und Sprachstörungen, Halluzinationen oder Harninkontinenz. Jedes dieser Symptome kann auch von einer anderen Erkrankung oder einem bestimmten Erlebnis ausgelöst werden – eine Demenz ist es nicht zwangsläufig.

Im Buch findet sich auch folgende Handlungsempfehlung: "Was Sie zuerst tun sollten, wenn der Verdacht auf Demenz besteht." Dazu zählt etwa eine Bestandsaufnahme der eingenommenen Medikamente, der gesundheitlichen Beschwerden, der Operationen, die durchgeführt wurden, der Erkrankungen. Reflektiert werden sollten die Lebensweise, die Ernährung und belastende Ereignisse. "Die wichtigsten Hinweise für Diagnose und richtige Therapie kommen oft vom Patienten selbst", schreibt Stolze. In einer Übersicht erklärt sie zudem, zu welchem Arzt Patienten gehen sollten und von welchem sie lieber Abstand halten sollten. Ebenfalls hilfreich: Die Auflistung der Untersuchungsverfahren, kurze Erklärungen was sie bringen und wie sie durchgeführt werden.

Rezepte für das Gehirn

Wer Gedächtnisstörungen vorbeugen will, findet im Buch ein ganzes Kapitel mit bekannten Ursachen und Krankheiten, die Auslöser von Demenz-Symptomen sein können, mit einer Anleitung wie man sie erkennt, ob sie durch frühzeitige und gründliche Therapie behandel- oder sogar umkehrbar und durch gesunden Lebensstil vermeidbar sind.

Zu guter Letzt findet der Leser auf über 70 Seiten Rezepte, die dem Gehirn helfen sollen, fit zu bleiben, etwa Alkohol in Maßen zu genießen, mit dem Rauchen aufzuhören, ohne unterstützende Medikamente zu schlafen, Bluthochdruck zu senken und Depressionen ernst zu nehmen, um sein Demenz-Risiko – und damit gleichzeitig das Risiko für die meisten anderen Krankheiten – erfolgreich zu senken.

Fazit: Empfehlenswert ist dieses Buch in jedem Fall für alle, die sich ob ihrer Vergesslichkeit Sorgen machen. Fast schon eine beruhigende Wirkung haben die Zeilen, die aufzeigen, wie oft Nebenwirkungen von Medikamenten oder Erkrankungen eine Demenz vortäuschen. Wer sich vor Gedächtnisproblemen fürchtet, lernt im Buch, wie vorgebeugt werden kann. Wer sie schon hat, lernt, welche Therapien es gibt. Eine Hilfe für Angehörige und Betroffene ist das Buch somit auch dann, wenn es wirklich Demenz ist. (Bernadette Redl, 16.1.2017)