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Foto: AP Photo/Ronald Zak

Der akademische Elfenbeinturm ist Peter Neumanns Sache nicht. Der 42-jährige Deutsche, der als einer der führenden Terrorismusexperten Europas gilt, gehört zu jener Spezies Politikwissenschafter, die ihre Zunft mit Verve nach außen vertritt – und die sich nicht scheut, ihre theoretischen Ansätze einem politischen Stresstest zu unterziehen.

Anschläge radikaler Islamisten, im Vorjahr etwa in Nizza und Berlin, rückten das Forschungsgebiet des gebürtigen Franken immer wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Und sie machen den Direktor des 2008 von ihm gegründeten International Centre for the Study of Radicalisation am renommierten Londoner King’s College zu einem gefragten Gesprächspartner.

Seine Forschung diene stets einem praktischen Zweck, betont er. Was seine Mitarbeiter und er herausfinden, etwa wenn sie im türkisch-syrischen Grenzgebiet ausländische Kämpfer interviewen, solle in konkrete Politik einfließen. Mit seiner Bestellung zum OSZE-Sonderbeauftragten für den Kampf gegen Radikalisierung durch den österreichischen Vorsitzenden Sebastian Kurz betritt Neumann nun endgültig eine neue, größere Bühne.

Dringliche Aufgabe

Zu verhindern, dass Menschen sich radikalisieren, sei eine der dringlichsten Aufgaben unserer Gesellschaften, sagte er in seiner Einstandsrede in Wien. Der Frage, wie das funktionieren könnte, spürt er schon sein halbes Leben lang nach.

Der Politologiestudent war 22, als er während eines Erasmussemesters im nordirischen Belfast erste Blicke hinter die Kulissen des sektiererischen Terrorismus warf. Plakative Grausamkeit sei keine Erfindung der IS-Miliz, sondern gehörte seit jeher auch zum Repertoire genuin europäischer Terroristen, etwa im Nordirlandkonflikt, lautet seine These. Forschungsaufenthalte in Madrid, Washington und London sollten sein Interesse an den Ursachen der politischen Gewalt noch vertiefen.

Keine einfachen Antworten

Einfache Antworten sind ihm auch heute, zwanzig Jahre nach Beginn seiner Suche, noch zuwider. Ein Burkaverbot etwa hält er für eine Scheinlösung, die kein einziges Attentat verhindern könne. Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt vor der Berliner Gedächtniskirche im Dezember warf Neumann den deutschen Behörden "systematisches Versagen" vor. Nun wird der Würzburger, der seit 1999 in London lebt, in der Freizeit gerne schwimmt und ansonsten der Liebe zu Landkarten frönt, die Gelegenheit haben, der Politik auf die Sprünge zu helfen. (Florian Niederndorfer, 12.1.2017)