Wien – Wann, wenn nicht genau jetzt, sollte sich Klausur an Klausur und Workshop an Workshop reihen in Österreichs Medien? Solche Abend- und Wochenendgeselligkeiten des Berufslebens sind Nährboden und Substral schlechthin für Vorsätze, meist für gute. Und also setzt man sich zu Jahresbeginn, zur Hochsaison des Vorsatzes, gerne zusammen, um sich auseinanderzusetzen.

Montag zum Beispiel, eher nach dem Lunch, kommt die ORF-Führung für gut zwei Arbeitstage in einem recht frisch renovierten Parkhotel am Fuße des Küniglbergs zusammen. Im sehr kleinen Kreis, heißt es, ohne die alten und neuen Vizedirektoren etwa. Und schneller wie billiger zu erreichen als etwa Reichenau an der Rax, das dann ohnehin nur wieder wegen der ständigen Sparthemen im ORF zum Streichenau verballhornt.

Klausur im Parkhotel: ORF-Führung mit Andreas Nadler (Finanzen), Kathrin Zechner (Programm), Alexander Wrabetz (Generaldirektor), Monika Eigensperger (Radio) und Michael Götzhaber (Technik) – von links nach rechts.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

ORF-Enquete im März

Die Themen der Klausur wurden selbst den Teilnehmern eher verhalten kommuniziert – ein paar liegen ohnehin auf der Hand. Medienminister Thomas Drozda will sich in einer Enquete im März beschäftigen mit:

  • der künftigen ORF-Finanzierung Automatische Gebührenerhöhung mit der Inflation war da zuletzt Thema. Aber auch Gebühren für alle Haushalte wie in Deutschland und künftig in der Schweiz tauchen immer wieder auf. Drozda findet das Modell an sich vernünftig, er will es aber nach bisherigen Auskünften erst in einer nächsten Regierung angehen.
  • einem präziseren Programmauftrag, womöglich mit Einschränkungen für den bisher beinahe lückenlosen Erwerb von großen Sportrechten und publikumsträchtiger US-Fiction,
  • und womöglich auch neuen ORF-Gremien. Hauptproblem bei allen Reformüberlegungen für einen kleineren Stiftungsrat (früher: Kuratorium) seit Jahrzehnten: Österreich hat neun Bundesländer, und alle wollen im wirklich wichtigen ORF-Gremium vertreten sein. Die jeweilige Bundesregierung will einen gleich starken Gegenpol. Ergibt 18 Mitglieder, noch ohne Betriebsräte, Vertreter des Publikumsrats...

Auch eine neue Führungsstruktur hat ORF-Chef Alexander Wrabetz – zuletzt für das erste Quartal 2017 – angekündigt. Channel Manager für alle ORF-Kanäle, zugeordnet dem ORF-General, sind erklärtes Ziel, insbesondere für ORF 1 und ORF 2.

Nach letztem Stand sollen diese Channel Manager Budget- und Personalverantwortung bekommen. Womit es mit der bisherigen Fernseh- und nunmehrigen Programmdirektorin Kathrin Zechner wohl einiges zu diskutieren gibt. Die verantwortete die TV-Budgets bisher, und insbesondere auch die TV-Information.

Die Besetzung der beiden obersten TV-Kanalarbeiter ist zwar formal ebensowenig fixiert wie die Jobs selbst, aber es scheint wenige zu geben im Einzugsgebiet zwischen Küniglberg und Koalition, die derzeit nicht auf Lisa Totzauer (ORF 1) und Roland Brunhofer (ORF 2) tippen. Wobei vor allem Brunhofer als De-Facto-Infodirektor – die (ge)wichtigsten Infoformate laufen in ORF 2 – noch für einige interessante Spannungsmomente sorgen würde, als neuer Sparringpartner von Anchorstar Armin Wolf, Redakteursratsvorsitzendem Dieter Bornemann und Chefredakteur Fritz Dittlbacher.

Grasl, ATV und der Sport

Die Channel Manager im ORF sind beileibe nicht die einzige Schlüsselstelle in Fernsehen und Radio, die 2017 zur Besetzung anstehen. Sollte ATV-Eigentümer Herbert Kloiber sich doch mit einem Verkauf des Senders an Mediaprint/Krone (statt an ProSiebenSat1Puls4) anfreunden, stellt sich die Frage: Will Richard Grasl, bis August Generalskandidat für den ORF, bis Oktober 2016 Finanzdirektor des ORF und nun Bewegtbildberater der Mediaprint, womöglich ATV-Chef werden? Ein Bild, das sich nur mit einiger Mühe ausmalen lässt.

Aber: Für einen Neustart von ATV wäre wohl ein großes Sportrecht – Champions League etwa – praktisch, und somit jede Beschränkung des ORF bei Sportrechten willkommen. Am ORF-Abschied von der Formel 1 arbeitete Grasl noch als Finanzdirektor emsig – aber damals garantiert nicht mit einer Perspektive für ATV.

Rundfunkregulierung sucht Manager

Der für Medien zuständige Geschäftsführer der Rundfunk- und Telekom Regulierungs GmbH, kurz RTR, steht im ersten Halbjahr zur Besetzung an – schon wieder: Der langjährige RTR-Manager Alfred Grinschgl wurde Mitte 2016 noch für ein Jahr verlängert, nun geht er in Pension. Der Bundeskanzler bestellt laut Gesetz, wohl in Abstimmung mit dem zuständigen Medienminister Thomas Drozda.

Wer wird für den Job gehandelt? Mit der einen oder Bewerbung aus der RTR ist zu rechnen, eher ungewiss, ob etwa Claudia Schreiner eine abgibt. Darüber wurde in den vergangenen Jahren spekuliert, im RTR-Organigramm ist sie derzeit als Assistenz Grinschgls aufgeführt. Und sie dürfte sich nicht um den Job bewerben.

Auf den Blick überraschend, aber fachlich sehr schlüssig tauchte in den Spekulationen über die Grinschgl-Nachfolge auch schon Matthias Settele auf, ehemals Büroleiter und enger Mitarbeiter von Gerhard Zeiler (ORF/RTL), dann TV-Medienberater in Wien, seit Ende 2013 führt er den größten slowakischen Privatsender Markiza für die CME-Holding. Er sitzt im Fachbeirat des Fernsehfonds der RTR.

Auch Susanne Lackner, Mitglied der Medienbehörde KommAustria, wurde in den vergangenen Jahren schon als mögliche RTR-Geschäftsführerin genannt. Sie freilich rückte 2016 zur stellvertretenden Leiterin der Medienbehörde auf. Was wiederum ihren Vorgänger Florian Philapitsch, seit Lackners Avancement im Herbst nicht mehr in der Behörde, ins Spiel für die RTR bringen könnte.

Das RTR-Logo – ein wenig gekippt.
Foto: RTR

Gehandelt wurde zudem schon Andreas Hruza, freier Filmproduzent, Konsulent und stellvertretender Leiter des Wiener Bachelorstudiengangs "Film, TV- und Medienproduktion". Hruza ist Vorsitzender des Fernsehfonds-Fachbeirats der RTR.

Im großen Namedropping für den RTR-Job tauchte aber etwa auch schon Michael Wimmer auf, derzeit Büroleiter von ORF-General Alexander Wrabetz, zudem wegen Abgängen und hinausgeschobenen Nachbesetzungen de facto Administrationschef. Wimmer war ORF-Journalist, Pressesprecher von Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, Sprecher der Wettbewerbsbehörde und danach der ÖBB, bevor er 2012 wieder in den ORF zurückkehrte.

In die RTR-Führung kann man auch direkt aus Polit- oder Medienfunktionen wechseln – für die KommAustria-Mitglieder ist nach solchen Funktionen zumindest ein Jahr "Abkühlphase" vorgesehen. Die RTR unterstützt die Medienbehörde KommAustria, sie vergibt in Eigenregie (mit Beirat) pro Jahr immerhin

  • 13,5 Millionen Euro Fernsehfonds-Förderung für Fernsehproduktionen mit Wertschöpfung in Österreich,
  • 15 Millionen Euro für Sendungen mit öffentlichem Mehrwert in Privatsendern (von "Guten Morgen Österreich" auf Kronehit bis "Café Puls") und Ausbildung/Forschung– genannt: Privatrundfunkfonds,
  • 3 Millionen Euro für nichtkommerzielle Sender
  • 500.000 Euro aufwärts für Digitalisierungsmaßnahmen.

Den beiden Geschäftsführern der RTR – einer für Medien, einer für Telekom – weist der Einkommensbericht des Rechnungshofs (zuletzt 2015 erschienen) im Schnitt 215.000 Euro im Jahr aus.

"Kurier" im Pool

Um Fragen der Arbeitswelt geht es diesen Donnerstag auch im "Kurier": Die Redaktionen am Prälat-Ungar-Platz dort werden nach STANDARD-Infos gerade wieder umsortiert, nun offenbar in zwei große Bereiche, die intern "Pools" genannt werden: einen "Hard Pool" und einen "Soft Pool".

Ins härtere Becken gehören nach den Infos Politik, Wirtschaft und Chronik, ins weichere alle anderen –also insbesondere Kultur, Lebensart und "Freizeit". Print und Online sollen zusammengeführt werden. Bisher sind die Redakteure in unterschiedlichen Gesellschaften angestellt, das soll sich nun offenbar ändern.

Beim "Kurier" geht es gerade um die zukünftige Gestaltung der Redaktionsjobs.
Foto: red

Wie das alles nun genau geht, ob es zum Beispiel die gewohnten Ressorts noch in der Form gibt, wollte "Kurier"-Herausgeber Helmut Brandstätter am Freitag auf STANDARD-Anfrage nicht erklären, abgesehen von: "Wir wollen es besser als DER STANDARD machen." Nach STANDARD-Infos gibt es die "Kurier"-Ressortleiter übrigens weiter, Pool-Chefs kommen wohl dazu. Und wie stehen solche Bademeister dann zu den Ressortchefs?

Brandstätter möchte darüber nur mit den "Kurier"-Leuten darüber reden. Dafür böte sich zum Beispiel die für diesen Donnerstag geplante Betriebsversammlung an – wenn Brandstätter eingeladen wäre.

Ein Workshop oder besser zwei können in solchen Fällen keineswegs schaden. (fid, 16.1.2017)