Ich finde es immer wieder faszinierend, wie viele Gerichte sich aus nichts anderem als Stärke, ein wenig Fett und ein bisserl Gewürz basteln lassen, und wie einfach und gleichzeitig umwerfend köstlich das Ergebnis sein kann. Für einen Gutteil seiner sesshaften Geschichte hat die Menschheit sich von wenig anderem ernährt, und über die Jahrtausende wurde die Kombination dieser beiden Säulen der Kochkunst perfektioniert, bis sie in Ikonen wie Cacio e Pepe, Pasta Alfredo oder eben Kässpätzle gipfelten.

Foto: Stephan Gruber

Vor allem die Kässpätzle sind dabei ein Musterbeispiel für ein Gericht, das man selber kochen sollte, weil sie zu Hause fast immer besser sein werden als im Wirtshaus. Das hat zwei einfache Gründe: den Käse und die Zwiebel. Wirtshäuser können es sich nicht leisten, richtig guten, gereiften Käse in adäquaten Mengen in die Spätzle zu mischen, wenn sie nicht Unsummen für das Gericht verlangen wollen.

Zeit für die Zwiebeln

Und sie haben oft keine Zeit oder Lust (oder genug unbezahlte Küchensklaven), um die Zwiebeln würdig und ordentlich in aller Ruhe zu karamellisieren. Beides aber ist unabdingbar für den Erfolg. Gut gemacht sind Kässpätzle trotz ihrer Einfachheit geschmacklich komplex und vielseitig, mit enormem winterlichem Wohlfühlfaktor, und trotz ihrer Üppigkeit ganz weit oben auf der Liste der Nicht-zu-essen-aufhören-wollen-Gerichte.

Beim folgenden Rezept hatte ich das Glück, mit Stephan Gruber (kaes.at), Wiens bestem Käsehändler aus Vorarlberg, und seiner Familie kochen zu dürfen. Gemeinsam sind wir in Stephans Käsekeller gestiegen (an sich schon ein olfaktorisches und optisches Erlebnis) und haben dort ein ordentliches Stück von seinem reifen Gruyère geschnitten, einen prächtigen Brocken Räskäs abgebrochen und einen kleinen Laib Sura Kees mitgenommen.

Stefan Gruber beim Käsereiben.
Foto: Stephan Gruber

Der Gruyère bildet die Basis, er ist quasi der Bühnenkäse, auf dem sich die anderen austoben können. Der Räskäs ist der klassische Geschmacksgeber für Käsknöpfle: Während die meisten Käsessorten weniger intensiv schmecken, wenn man sie erhitzt (haben Sie mal einen überreifen Weichkäse, machen Sie einfach Toast oder Pasta draus), bleibt das umami-scharfe Aroma des Räskäs auch in den fertigen Knöpfle deutlich schmeckbar. So weit, so klassisch. Der Sura Kees in den Spätzle hingegen ist umstritten.

Sura Kees ist so was wie der Urkäse der österreichischen Alpen:

Doku Reportage Tv [Ger]

In vergangenen Jahrhunderten, als die Bauern ihren Rahm an die Herrschaft ablieferten, kästen sie keinen fetten Bergkäse, sondern Sauerkäse aus entrahmter Milch. Die Milch wird gesäuert, bis sie gerinnt, die Feststoffe gepresst und reifen gelassen, und das Ergebnis entweder pur oder mit Paprika gewürzt verspeist. Weil ihm aber das Fett – und damit die Geschmeidigkeit – fehlt und sein Geschmack nicht mit Bergkäse vergleichbar ist, hat er seit dem Ende der Feudalherrschaft stark an Beliebtheit eingebüßt.

Nun kommt der Herr Gruber aus Dornbirn, wo man niemals Sura Kees in die Kässpätzle mischen würde – das tun sonst nur die Barbaren aus dem Montafon. Als er aber einmal bei einem Kässpätzle-Abend diese Häresie trotzdem gewagt hat, hat er festgestellt: Die Säure des Sura Kees tut dem Gericht unheimlich gut – sie bringt die ganze Mischung erst so richtig zum Singen. Seither ist der Sura Kees ein Fixstarter.

Der Spätzleteig selbst ist übrigens sehr schnell gemacht, das Rezept, das die Familie Gruber verwendet, ist deppensicher und köstlich.

Wer noch Lust auf mehr Fett plus Pasta-Rezepte hat: Hier gibt es meine Variante von Caccio e Pepe und eine Art Alfredo mit weißer Trüffel.

Käsknöpfle nach Stefan Gruber

Bevor Sie irgendetwas anderes machen, bereiten Sie die Zwiebel zu, sie dauern nämlich mindestens eine Stunde. Schneiden Sie pro Person drei große Zwiebeln (Sie haben schon richtig gelesen. Und es werden trotzdem zu wenige sein) in etwa einen Millimeter feine Ringe.

Erhitzen Sie so viel Butterschmalz (geklärte Butter), dass die Zwiebel davon später bedeckt sind, in einer großen, schweren Pfanne und garen die Zwiebeln darin langsam und unter gelegentlichem Rühren auf niedriger Hitze, bis sie dunkelbraun sind – ungefähr eine bis eineinhalb Stunden.

Foto: Stephan Gruber

Das Butterschmalz soll gerade so heiß sein, dass die Zwiebeln darin ein wenig blubbern. Je dünkler sie werden, desto niedriger muss die Hitze sein, damit sie nicht verbrennen. Natürlich können Sie Ihre Zwiebeln auch bei hohen Temperaturen mehr frittieren als karamellisieren, um Zeit zu sparen – es ruiniert allerdings Ihre Kässpätzle, und Sie könnten gleich ins Wirtshaus gehen.

Mischen Sie für vier sehr hungrige Personen 500 Gramm griffiges Mehl mit acht Eiern, 100 Milliliter Wasser und 20 Gramm Salz. Reiben Sie nach Geschmack Muskatnuss dazu, und lassen alles eine halbe Stunde ziehen.

Foto: Stephan Gruber

In der Zeit reiben Sie den Käse: insgesamt 120 bis 150 Gramm pro Person, 50 Prozent Gruyère und je 25 Prozent Räskäs und Sura Kees.

Foto: Stephan Gruber
Foto: Stephan Gruber

Wenn die Zwiebeln schön braun sind, mit einem Schaumlöffel aus dem Schmalz heben und abtropfen lassen.

Foto: Stephan Gruber

Einen Topf mit gesalzenem Wasser zum Kochen bringen, Spätzle portionsweise durch Spätzlehobel streichen und herausnehmen, sobald sie oben schwimmen.

Foto: Stephan Gruber

In einer Auflaufform immer eine Schicht Spätzle und eine Schicht geriebenen, gemischten Käse legen.

Mit Käse und dann mit Zwiebeln abschließen. Bei 180 Grad 15 Minuten im Rohr backen. Mit Pfeffermühle und grünem Salat servieren. (Tobias Müller, 20.1.2017)

Foto: Stephan Gruber

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