PR-Managerin Melanie Jeske mit Sohn Julius Henri Zacharias in Hamburg-St. Pauli.

Foto: Knesebeck Verlag / Jules Vilbrandt

Nicht nur eine Mama-Ausrüstung, von oben links nach unten rechts: Mama-Kind-Pass von Kala Mia (via Mimi & Mitzi), "Der Mama-Styleguide" (Knesebeck-Verlag), Sneaker von Puma x Stampd, geräumige Tasche von Furla, Baby-Body von Organic Zoo (bei Häsel und Gretel), Schal von Daughters of Italy (bei Peek & Cloppenburg).

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Saskia Hilgenberg, Redakteurin und Stylistin, mit August, einem ihrer drei Söhne, in Berlin-Wilmersdorf.

Foto: Knesebeck Verlag / Jules Vilbrandt

"Mein Mann? Der hat keine Lust darauf, auf meinem Blog aufzutauchen." Isabelle Flandorfer, Anfang vierzig, Mutter dreier Kinder, ist Bloggerin, 12.400 Follower hat sie auf Instagram. Sie sei eine "Mama mit Bauchgefühl", keine perfektionistische Basteltante, keine Superköchin. Seit 2013, seit der Geburt ihrer Tochter, schreibt sie auf "Mother's Finest" über Mode, Fitnessstudiobesuche und Kindergeburtstage, rund zwanzig Stunden in der Woche.

Das lohnt sich. Der modische Mama-Kind-Lifestyle boomt. Oft ist eine Schwangerschaft Anstoß für ein einmal mehr, ein andermal weniger lukratives Familienunternehmen. Neben Mamas, die mit dem Baby auf dem Schoß zu bloggen beginnen, gibt es Mamas, die Modelabels (für Mama und Kind) gründen. Dann wären da noch die Mütter, die als Kleinunternehmerinnen starten und Shops eröffnen.

Gemein ist ihnen die emotionale Verpackung. Mama-Bloggerinnen öffnen bereitwillig ihre Türen – auf ihren Blogs geht es neben Geburtshäusern oder Elternsex um mamataugliche Mode oder um Kindermodehersteller – und den eigenen Nachwuchs. Flandorfer hat sich entschieden, ihre Kinder auf "Mother's Finest" zu zeigen: "Ich möchte Anstöße geben für ein schönes Leben mit Mama und Kind." Auch wenn das Muttersein manchmal beschwerlich sei, könne man sich's schön machen.

Zwischen Bullerbü und Hietzing

Flandorfer mag keine "dressierten Fotobilder", auf ihrem Blog sieht das Leben der Dreifach-Mama dennoch nach einer adretten Mischung aus Bullerbü und bürgerlichem Hietzing aus. Wer will schon bespuckte Lätzchen und volle Windeln, das wahre Chaos sehen? Für glatte, stereotype, unrealistische Selbstinszenierungen werden Mama-Bloggerinnen und "Insta-Moms" (gerne auch von Müttern) kritisiert. Doch Anzeigenkunden und Kooperationspartner belohnen Frauen, die ihr Leben als coole Puppenstube, Eames Chair, Beistelltisch von Hay, Kinderzelt von Ferm Living, inszenieren. Mutter zu sein und dabei gut auszusehen ist heute Prestigesache. Im englischsprachigen Raum erfährt der Begriff "Mom" gerade eine Umcodierung. Im letzten Jahr schrieb die "New York Times", dass "Mom" von jungen Menschen als Kompliment gebraucht werde – "Mom" wird auch Frauen, die gar keine Mütter sind, anerkennend hinterhergerufen.

Das Thema "Regretting Motherhood" ist an den Lifestyle-Mamas vorbeigezogen. Das öffentliche Bekenntnis von Frauen, ihre Mutterschaft zu bereuen, hing in den letzten Monaten wie ein schmallippiges Schreckgespenst über der heiteren Mutter-Kind-Blase. Mit dem Brechen solcher Tabus lassen sich Schlagzeilen machen, der Vermarktung von Kind und Kegel Geld stehen sie im Weg. Und die ist bereits weit fortgeschritten. "Als meine Söhne, heute elf und 14, klein waren, war das alles anders. Es gab nicht so viele Marken, nicht so viele Ratgeber oder Mama-Austauschgruppen", sagt auch Flandorfer. Das Bloggen steckte damals in den Kinderschuhen. Selbst vor drei Jahren, so Camilla Rando, Kopf hinter dem Berliner Web-Magazin "Mummy Mag", habe es "wenig Lifestyle, sehr viel 'Mutti'" auf den Mama-Blogs gegeben.

Heute inszenieren auch die Modebloggerinnen der ersten Generation Babybäuche und ihren Nachwuchs wie ein kostbares Accessoire – erst im Bugaboo-Wagen, dann auf dem Kinderstuhl von Stokke. Und Flandorfer? Kann sich in Wien mittlerweile mit zahlreichen Kolleginnen vernetzen. Allein die Facebook-Gruppe "Familienblogs Österreich" zählt 111 Mitglieder. Die Mama-Blogs heißen "Die Kleine Botin", "Mamawahnsinnhochdrei" oder "Salon Mama". Längst nicht alle schreiben über Stilsachen. Aber immer mehr.

Sexy Mama

Die sexy Mama hat in der Mode Fuß gefasst. Die Amerikanerin Ariane Goldman zum Beispiel gründete nach ihrer Schwangerschaft das Label "Hatch", die lässigen Kleider können mit und ohne Babybauch getragen werden, sie sind beim Luxusonlineshop Net-à-Porter zu haben. Auch die beiden Schwestern Alessandra Mucha und Vanessa Mucha-Trnavský animierten ihre beiden Töchter zum Start eines typischen Mama-Business. Seit sie Kinder haben, hätten sie es nur noch selten in Geschäfte geschafft, erklärt Mucha-Trnavský. "Wir sind Nachteulen-Onlineshopper geworden, haben laufend nach etwas Besonderem für unsere Kleinen gesucht." Sie haben aus der Not eine Tugend gemacht.

Den Plattformen aus Deutschland, Skandinavien und den USA setzen sie jetzt mit dem Onlineshop "Mimi & Mitzi" Kinder- und Erwachsenensachen "made in Austria" entgegen. Neu ist die gemeinsame Vermarktung von Kinder- und Erwachsenenmode nicht. Jeanne Lanvin begann um die Jahrhundertwende, neben ihren Hüten lose Hängerkleidchen für ihre Tochter zu produzieren. Die kleine Marguerite Marie Blanche fungierte bald als Miniaturmuse für die geschäftstüchtige Mutter, die das Modehaus Lanvin zum ersten Couture-Haus ausbaute. Das französische Unternehmen Comptoir des Cotonniers hat lange mit Mutter-Tochter-Duos geworben.

Nach wie vor scheint das Thema (Kinder-)Mode in der Familie reine Frauensache zu sein. Das beobachten auch Carolin Rukschcio und Verena Wibmer-Oppolzer, die in Wien den "Kleinen Salon" und das Geschäft "Der Affe und der Bräutigam" führen. "Im Kleinen Salon ist unsere Kundschaft zu rund 90 Prozent weiblich." Dafür, dass sich in das neue Geschäft deutlich mehr Männer verirren, sorgen ein ausgebautes Männermode-Segment und Workshops – im letzten Jahr mit einem Messerschmied. Ein Ende alltäglich gelebter Geschlechterstereotype ist nicht in Sicht.

Unsichtbare Väter

Das verwundert nicht. Daddy-Blogger sind klar in der Minderheit, Väter werden im Bereich Mode und Lifestyle nach wie vor mit Zurückhaltung behandelt, millionenschwere Frühpensionäre wie David Beckham ausgenommen. Im letztes Jahr erschienenen "Mama-Styleguide" lassen kreative Großstadtmamas die Muskeln spielen, sie haben sich mit ihren Kindern fotografieren lassen – Popstar Beyoncé hat es auf ihrem Instagram-Account mit Tochter Blue Ivy vorgemacht.

Die Männer hingegen treten auf den mehr als 200 Seiten nur als Randfiguren auf. Ob diese Bilder die wahren, neuen Kräfteverhältnisse abbilden oder ob die Papas hinter den Kulissen den Mama-Lifestyle (mit)finanzieren, bleibt ungeklärt. Solche Fragen sind dann doch nicht ganz so sexy. (Anne Feldkamp, 31.1.2017)