Beim Begräbnis eines der vierzehn Opfer – darunter eine kanadische Touristin – des IS-Angriffs in Karak am 18. Dezember.

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Amman/Wien – König Abdullah von Jordanien ist das erste ara bische Staatsoberhaupt, das seit dem Amtsantritt Donald Trumps – und zwar ab kommendem Montag – einen Besuch in den USA absolviert. Ob er den US-Präsidenten treffen wird, war allerdings am Freitag noch offen. Amman, ein verlässlicher Verbündeter der USA in der Region, macht sich als Hüter des Tempelbergs in Jerusalem – die islamischen Stätten werden von Jordanien verwaltet – Sorgen wegen der zukünftige Nahostpolitik Trumps. Denn eine Empörungs- und Radikalisierungswelle könnte an den Grundfesten des jordanischen Königreichs rütteln.

Ein grelles Schlaglicht fiel auf die Situation in Jordanien, als vor einer Woche der oberste islamische Richter und Imam des kö niglichen Hofes, Ahmed Hilayel, eine hochemotionale Freitagspredigt hielt. Er beschrieb Jordanien als am Abgrund stehend und appellierte in Tränen an die Bevölkerung, ruhig zu halten – und an die Golfstaaten, Jordanien zu Hilfe zu eilen: "Wo ist eurer Geld? Wo sind eure Reichtümer?" Wenn in Jordanien das Gleiche passiere wie in Syrien, würden alle mit dem Königreich stürzen, warnte der Geistliche.

"Unangemessene" Predigt

Die Predigt wurde in den Medien und von Parlamentariern als "höchst peinlich", "unangemessen" und "Betteln von der Kanzel" kritisiert: Dass das Problem – eine Überschuldung und eine zwar zugesagte, aber ausbleibende finanzielle Unterstützung vom Golf – tatsächlich existiert, bestritt jedoch niemand. Tatsache ist, dass auch Saudi-Arabien durch den niedrigen Ölpreis und seinen Krieg im Jemen sparen muss.

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Zwei Tage nach seiner Rede trat der Imam von seinem Posten zurück beziehungsweise musste zurücktreten, wie es manche sehen. Hilayel hat jedoch eindeutig nur offen ausgesprochen, was alle sagen. Deshalb meinen manche, er könnte im Sinne, wenn nicht gar im Auftrag der jordanischen Führung gehandelt haben, die seine Worte als seine private Meinung hinstellte. Für März ist ein Treffen Abdullahs mit Saudi-Arabiens Kö nig Salman vorgesehen. Dafür war der mit bitteren Anschuldigungen gespickte Auftritt jedoch wohl eher kontraproduktiv.

Die Situation erinnert an das Jahr 1990, als das Königreich in solchen Schwierigkeiten steckte, dass sich König Hussein gezwungen sah, sich an den Irak zu wenden – trotz dessen Invasion in Kuwait und mit hohen politischen Kosten. König Abdullah hat jüngst seinen Premier für billiges Öl nach Bagdad geschickt, obwohl der Irak ja als zu Iran-freundlich keinen guten Ruf unter den Arabern hat.

Vermehrte Infiltrationsversuche

Das Budgetdefizit Jordaniens, das riesige Flüchtlingsmengen zu verkraften hat, beträgt 1,5 Milliarden US-Dollar, zudem gibt es hohe Auslandsschulden. Der letzte Haushalt sieht empfindliche Sparmaßnahmen vor, die bereits zu Preiserhöhungen und gerade am Tag der Predigt zu Demonstrationen in Amman geführt haben. Dazu kommen vermehrte Infiltrationsversuche und Attacken des "Islamischen Staats" (IS), der zwar momentan im Irak verliert, aber in Syrien sogar Gewinne verbuchen kann, die ihm den Weg nach Jordanien öffnen könnten. Am 18. Dezember wurden bei einem IS-Angriff in Karak elf Sicherheitskräfte und drei Zivilisten, darunter eine kanadische Touristin, getötet.

Das Religionsministerium entließ in der Folge fünfzehn Imame und bestrafte sieben, die sich geweigert hatten, an den nationalen Trauerfeierlichkeiten für die Toten teilzunehmen, berichtet Mamoon Alabbasi von Arab Weekly. Damit ist ein Finger in die Wunde gelegt. Radikale Islamisten haben im durch die Teilung des Völkerbundmandats für Palästina nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen Staat – also für den IS eine kolonialistische Kreation – ein Potenzial.

Regierung umgebaut

Abdullah, der erst kurz vor dem Tod König Husseins 1999 Kronprinz wurde, ist es nicht gelungen, sich die hohe Beliebtheit und Legitimation seines Vaters zu erar beiten.

Mitte Jänner bildete König Abdullah, der wenig Macht abgibt, die Regierung um: Neben dem langjährigen Außenminister Nasser Judeh musste auch der Innenminister sein Amt räumen. Mit Dissidenz wird in Jordanien streng umgegangen. Wegen ihrer Aktivitäten in sozialen Medien im Zusammenhang mit den Preiserhöhungen wurden bereits acht Personen wegen Hetze belangt, dar unter ein General a. D. und ein Exparlamentarier. (Gudrun Harrer, 27.1.2017)