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Die Wölfin gehört zu Roms Gründungsgeschichte. Daher war bei vielen Bewohnern die Freude groß, als das Wappentier zurückkehrte.

Foto: Reuters / Alessandro Bianchi

Das Papier des Umweltministeriums trägt den etwas scheinheiligen Titel "Aktionsplan zum Erhalt und zum Management des Wolfs in Italien". Zwar würden in der Tat die meisten der vorgesehenen Maßnahmen dem "Erhalt" und der friedlichen Koexistenz zwischen Mensch und Wolf dienen. Aber am Schluss des Aktionsplans kommt der entscheidende Punkt: In bestimmten Fällen soll der Wolf zum Abschuss freigegeben werden – zum ersten Mal seit 1971, als er in Italien unter absoluten Schutz gestellt worden war.

Die Bejagung wäre nur bei Beständen erlaubt, die von der Größe her als "zufriedenstellend" gelten, und außerdem dürften jeweils höchstens fünf Prozent der betreffenden Population abgeschossen werden. Die Pläne der Regierung haben bei Tierschützern und Umweltverbänden scharfen Protest ausgelöst. "Die Tötung von Wölfen ist sowohl aus moralischen als auch aus wissenschaftlichen Gründen vollkommen inakzeptabel", sagt der Sprecher des Tierschutzverbands Lav, Massimo Vitturi.

Aufgrund des politischen Drucks des Kleinbauernverbands und der Jägerlobby mache die Regierung nun "einen Schritt zurück in die Vergangenheit". Die Bejagung des Wolfs löse keine Probleme – viel effizienter sei Prävention, wie etwa der Schutz der Nutztierherden durch Elektrozäune und der Einsatz von Schäferhunden. Die Viehzüchter und Schäfer verweisen hingegen auf die massiven Schäden, die in ihren Herden durch die Wölfe verursacht würden.

Die Argumente der Wolfsfreunde und -feinde sind letztlich die gleichen wie jene ihrer schweizerischen und österreichischen Kollegen. Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied: Während jenseits der italienischen Grenze die Wolfspopulationen kaum der Rede wert sind und in der Regel nur Einzelgänger für Aufregung sorgen, hat sich in Italien der Bestand seit 1971 um etwa das 20-Fache erhöht: Von den noch etwa 100 Tieren, welche die zuvor gnadenlose Bejagung überlebt hatten, ist die Population laut Schätzungen des nationalen Forschungsinstituts Ispra im Jahr 2015 auf mindestens 2000 Tiere gestiegen. Es könnten aber, betont das Institut, auch deutlich mehr sein. In entsprechend anderen Dimensionen bewegen sich die Zahlen der gerissenen Schafe und Ziegen.

Wölfe gibt es in Italien inzwischen fast überall – von der Stiefelspitze in Kalabrien bis in die Alpen des Piemonts und Südtirols. Nur wenige Dutzend Kilometer hinter Rom streifen mehrere Rudel durch die Wälder der Sibillinischen Berge.

Rückkehr des Wappentiers

Vor einigen Jahren ist ein Wolf auf der Ringautobahn Roms überfahren worden. Die Rückkehr des Wappentiers – die berühmte Wölfin, welche die Zwillinge Romulus und Remus gesäugt hatte – war für die meisten Bewohner ein Anlass zur Freude gewesen. Und das Bedauern war groß, dass die Wölfin ihre Annäherung mit dem Leben hatte bezahlen müssen.

Die spektakuläre Erholung des Wolfsbestands in Italien ist nur teilweise auf das Schutzprogramm zurückzuführen, das sich der Staat im Lauf der vergangenen 46 Jahre etliche Millionen Euro hatte kosten lassen. Der wichtigste Grund für die Ausbreitung ist die Abwanderung großer Bevölkerungsteile aus den kargen Gebirgstälern des Apennins in die Industriegebiete Norditaliens: Waren nach dem Zweiten Weltkrieg noch 18 Prozent der Landfläche Italiens mit Wäldern bedeckt, sind es heute laut dem nationalen Forstinventar wieder 40 Prozent. Auch die Bärenpopulation ist markant gestiegen. Der Tisch ist reich gedeckt: Die Zahl der Hirsche hat sich in den vergangenen Jahrzehnten um 700 Prozent erhöht, jene der Wildschweine um 400 Prozent und jene der Rehe um 300 Prozent – zusammengezählt tummeln sich in Italien knapp zwei Millionen dieser Beutetiere.

Selbst wenn man die massive "Entnahme" durch die Jäger berücksichtige, bliebe für die Wölfe und Bären immer noch jedes Jahr eine "Biomasse" von mindestens 20.000 Tonnen übrig, heißt es im Aktionsprogramm. Das sei mehr als genug und lasse auch bei partieller Bejagung noch reichlich Luft nach oben für die Wölfe. (Dominik Straub aus Rom, 2.2.2017)