Wien – Manche Bälle sind ein Last-Minute-Geschäft. Wenige Stunden vor dem Akademikerball in der Wiener Hofburg waren dafür am Freitag noch in fast allen Kategorien Karten zu haben – von der Goldloge à 2000 Euro über "große Ballkarten" für jeweils 119 Euro bis hin zu normalen Damen- und Herrenkarten (85 Euro). Nur die Tischplätze im Zeremoniensaal waren laut Online-Reservierungsportal ausverkauft.

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Doch für Udo Guggenbichler, FPÖ-Gemeinderat und Ballorganisator, gab es keinen Grund zur Klage. "Wir haben eine Steigerung an Gästen wie jedes Jahr", sagte er zum STANDARD. Heuer sollen mehr als 2000 Karten über den Vorverkaufsladentisch gegangen sein.

Protest vor Sperrzone

Während sich die Gäste des FPÖ-Balls noch gar nicht in Schale geworfen hatten, formierten sich auf dem Ballhausplatz – knapp außerhalb der Sperrzone – bereits am Nachmittag erste Proteste. Das Bündnis "Jetzt Zeichen setzen" lud um 16.00 Uhr zu einer "bunten Kundgebung" (alle Farben außer Braun) unter dem Motto "Keine Normalisierung des Rechtsextremismus".

Akademikerball-Gäste: "Haben mit Krieg nichts zu tun"
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Der Akademikerball heißt seit 2013 so und wird seither auch von der Wiener FPÖ organisiert. Davor hieß die Veranstaltung Wiener Korporationsball (WKR), als Veranstalter fungierten schlagende Hochschulkorporationen. Erstmals gab es den Ball 1952, zuerst im Konzerthaus, später im Kongresszentrum der Hofburg, wo auch zahlreiche andere Bälle über die Bühne gingen und gehen.

Protestmarsch über die Wiener Ringstraße: Heuer gingen weniger Menschen als in den vergangenen Jahren auf die Straße, um gegen den Akademikerball der FPÖ in der Hofburg zu demonstrieren.
Foto: STANDARD/Newald

Ab 2008 verstärkten sich die Proteste gegen den WKR-Ball, weil immer wieder rechtsextreme Proponenten aus ganz Europa daran teilnahmen, darunter etwa Vertreter des französischen Front National und des Vlaams Blok aus Belgien. 2011 strich die Unesco den Eintrag "Wiener Ball" aus dem immateriellen Kulturerbe (IMK), weil auch der WKR-Ball auf der Liste der Bälle gestanden war. Schließlich kündigte auch die Betreibergesellschaft Hofburg Vienna (auf Betreiben der darin vertretenen Casinos Austria) den Vertrag mit dem WKR. Woraufhin wiederum die Wiener Freiheitlichen als Veranstalter einsprangen und so den Burschenschaftern die Hofburg als Veranstaltungsort sicherten.

Zum Vorwurf, dass der Ball als Vernetzungstreffen rechter und rechtsextremer Gruppierungen genutzt werde, meint Ballvater Guggenbichler: "Was ist ein Vernetzungstreffen? Es gibt ja auch beispielsweise den Ball der Wiener Wirtschaft, der jedes Jahr von der ÖVP organisiert wird, oder den Jägerball." Auch dort finde Kontaktpflege statt.

Demonstration gegen den Akademikerball 2017
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Die Ballgäste kamen über den leeren und im Nebel gespenstisch wirkenden Heldenplatz, wo die Polizei ein Platzverbot verhängt hatte. Taxis, Limousinen und Busse fuhren bis unmittelbar vor den Eingang vor, Fotografen und Kameraleute mussten gehörigen Respektabstand halten. Unter den freiheitliche Ballpromis waren unter anderem der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer und Burgenlands Landeshauptmannstellvertreter Johann Tschürtz. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache musste entgegen einer Ankündigung krankheitsbedingt absagen, ließ er auf seiner Facebook-Seite wissen.

Mit einer Einlage intervenierte die Satiregruppe "Burschenschaft Hysteria" in den Veranstaltungsräumen. Die Aktionistinnen rollten Transparente mit der Aufschrift "Hysteria Ball" aus und wollten so laut Eigenaussage den Akademikerball "retten". Der Ball werde "mit sofortiger Wirkung zum alljährlichen 'Hysteria Ball zur Erziehung und Schutz des Mannes' (oder 'Männerschutzball')". Man setze es sich zum Ziel, "den dort anwesenden Männern beizubringen, was es bedeutet, ein echter Burschenschafter zu sein."

Foto: "H. C. Playner"/Burschenschaft Hysteria

97 Identitätsfeststellungen und 35 Verwaltungsanzeigen

Bei den Protesten gegen den Ball gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Ausschreitungen, 2014 wurden in der Innenstadt zahlreiche Sachbeschädigungen begangen. 2015 und 2016 blieb es hingegen bei weitgehend friedlichen Protesten. Und auch heuer gab es bis zum Ende der Demo auf den Stephansplatz keine Randale. Laut Polizei nahmen 2800 Menschen an der Demo teil, laut Veranstaltern waren es 4000 – nach beiden Schätzungen um die Hälfte weniger als im Vorjahr. "Was wir nicht ausschließen können, ist, dass Kleingruppen sich nach der Demo zusammenschließen, um Störaktionen, Blockaden und Gewalt auszuüben", sagte Johann Golob von der Wiener Polizei am späten Abend zum STANDARD.

Tatsächlich kam es in der Nacht doch noch zu einem Zwischenfall bei der U-Bahn-Station Schottentor: Der Chef der rechtsradikalen "Identitären Bewegung Österreich", Martin Sellner, feuerte mehrere Schüsse aus einer Schreckschusspistole ab. (Mehr dazu hier.) Ansonsten blieb der Abend relativ ruhig, es gab laut Polizei 97 Identitätsfeststellungen und 35 Verwaltungsanzeigen nach vereinzelten Sitzblockaden. Nach einem tätlichen Angriff auf einen Polizisten beim Stephansplatz wurde eine Person strafrechtlich angezeigt. Festnahme gab es keine.

In Zusammenhang mit der Gegendemo zum Akademikerball stand laut Wiener Linien auch ein Zwischenfall, über den die Polizei am Samstag berichtete. Unbekannte hatten in einer Straßenbahngarnitur in der Wiener Innenstadt eine Rauchbombe gezündet. Sie flüchteten. Der Zwischenfall spielte sich ab, als die Garnitur der Linie 46 Freitagabend in den Kreuzungsbereich Auerspergstraße-Lerchenfelder Straße kam. Beteiligt waren laut Polizei zwei Frauen und ein Mann, die sich maskiert hatten. Einer von ihnen zog im hinteren Bereich der Straßenbahn die Notbremse. Der Straßenbahnfahrer ging nach hinten, um Nachschau zu halten. Währenddessen wurde in die leere Fahrerkabine die Rauchbombe geworfen. Offenbar hätte die Straßenbahn mitten auf der Kreuzung blockiert werden sollen, sagte die Sprecherin der Wiener Linien. Der Straßenbahnfahrer konnte die Garnitur aber behelfsmäßig vom rückwärtigen Teil aus wegfahren. Verletzt wurde niemand. (mvu, ook, simo, APA, 3./4.2.2017)