John Bercow, Speaker des britischen Unterhauses, will US-Präsident Donald Trump nicht im Westminster-Palast reden lassen.

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Eigentlich ist Applaus im Londoner Unterhaus verpönt. Wer die Redebeiträge anderer Parlamentarier beklatscht, muss sich von Speaker John Bercow tadeln lassen. Am Montagabend blieb die Rüge aus, was daran gelegen haben dürfte, dass der Beifall dem Speaker selbst galt.

Einen Antrag zur Geschäftsordnung nutzte der 54-Jährige unverhofft zu einem scharfen Angriff auf US-Präsident Donald Trump. Dessen schon für dieses Jahr geplanter Staatsbesuch ist in der britischen Öffentlichkeit hochumstritten, auch manche konservative Parteifreundin von Premierministerin Theresa May hält die Einladung für überhastet. Die Ehre einer Rede vor beiden Häusern des Parlaments jedenfalls werde dem starken Mann aus Washington nicht zuteil, machte Bercow deutlich: Denn das Unterhaus sei vereint "gegen Rassismus und Sexismus, es unterstützt die Gleichheit vor dem Gesetz und die Unabhängigkeit der Justiz".

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Während die Oppositionsseite vor Begeisterung überschäumte, herrschte auf den Regierungsbänken betretenes Schweigen. Nicht zum ersten Mal ist der 1997 als Konservativer ins Parlament gekommene, seither aber zweimal als neutraler Speaker gewählte Bercow der eigenen Partei in die Parade gefahren. Schon vor seiner Wahl 2009 hieß es bei Bercows Tory-Kollegen, man sei auf der Suche nach dem ABB-Kandidaten – "Anyone But Bercow" –, jeder andere sei dem Londoner vorzuziehen. Ins Amt kam er mithilfe der damals noch regierenden Labour-Partei, aus der eigenen Fraktion unterstützten ihn nur wenige.

Reformen umgesetzt

Seither hat der kleingewachsene Vater dreier Kinder sein Wahlversprechen gehalten und die ehrwürdige Institution langsam, aber beharrlich reformiert. Die familienfeindlichen Nachtsitzungen sind seltener geworden, Hinterbänkler erhalten mehr Rederecht, Minister müssen sich häufig auch kurzfristig für ihre Entscheidungen rechtfertigen. Zwischenrufer, zumal auf konservativer Seite, müssen sich häufig brutale Zurechtweisungen gefallen lassen.

Der Posten des Speakers hat in seiner 641-jährigen Geschichte den Amtsinhabern, darunter bisher erst eine Frau, nicht immer Glück gebracht. Einige von Bercows Vorgängern mussten sogar ihr Leben lassen. Der berühmteste von ihnen, der von Heinrich VIII. enthauptete Thomas More (1478–1535), schaffte es posthum immerhin zum Heiligen.

So weit wird es Bercow schon deshalb nicht bringen, weil der Sohn eines Taxifahrers im jüdischen Glauben aufwuchs und sich als Agnostiker bezeichnet. Der Heiligsprechung steht auch seine ausgeprägte Eitelkeit im Weg – bei seinen Einlassungen im Parlament wirkt Bercow manchmal wie berauscht vom Klang seiner eigenen Stimme. Neun Jahre wolle er amtieren, hat der Speaker bei seiner Wahl mitgeteilt, im kommenden Jahr müssen sich die Abgeordneten also eine neue Führungsfigur suchen. Vielleicht gewährt diese dann dem Washingtoner Rowdy Zugang zum Palast von Westminster. (Sebastian Borger aus London, 7.2.2017)