Wien – "Gefahr für Medienvielfalt und Wettbewerb" sieht Zeitungsverbandsmanager Gerald Grünberger, wenn die marktbeherrschende Österreich-Tochter von ProSiebenSat1 zusätzlich ATV inhaliert. Die von Grünberger vertretene Printbranche hat noch spektakulärere Deals lange hinter sich.
1988 können sich die zwei größten Tageszeitungen Krone und Kurier im marktbeherrschenden Verlag Mediaprint zusammenschließen. Die Krone lesen 41,5 Prozent, den Kurier 16 Prozent. Österreichs bis heute größter Verlagskonzern entsteht, Nummer zwei nach dem ORF. Ungehindert von der österreichischen Medienpolitik. Ein ernstzunehmendes Fusionsrecht mit schärferen Bestimmungen für Medien kommt erst 1993. "Der Mut des Gesetzgebers zu handeln ist gegeben", seufzte Verfassungsrechtler Walter Berka später: "Aber er kommt nicht zum richtigen Zeitpunkt, sondern immer post festum."
Die nächste große Novelle samt Wettbewerbsbehörde kommt erst 2002. Ein Jahr zuvor konnte der Kurier die zweitgrößte Magazingruppe um Profil und Trend in die längst marktbeherrschende News-Gruppe einbringen und sich dort mit 25,3 Prozent beteiligen – die Formil-Fusion, benannt nach Format und Profil. Sie brachte alle politischen Wochenmagazine unter ein Dach. Die News-Magazine kamen auf 48 Prozent Reichweite, mit Profil und Co werden es 59. Gemeinsamer Brutto-Werbemarktanteil: 60 Prozent. 30 sind kartellrechtliche Schmerzgrenze. Hätte nicht die Kartellrichterin ein Verfahren begonnen, Formil wäre ganz ohne Gericht durchgegangen.
Die Vertreter von Arbeiter- und Wirtschaftskammer waren damals im Kartellgericht in der Mehrheit und setzten sich dort offenkundig durch. Es genehmigte den Deal unter Auflagen – die dasselbe Urteil in der Begründung nutzlos nennt. Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) kündigt Rekurs gegen das Urteil voller Täuschungen und Widersprüche an – und bringt ihn dann nicht ein. Am Tag vor Ablauf der Einspruchsfrist wurde News-Herausgeber Wolfgang Fellner bei FPÖ-Spitzen gesichtet; Böhmdorfer sprach später vom Verzicht auf Druck von oben.
Styria und Moser Holding wollen 2009 ihre regionalen Medienaktivitäten zusammenlegen – darunter Regionalriese Kleine Zeitung und Tiroler Tageszeitung. Gemeinsam überholten sie die Mediaprint. Die Wettbewerbsbehörde zeigt sich skeptisch und bringt die Causa vor das Kartellgericht*. Das Gericht muss letztlich aber nicht einschreiten: Manager und Eigner beider Häuser lassen den Deal platzen.
Styria und Moser Holding legen aber wenig später ihre Gratiswochenzeitungen zur RMA zusammen – dem größten Printwerbemedium im Land vor der Krone. Die Bundeswettbewerbsbehörde bringt auch diesen Zusammenschluss vor das Kartellgericht – sie äußert Bedenken wegen der sehr starken regionalen Marktstellung der Styria- und Moser-Titel in ihren Märkten. Das Kartellgericht stimmt der Fusion zu, und nach einem Rekurs der Bundeswettbewerbsbehörde gibt auch der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht als zweite und letzte Instanz den Zusammenschluss zur RMA frei.
Styria und Moser legten später auch ihre Regionalmagazine im "Bundesländerinnen"-Verbund zusammen – auch sie brachte die BWB vor ein Kartellgericht, das sich der Marktdefinition der BWB nicht anschloss und nur in Tirol eine marktbeherrschende Stellung für Magazine sah – und sah durch gemeinsame Frauen- und Lifestylemagazine keinen maßgebliche Einfluss auf die Meinungsbildung. Meinungsvielfalt ist neben der Marktposition ein Kriterium für Medienzusammenschlüsse.
ProSiebenSat1Puls4 hat mehr als 30 Prozent Werbemarktanteil (siehe Grafik links), und mit ATV auch beim jüngeren Publikum. Zeitungsverbandsmanager Grünberger sieht mit dem Deal nur noch Servus TV "als genuin österreichisches Privatsender-Vollprogramm" – mit kaum zwei Prozent Marktanteil: "Von österreichischer Fernsehvielfalt kann dann nicht mehr gesprochen werden." Den ORF, größtes Medien- und marktbeherrschendes Rundfunkunternehmen im Land, erwähnt Grünberger nicht.
Auflösungserscheinungen 2017
2017 zeigen unterdessen die alten Medienzusammenschlüsse Auflösungserscheinungen:
- Der Streit der Krone-Gesellschafter, also Familie Dichand und deutsche Funke-Gruppe, vor einem Schiedsgericht könnte bis zum Umbau der Mediaprint führen – auch wenn ein Ausscheren von Krone oder Kurier aus dem gemeinsamen Verlag schwierig wäre.
- Der zweite legendäre Super-GAU des österreichischen Printmarkts, die Fusion der Kurier-Magazine mit der Verlagsgruppe News, könnte zumindest ihre Verbindung zum Mediaprintpartner Kurier verlieren: Der Mehrheitseigentümer, seit 2016 Verleger Horst Pirker, kann die 25,3 Prozent des Kurier 2018 sehr günstig übernehmen. Der Kurier wiederum will Profil aus der Verlagsgruppe News herauslösen – was Pirker bisher ablehnte.
Und neue Möglichkeiten
- Der 2009 zurückgezogene Plan einer Fusion der Regionalmedien von Styria und Moser Holding könnte in den nächsten Jahren wieder Thema werden – spätestens, wenn die Erben des Gründers der Moser Holding in den 2020ern über ihre Anteile selbst verfügen können. (Harald Fidler, 8.2.2017)