Nicht einmal ein Drittel der Kinder bewegt sich mindestens eine Stunde täglich, wie es empfehlenswert wäre.

Foto: apa

Brüssel/Bremen – Speziell auf Kinder zugeschnittene Werbung für zucker- und fettreiche Lebensmittel sollte nach Ansicht von Experten stärker reguliert werden. Eine europäische Langzeitstudie mit rund 10.000 Kindern aus acht Ländern – Österreich war nicht dabei – belegt den Forschern zufolge, dass TV-Reklame bei Kindern den Konsum von ungesunden Lebensmitteln erhöht.

"Vor allem kleine Kinder können Werbung nicht vom Rest unterscheiden und sind ihr deshalb völlig schutzlos ausgesetzt", sagte Studienkoordinator Wolfgang Ahrens vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) in Bremen. Eltern mit eher niedrigem Bildungsstand seien zudem Reklame gegenüber weniger kritisch eingestellt. Auf deren Kinder wirke Werbung daher noch stärker.

Sinnlose Selbstverpflichtung

Freiwillige Selbstverpflichtungen der Hersteller zu einer verantwortungsvollen Werbung für Kinder hätten nicht funktioniert, betont der Bericht. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) appelliert seit längerem an die europäischen Regierungen, Werbung strenger mit Gesetzen zu regulieren.

Epidemisches Übergewicht bei Kindern

In der Studie beklagen die Forscher die gegenwärtige Situation massiv: "Die Häufigkeiten von Fettleibigkeit und Übergewicht bei europäischen Kindern verharren auf einem beispiellosen Niveau." Deutschland belegt beim Anteil übergewichtiger Kinder einen Platz im Mittelfeld. Demnach waren 16,5 Prozent der untersuchten deutschen Kinder im Alter von zwei bis zehn Jahren übergewichtig. In Belgien lag der Anteil mit 9,5 Prozent am niedrigsten, in Italien mit 42 Prozent am höchsten. In allen Ländern waren Mädchen eher betroffen als Buben. Die Ergebnisse seien zwar nicht repräsentativ, sagte Ahrens. Für die Studie seien aber jeweils ländertypische Regionen ausgesucht worden, für Deutschland war dies Bremen.

Bewegungsmangel durch falsche Bebauung

Nicht einmal ein Drittel der Kinder bewege sich mindestens eine Stunde täglich, konstatieren die Wissenschafter. Der Anteil schwanke zwischen zwei Prozent der Buben auf Zypern und 34 Prozent in Belgien. Die Autoren nehmen in ihrem Bericht die Politik in die Pflicht: Der Bewegungsmangel hänge eng mit der Bebauung zusammen, betonen sie: "Gut angelegte öffentliche Orte und sichere, gut angeschlossene Anlagen sind der Schlüssel dazu, die körperliche Bewegung zu steigern."

Einfluss des Sozialen

Zudem zeigten die Studienresultate eindeutig, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien besonders stark zu Übergewicht tendierten, betonte Ahrens. Diese Gruppen müssten von der Politik stärker unterstützt werden. Für benachteiligte Verbraucher müsse die Erschwinglichkeit von und der Zugang zu gesunden Lebensmitteln verbessert werden. Dies wirke sich nicht nur auf das Gewicht der Kinder aus, sondern auch auf ihre spätere Gesundheit, etwa die Anfälligkeit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. (APA, red, 9.2.2017)