Jerusalem/Wien – Sie zählen zu den wichtigsten archäologischen Funden des 20. Jahrhunderts: Zwischen 1946 und 1956 wurden in elf Höhlen nahe dem Toten Meer Fragmente hunderter Schriftrollen aus Pergament und Papyrus entdeckt, die zum Teil mehr als 2.000 Jahre alt sind. Unter diesen sogenannten "Schriftrollen vom Toten Meer", nach ihrem Fundort Khirbet Qumran auch Qumranschriften genannt, befinden sich die ältesten bekannten biblischen Handschriften.

Nun haben Forscher eine zwölfte Höhle entdeckt, die einst ebenfalls Schriftrollen enthielt. Sie wurde allerdings geplündert – und zwar innerhalb der letzten Jahrzehnte, wie Wissenschafter der Hebräischen Universität in Jerusalem mitteilten. Die Entdeckung weckt aber Hoffnungen, dass es in der Region noch weitere Rollen aus der Zeit des zweiten jüdischen Tempels geben könnte.

Archäologen vor dem Eingang zur Höhle.
Foto: Casey L. Olson/Oren Gutfeld

Aufgebrochene Gefäße

Viele der früher entdeckten Rollen lagerten in Tonkrügen, manche davon sind gut erhalten. In der bislang unbekannten zwölften Höhle fanden die Forscher um Oren Gutfeld nun zahlreiche aufgebrochene Tongefäße – leider ohne Inhalt. Auch Stoffreste, ein Lederband und unbeschriebenes Pergament zeugen davon, dass hier einst ebenso Schriften gelagert wurden. Überreste einer Spitzhacke aus den 1950er Jahren lassen annehmen, dass die Plünderung innerhalb der vergangenen Jahrzehnte stattgefunden hat.

Unbeschriebene Pergamentrolle aus der zwölften Höhle von Qumran.
Foto: Casey L. Olson/Oren Gutfeld

Wettlauf gegen Raubgräber

Bei aller Enttäuschung werten die Archäologen den Fund der Höhle als Erfolg: "Seit 60 Jahren waren wir der Entdeckung neuer Schriftrollen nicht mehr so nahe wie jetzt", sagte Gutfeld. "Auch wenn keine Schriftrolle mehr gefunden wurde, sondern nur unbeschriebenes Pergament, gibt es keine Zweifel, dass es sich hier um eine zwölfte Schriftrollen-Höhle handelt."

Der Fund zeige, dass in der Judäischen Wüste noch weitere Funde von großer Bedeutung auf ihre Entdeckung warten könnten, kommentierte Israel Hasson, Direktor der Israelischen Antikenbehörde, die Nachricht. Das ist auch ein Wettlauf gegen Plünderer: Die Preise für Fundstücke auf dem Schwarzmarkt sind astronomisch hoch. So hatten etwa 2009 als Käufer getarnte Ermittler ein Papyrusstück aus der Zeit des Bar-Kochba-Aufstands (ca 132-135 u. Z.) sichergestellt, das für zwei Millionen Dollar angeboten wurde. (red, 9.2.2017)