Der Hauseigentümer oder ein von ihm beauftragtes Unternehmen muss solche Dächer von ihrer Schneelast befreien.

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Erst sind es nur Tropfen, die vom Dach fallen, dann folgt ein bisschen Pulverschnee. Plötzlich löst sich eine Dachlawine und donnert auf den Gehsteig, wo zum Glück gerade keine Passanten unterwegs sind.

Was, wenn doch? "Der Hauseigentümer kann dafür haften, wenn jemand durch eine Dachlawine zu Schaden kommt", sagt der Wiener Wohnrechtsexperte Ronald Geppl. Eigentümer müssen laut Straßenverkehrsordnung dafür sorgen, dass Schnee und Eis vom Dach entfernt werden.

Da das ein gefährliches Unterfangen ist, werden in der Regel Professionisten dafür engagiert. Die Haftung des Hauseigentümers ist auf diese Unternehmen übertragbar, wenn ein entsprechender Vertrag abgeschlossen wird, erklärt Geppl.

Ganz so einfach ist es aber nicht. Die zivilrechtlichen Forderungen, die bei Sach- oder Personenschaden gestellt werden können, unterscheiden sich von Fall zu Fall und können auch davon abhängen, ob gegenüber dem Geschädigten eine vertragliche Sorgfaltspflicht verletzt wurde, meint der Wohnrechtsanwalt: Wird ein Mieter im Hof von einer Dachlawine getroffen und verletzt, dann hat der Vermieter vor Gericht schlechte Karten. Wird aber beispielsweise ein Pkw auf öffentlichem Grund vor dem Haus beschädigt, dann sieht Geppl eher die Vollkaskoversicherung des Autobesitzers in der Pflicht.

Schneeräumen durch Profis

Beim Hausbetreuer Attensam können von Hauseigentümern Winterservice-Pakete gebucht werden, die auch eine Tauwetterkontrolle inkludieren. "Dabei wird von unten auf das Dach geschaut und überprüft, ob es Überhänge und Eiszapfen gibt", erklärt Pressesprecher Denis Marinitsch.

Im Fall des Falles steigen die Mitarbeiter aber nicht selbst aufs Dach, sondern sichern den Gehsteig mit Tauwetterstangen ab und rufen, sofern Gefahr im Verzug ist, die Feuerwehr oder infor- mieren die Hausverwaltung, die dann wiederum Dachdecker oder Spengler vorbeischickt.

"Das sollte wirklich jemand aus dem Fachgebiet machen", betont Othmar Berner, Bundesinnungsmeister der Dachdecker, Glaser und Spengler. Denn das Schneeräumen auf dem Dach sollte nur mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt werden. Zudem könne ein Laie auch Schaden am Dach anrichten.

Die Profis arbeiten mit Schaufeln, Spaten und Holzhämmern zum Aufklopfen leichter Vereisungen. Außerdem kommen biologische Streusalze zum Einsatz, erzählt Berner. Das Schneeräumen in luftigen Höhen dauert mindestens eine Stunde, manchmal auch länger – je nachdem, wie steil und wie groß die Dachfläche ist.

Schlecht gedämmte Gebäude

Besonderes Gefahrenpotenzial für Dachlawinen sieht Berner auf alten, schlecht gedämmten Gebäuden, weil deren Dächer zu Vereisung neigen. Bei Dächern, die über öffentliche Bereiche ragen, also beispielsweise über Gehwege, müssen auch bauliche Maßnahmen getroffen werden, um das Gefahrenpotenzial zu verringern: Laut Berner sind das Schneefangsysteme, beispielsweise Schneerechen am unteren Ende des Daches, und Schneehaltesysteme, beispielsweise Schneenasen, die über die Dachfläche verteilt sind.

"Eine Kombination aus beiden Systemen ist das Beste", ist der Experte überzeugt. Dachflächen- und Regenrinnenheizungen gibt es zwar auch, das sei aber nicht sehr weit verbreitet, meint der Experte.

Schneestangen, die im Winter an den Fassaden von Häusern lehnen, sind übrigens kein Ersatz für das Schneeräumen auf dem Dach: "Es mag sein, dass mancher Hauseigentümer glaubt, dass die Fußgänger bei einem solchen Warnhinweis selbst aufpassen müssen", sagt Jurist Geppl. "Die Haftung der Eigentümer kann man so aber nicht ausschließen."

Grenzen der Zumutbarkeit

Es gibt aber auch Urteile, die dieser Haftung Grenzen setzen: Ein Passant, der von "geringer, nicht vemeidbarer, granuliert abgehender Schneemenge" vom Dach getroffen wurde und vor Schreck stürzte, bekam vom OGH 2013 nicht recht: Die Verkehrssicherungspflicht des Hauseigentümers hätte auch Grenzen in der Zumutbarkeit, im Winter müsse ein Passant mit dem Abgehen von kleinen Schneemengen von Häusern rechnen, hieß es im Urteil.

Wie oft vor Gericht gestritten wird, lässt sich laut Geppl nicht sagen: "Es gibt viele Entscheidungen in erster oder zweiter Instanz. Die werden selten veröffentlicht." Um Streitfälle zu vermeiden, rät er, im Winter besonders aufmerksam zu sein und, wenn es vom Dach tropft, die Straßenseite zu wechseln. Gibt es nämlich erste Anzeichen für das Abgehen einer Dachlawine, dann könne ein Mitverschulden der Passanten nicht ausgeschlossen werden.

Wird jemand verletzt, dann rät er dazu, sich Namen, Adressen und ein Gedächtnisprotokoll von Zeugen aufschreiben zu lassen. Das würde eine außergerichtliche Einigung bzw. eine Zahlung der Haftpflichtversicherung des Eigentümers erleichtern. Vielleicht sogar, bevor der nächste Schnee kommt. (Franziska Zoidl, 8.2.2018)