Breite Allianz gegen Gesiba-Bau nahe dem Otto-Wagner-Spital in Penzing

Wien – Vergangenen Freitag erhielt Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) einen Brief. Absender waren Kirsti Kovanen und Wilfried Lipp von Icomos, dem Denkmalrat, der die Unesco in Fragen des Weltkulturerbes berät. Kovanen, Generalsekretärin von Icomos International, und Lipp, Präsident von Icomos Austria, kritisieren darin, dass Vassilakou ihr Versprechen, ein Nachnutzungskonzept für das Jugendstilensemble des Otto-Wagner-Spitals auf dem Steinhof zu erstellen, selbst nach mehr als einem Jahr noch nicht eingelöst hat.

Sie forderten einmal mehr Maßnahmen, um das Ensemble "unter Bedachtnahme auf seine bedeutende historische und kulturelle Wertigkeit als Einheit zu respektieren" und sprachen einen "Heritage Alert" aus.

"Mit großer Besorgnis haben wir Informationen zu den letzten Entwicklungen erhalten, die besagen, dass – in Vorbereitung auf die neuen Bauten der Gesiba – eine Anzahl von Bäumen im Osten des Steinhof-Areals geschlägert werden sollen", heißt es in dem Schreiben an Vassilakou, die als Stadtplanungstadträtin auch für die Entwicklung der Steinhof-Gründe verantwortlich ist (Gesiba steht kurz für Gemeinnützige Siedlungs- und Bauaktiengesellschaft, Anm. d. Red.).

98 Bäume werden gefällt

Die Informationen waren korrekt: Am Montag gab die Penzinger Bezirksvorstehung bekannt, dass ein gültiger Baumfällungsbescheid vorliegt, und bereits am Dienstagmorgen fuhren Forstmaschinen auf, um am Ostareal, gleich bei der Rehaklinik Baumgarten, Platz für neue Wohnbauten zu schaffen.

98 Bäume werden zunächst hinter Sichtschutzplanen und bewacht von Securitykräften gefällt, und an ihrer Stelle werden bis 2019 65 Wohnungen der stadteigenen Gesiba entstehen. Die Baubewilligung liege laut Gesiba vor. Knapp hundert weitere Einheiten sollen folgen, sobald ein Baubescheid vorliegt.

Rathausopposition formiert sich

Kritik kommt von vielen Seiten. Am lautesten ist jene der Initiative "Steinhof erhalten", die mit zehntausenden Unterschriften und Demos jahrelang gegen den Bau gekämpft hatte und deren Organisatoren nun von einem "Kettensägen-Massaker an gesunden alten Bäumen" sprechen: "Trotz der Vielzahl an Aufrufen zur Kulturbesinnung der Wiener Stadtregierung haben die Investoren wieder einmal durch ihre Zuwendungen gegenüber der Menschenvernunft gesiegt."

Der ehemalige Leiter des Naturhistorischen Museums, Bernd Lötsch, spricht angesichts der "Rodung des Föhrenwäldchens zwischen historischer Pathologie und der grausamen Brutalarchitektur des sogenannten Rehab-Zentrums" von einem "Signal gegen eine niveauvolle Bürgerbewegung".

Auch die städtische Opposition formierte sich geschlossen gegen die Abholzung: ÖVP-Landesparteiobmann Gernot Blümel spricht in einer Aussendung von einer "unkoordinierten und verantwortungslosen Farce, die endlich ein Ende haben muss". Landesparteisekretär Anton Mahdalik von der FPÖ Wien will das "rot-grüne Valentinstag-Massaker zur Anzeige bringen", und Neos-Umweltsprecherin Bettina Emmerling zeigte sich "entsetzt": "Über den Aufschrei und die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger" werde "drübergefahren."

Gesiba verteidigt sich

Die Gesiba selbst verteidigt sich, dass "alle Einheiten im Rahmen eines sozialen Wohnbaus mit günstigen Preisen entstehen und ein Viertel der neuerrichteten Wohnungen für betreubares Wohnen zur Verfügung stehen wird". Alle Genehmigungen lägen vor, und von den 98 der rund 4.800 Bäume auf dem Gelände hätten 72 ihre physiologische Altersgrenze erreicht, "einer ist abgestorben".

Demnach sollen anstelle der gefällten Bäume 327 Exemplare "ausschließlich heimischer Gehölze auf Flächen des Otto-Wagner-Spitals und den angrenzenden Steinhofgründen, dem streng geschützten Landschaftsschutzgebiet", gepflanzt werden.

Die Aussage der Gesiba, wonach sich der Bauträger im Rahmen eines Mediationsverfahrens mit den Anrainern auf eine geringere Zahl an Wohnungen geeinigt habe – ursprünglich waren bis zu 600 Einheiten geplant –, bezeichnet Christine Muchsel von einer weiteren Bürgerinitiative namens "Steinhof gestalten" als "pure Lüge". Sie legte am Dienstag ihr Mandat als Vertreterin der Bürgerinitiative am Testplanungsverfahren zurück.

Gesamtnutzungskonzept wird geprüft

Ein bei der Wiener Standortentwicklung GmbH (WSE) in Auftrag gegebenes umfassendes Nachnutzungskonzept für das gesamte Areal liegt seit Ende Dezember 2016 vor. Es wurde aber noch nicht veröffentlicht. Auftraggeber des Konzepts ist der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV). Dort wurde auf Fragen hinsichtlich des Konzepts an die zuständige Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) verwiesen. Aus Frauenbergers Büro heißt es, dass das Konzept geprüft werde. Eine endgültige Entscheidung über das Nachnutzungskonzept sei offen. (Michael Matzenberger, 14.2.2017)

Foto: Michael Matzenberger
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