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Während bei derStandard.at die Foren weiterhin offen bleiben, ist das Kommentieren in anderen Medien nur in einigen Foren möglich.

Foto: dpa/michael probst

Alle Artikel auf derStandard.at verfügen über ein Forum, und sowohl Forenmoderatoren als auch Redakteure sind bemüht, präsent zu sein und sich mit den Usern auszutauschen. Abseits der Foren unter den aktuellen Ereignissen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, als User Teil der Community zu werden: So werden Foren für spezifische Fragestellungen erstellt, in denen auch persönliche Erfahrungen ausgetauscht werden können, wie etwa bezüglich Jobwechsel der User. Außerdem betreuen Experten eigene Foren, beispielsweise die Verkehrswissenschafter Tadej Brezina und Fabian Dorner von der TU Wien bei Fragen zur Mobilität oder die Bibliothekarin Monika Reitprecht im Literaturforum. User, die ihr Wissen und ihre Begeisterung für bestimmte Themen und Hobbys einbringen wollen, können auf derStandard.at eigene Foren mitgestalten wie etwa im Forum+ bezüglich Tennis, das derzeit von drei Usern betreut wird. Wer sich außerhalb dieser Foren zu allem Möglichen austauschen möchte, kann das im Off-Topic-Forum oder auch im Off-Topic-Ticker tun.

Trend zu geschlossenen Foren

Die Möglichkeiten, die Community auf Onlinenachrichtenseiten einzubinden, sind vielfältig. Doch obwohl eine aktive Einbindung unter dem Schlagwort "Audience Engagement" angestrebt wird, ergreifen vielerorts Medien restriktive Maßnahmen und beschränken oder schließen Foren bezüglich tagesaktueller Themen. Den Anfang bei den deutschen Medien machte das Onlineportal der "Süddeutschen Zeitung": 2014 hat "sueddeutsche.de" die Kommtentarfunktion unter Artikeln abgedreht.

User können seitdem nur noch über täglich zwei bis drei ausgewählte Themen diskutieren. Ziel sei es, einerseits das Niveau der Diskussionen zu heben und andererseits Debatten in den sozialen Netzwerken zu fokussieren. Der Chefredakteur Stefan Plöchinger schrieb in seinem Blog, dass die "digitale Welt seither gelernt hat, bessere Diskussionen auf Plattformen wie Facebook, Twitter, Google Plus oder Disqus zu organisieren". Mehr Kommentare in sozialen Netzwerken als unter allen Artikeln sei das Ziel, nachdem sich ihrer Erfahrung nach die Diskussionen dorthin verlagert haben, erklärte auch der Teamleiter für Social Media und Leserdialog "SZ.de", Daniel Wüllner:

"Das bisherige System, wie Debatten auf den meisten Seiten geführt werden, hat zu viele Schwächen. Unter anderem geht in den Diskussionen zu viel durcheinander, das Freischalten von Beiträgen dauert zu lange, und nicht zuletzt bekommen Pöbler zu oft die Chance, durch die Moderation zu rutschen." (Daniel Wüllner, "SZ.de")

"SZ.de" ist nicht das einzige Beispiel, denn auch andere Foren von Nachrichtenseiten wurden stark eingeschränkt. So analysierte der Informatiker David Kriesel die Foren von "Spiegel Online" ("SPON") zwischen 2014 und 2016. Während 2015 noch 80 Prozent der Artikel ein Forum hatten, fiel dieser Wert konstant und lag im Jänner 2017 bei 50 Prozent. Besonders wenige Möglichkeiten zum Verfassen von Postings gab es unter Artikeln über Israel, Syrien, Afghanistan, Kriminalität oder Migration. Matthias Streitz von "SPON" erklärte in einer Stellungsnahme:

"Wir beobachten eine stärkere Polarisierung der Öffentlichkeit, auch eine Zunahme von 'hate speech'. Unsere Forumsmoderatoren sind schlechter als vor noch ein paar Jahren in der Lage, die Masse der problematischen Postings zu sichten und zu filtern." (Matthias Streitz, "SPON")

Anfang Februar hat nun auch "Neue Zürcher Zeitung" ("NZZ") bekanntgegeben, die Kommentarmöglichkeiten für praktisch alle Artikel auf ihrer Seite zu sperren – im Ressort "Leserdebatte aktuell" werden stattdessen zu ausgewählten Themen täglich drei Foren eröffnet, hinzu kommt eine Debatte mit einem "NZZ"-Redakteur pro Woche. Begründet wurde dies damit, das die Stimmung "gehässiger geworden sei" und in vielen Kommentaren keine Informationen mehr ausgetauscht würde.

Wir glauben nicht, dass es weiterhin Sinn hat, wenn Leser alle Artikel kommentieren können. Gerade bei nachrichtlichen Meldungen entbrennt schnell ein Streit über die darin berichteten Fakten. (Oliver Fuchs, "NZZ.ch")

In den Foren von derStandard.at wurde ambivalent darüber diskutiert – während manche User durchaus Verständnis für diese Maßnahmen zeigen, wird dieser schwierige Schritt auch kritisch betrachtet:

Verlagerung auf soziale Medien

Wenn es der Wunsch einer Redaktion ist, Diskussionen auf soziale Medien zu verlagern, dann mag das Schließen der Foren der richtige Weg sein. Zu bedenken gilt allerdings, dass nicht alle Leser von Nachrichtenmedien auf den sozialen Medien aktiv sind und es bevorzugen, in den Foren der Medien direkt unter dem jeweiligen Artikel zu posten. Eine Einschränkung der Postingfunktion auf der eigenen Webseite ist daher hoch selektiv.

Hinzu kommt, dass hinter diversen sozialen Medien verschiedene Konzerne stehen, auf deren Entwicklung ein Nachrichtenmedium keinen Einfluss hat. Foren auf der eigenen Webseiten hingegen können besser nach den eigenen Forenrichtlinien moderiert und auch nach den eigenen Bedürfnissen programmiert werden. Zugespitzt formuliert: Möchte man als Medium die Verantwortung für Foren und Gestaltungsspielräume, die auch technische Entwicklungen bezüglich Layout und Kommentarmöglichkeiten inkludieren, an externe Unternehmen auslagern?

Wenn ein Onlinemedium User nur in bestimmten Foren posten lässt, so werden manche User zu anderen Medien abwandern, um dort posten zu können. Zudem bleibt offen, ob das Schließen von Foren den gewünschten Effekt bringt – dass nämlich wenige auserlesene Postings zu höherer Qualität führen. Letztlich hängt es von den individuellen Vorstellungen von "Qualität" ab. Medien, die die Kommentarfunktion auf der eigenen Webseite einschränken oder gar schließen, müssen sich außerdem den Vorwurf gefallen lassen, Meinungen auszuschließen, die nicht der Blattlinie entsprechen.

Der Blickwinkel zählt

Letztlich bleibt es eine Ressourcenfrage, ob offene Foren betreut werden können und ob in ein dafür notwendiges Community-Management investiert wird. Täglich werden im Schnitt 25.000 Postings auf derStandard.at gepostet – die Forenmoderation dahinter ist keine einfache Aufgabe. Und egal, wie gut diese gemacht wird – schwarze Schafe, Trolle und User, die bewusst Diskussionen stören, wird es immer geben. Wer die Foren lang genug liest, wird daher das eine oder andere Posting lesen, das nicht vollständig korrekt ist. Damit muss man leben können, möchte man grundsätzlich die eigenen User mitdiskutieren lassen. Denn eine Einschränkung der Kommentarfunktion bedeutet, auf eine Minderheit zu reagieren, die Diskussionen absichtlich stört und damit einer Mehrheit die Möglichkeit zu nehmen, sich unter den Artikeln direkt zu Wort zu melden und sich als User zu beteiligen.

Es ist daher vielmehr eine Frage des Blickwinkels: Konzentriert man sich im Community-Management auf die wenigen Störenfriede und schließt die Foren – oder entwickelt man Strategien, um konstruktive Postings hervorzuheben, argumentierte Beiträge zu fördern und die Community untereinander besser zu vernetzen, etwa durch ein zusätzliches Angebot an spezifischen Foren und die Möglichkeit, selbst partizipieren zu können, abseits der klassischen Foren unter den Artikeln? Werden zusätzliche Angebote geschaffen, um Usern eine breitere Austauschplattform zu bieten, ermöglicht ein stärkeres Vernetzen, was sich langfristig positiv auf das allgemeine Diskussionsklima in den Foren auswirken kann.

Vorangestellte inhaltliche Fragen

Das Einschränken der Kommentarmöglichkeit oder auch Schließen aller Foren auf Nachrichtenseiten wird häufig damit argumentiert, dass das Niveau in vielen Foren niedrig sei und man sich eine bessere Diskussionsqualität erwartet, wenn nur einzelne Foren offen sind. Eine Qualitätssteigerung erhofft sich der norwegische Rundfunk NRK nun mit einer anderen Maßnahme: Er lässt Leser inhaltliche Fragen bezüglich Artikeln beantworten, bevor sie diese kommentieren können. Die User zu zwingen, den Text zu lesen, bevor sie darüber diskutieren, könne helfen, einen fundierten Ton in der Diskussion zu finden, sagt Chefredakteur Marius Arnesen:

"Wenn du etwas diskutieren willst, ist es wichtig, auch zu wissen, worum es in dem Artikel geht." (Marius Arnesen, "NRK")

Was halten Sie von einer derartigen Zugangsbarriere, führt das zu einer gewünschten Qualitätssteigerung in den Foren? Welche Erfahrungen haben Sie als User in anderen Foren gemacht, wie beurteilen Sie den Umgang verschiedener Nachrichtenmedien mit ihren Foren? (Sophie Niedenzu, 15.3.2017)