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Regime-Vertreter Bashar al-Jaafari verkündete in einem Pressestatement in Genf am Freitag, dass seine Delegation den Uno-Fahrplan für die Genfer Konferenz prüfen werde.

Foto: Reuters / Pierre Albouy

Genf/Wien – Was wird bei der Syrien-Konferenz in Genf, die am Donnerstag eröffnet wurde, von wem verhandelt? Die Frage klingt einfach: Man könnte aufzählen, wer aller dort ist; und der Verhandlungsgegenstand ist klarerweise eine diplomatische Lösung, die den Krieg zwischen Regime und Rebellen in Syrien beenden würde. Aber bei "Genf IV" – so benannt nach Genf I, II und III, die 2012, 2014 und 2016 stattfanden – ist ebenso wichtig, wer aller nicht anwesend ist. Und bei der Definition des Themas hält man bei der gleichen Frage wie vor fünf Jahren: mit oder ohne Assad.

Technisch hört sich das so an: Die syrische Opposition – besser gesagt, der größere Teil der syrischen Opposition – will in Genf Verhandlungen auf Basis von Genf I und der Uno-Sicherheitsratsresolution 2254 vom Dezember 2015. Diese Oppositionellen, gesammelt im "Hohen Verhandlungskomitee" (HNC), widersetzen sich damit dem Vorschlag des Syrien-Sondergesandten der Uno, Staffan de Mistura, der die Basis allein in Resolution 2254 sieht.

Basis der Verhandlungen

Der Unterschied ist nicht unbedeutend: Bei Genf I im Juni 2012 beschloss die Staatengruppe der "Friends of Syria" einen Text, in dem von einem "Übergangs-Regierungsorgan" für Syrien die Rede war, das die gesamte exekutive Macht übernehmen hätte sollen – also die des Präsidenten und damit des Assad-Regimes. Hingegen ist in Resolution 2254 etwas vager von einer gemeinsamen Regierung die Rede, die eingesetzt würde, bis es eine neue Verfassung gäbe, gewählt würde etc.

Genf I ist ein absolutes No-Go für das Assad-Regime – das heute durch das iranisch-russische Eingreifen in den Konflikt nicht mehr akut sturzgefährdet ist, also viel stärker da steht als in früheren Verhandlungsrunden. Die Regimedelegation ist vor allem deshalb in Genf, weil Russland, das seine militärische Intervention beenden möchte, es so will.

Einigung Russland-Türkei

Auch die Opposition ist sozusagen nicht freiwillig da: Zwar steht Genf unter dem internationalen Schirm der Uno. Aber ermöglicht wurde der neue Anlauf zu einem Waffenstillstand und die neue diplomatische Runde dadurch, dass sich die Türkei – die den Aufstand gegen Assad immer unterstützt hat – mit Russland darauf geeinigt hat, dass der Krieg beendet werden soll.

Der HNC steht aber vor allem unter dem Schutz Saudi-Arabiens: Er tagt in Riad und wird deshalb auch oft Riad-Gruppe genannt. Die Türkei hingegen hat mehr Einfluss auf die kämpfenden Rebellen auf dem Boden. Sie sind in Genf schwach vertreten – aber jede Entscheidung ohne sie ist wertlos. Hingegen sind in Genf Abgeordnete der Moskau- und der Kairo-Gruppe dabei, beide vom Assad-Regime geduldet, also quasi die offizielle Opposition.

Die "Oppositionen"

Uno-Gesandter de Mistura hatte sie im letzten Moment inkludiert, was ihm vom HNC sehr verübelt wird – wegen des Streits darüber verzögerte sich am Donnerstag der Konferenzbeginn. Man sieht demnach: Die Opposition gibt es nicht, es gibt "Oppositionen". In Genf wurde das sogar durch drei separate Oppositionstische deutlich. Die wichtigste syrische Kurdengruppe, die PYD, die ja sogar Teile Syriens autonom verwaltet, fehlt überhaupt: Die Türken haben ihre Teilnahme verhindert – und die Russen haben das zugelassen. Aber auch die USA, die die syrischen PYD-Kurden für den Kampf gegen den "Islamischen Staat" hochrüsten, haben nichts für sie getan.

Die neue Syrien-Strategie der USA – beziehungsweise die neue US-Strategie im Kampf gegen den IS – ist nicht rechtzeitig vor Genf fertig geworden. Das soll angeblich am Montag der Fall sein. Ganz ohne USA wird es nicht gehen.

Spekulationen über de Misturas Abgang

Man versteht, dass mit dieser Gemengelage mit schnellen Ergebnissen von Genf IV nicht zu rechnen ist: Es wird als Erfolg gewertet werden, wenn es nicht so schnell im Sand verläuft wie Genf III. Auch de Mistura ist angeschlagen, es gibt Spekulationen, dass er im Fall eines Scheiterns geht.

Solange sich die diversen Protektoren der Oppositionsgruppen nicht einigen, wird es keine einige Opposition geben. Aber der Wind weht eher in eine andere Richtung: So gehen etwa die arabischen Golfstaaten in Syrien – und auch bei anderen Fragen – wieder zunehmend voneinander unabhängige Wege. Und die regionale Großwetterlage ist von wachsenden Spannungen zwischen der Türkei und dem Iran geprägt. (Gudrun Harrer, 24.2.2017)