Der saudische Außenminister Adel al-Jubairi am Samstag in Bagdad bei seinem irakischen Amtskollegen Ibrahim al-Jafari. Die beiden sind keine natürlichen Freunde. Als Premier verfolgte Jafari 2005 die Schiitisierung des Irak. Und Jubair wetterte in München gegen die schiitischen irakischen Milizen.

Foto: APA/AFP / Außenministerium Irak

Bagdad/Wien – Weshalb ist die Nachricht, dass der saudi-arabische Außenminister Adel al-Jubair am Samstag überraschend die irakische Hauptstadt Bagdad besucht hat, so bedeutend? Die Antwort auf die Frage ist mehrteilig: Es geht eben um viel mehr als nur das irakisch-saudische Verhältnis, das seit 1990 – als irakische Truppen Kuwait überfielen und auch Saudi-Arabien bedrohten – keine Besuche auf dieser Ebene mehr erlaubt haben.

1990 wurden die diplomatischen Beziehungen abgebrochen, danach war kein saudischer Außenminister mehr in Bagdad. In den 1980ern hatte Saudi-Arabien den Irak im Krieg gegen den Iran unterstützt. Schwierig war das Verhältnis aber auch vorher – und ebenfalls nach 2003. Mit dem Sturz Saddams ging – aus der Perspektive Saudi-Arabiens – der Irak der sunnitisch-arabischen Welt quasi verloren: Es gab eine neue schiitische politische Elite, die zum Teil nach Teheran schaute.

Vakuum nach dem IS füllen

Und genau hier ist der Besuch zu verorten: Saudi-Arabien startet einen Versuch, den Irak wieder zurück ins arabische Boot – gegen den Iran – zu holen. Das ist umso wichtiger, als das ja in Syrien, wo der mit dem Iran verbündete Bashar al-Assad einstweilen an der Macht bleibt, nicht gelungen ist.

Es geht um nichts Geringeres als die Neuordnung der Region nach "Daesh", dem "Islamischen Staat", der zwar noch nicht besiegt, aber territorial stark zurückgedrängt ist. Wer wird das Vakuum füllen, das er hinterlässt? Jedenfalls nicht der Iran und seine Klienten, meinen die Saudis, und präsentieren sich nun als Hüter des Arabismus. Der Islam tritt dabei in den Hintergrund, denn es sollen ja auch arabische Schiiten angesprochen werden.

Härte auch gegen Libanon

Saudi-Arabien ist in den letzten beiden Jahren mit jenen arabischen Staaten, die den harten saudischen Kurs gegen den Iran nicht voll mitgetragen haben, hart umgesprungen: Dem Libanon etwa wurde deshalb sogar vorübergehend die Militärhilfe gestrichen. In den Irak schickte Riad Ende 2015 einen saudischen Botschafter – auch er der erste residente seit 1990 -, der öffentlich über die schiitischen irakischen Milizen und den iranischen Einfluss herzog und deshalb 2016 hinausgeworfen wurde.

Nun versucht es Saudi-Arabien offenbar mit einer Umarmungspolitik, Soft Power: Auch den Libanon unterstützt es wieder, obwohl dort im Vorjahr ein Hisbollah-Kandidat, Michel Aoun, Präsident geworden ist. Soft Power heißt jedoch nicht weich gegen den Iran. Saudi-Arabien sieht sich dabei von der neuen US-Regierung Donald Trumps gestärkt, der bei seiner Pressekonferenz mit Israels Premier Benjamin Netanjahu laut von einer arabischen Militärallianz träumte (die mit Israel gegen den Iran kooperiert).

Die Regierung von Premier Haidar al-Abadi ist bis zu einem gewissen Ausmaß entgegenkommend, obwohl iranische Unterstützung bisher ein wichtiges Element im irakischen Kampf gegen den IS ist. Jubair hatte bei der Sicherheitskonferenz in München die Iran-gestützten schiitischen Milizen im Irak heftig kritisiert. Abadi weiß, dass dies auch die Trump-Position ist.

Muqtada al-Sadr bietet Sunniten Versöhnliches

Ein weiteres intern irakisches Element in diesem großen Bild ist der einstmals wilde und junge schiitische Mullah Muqtada al-Sadr, bei dessen Demonstrationen jüngst "Iran raus" skandiert wurde. Er macht den Sunniten in Mossul, die von radikalen Schiiten als Kollaborateure des IS gesehen werden, versöhnliche Angebote. Und er stärkt Abadi den Rücken gegen dessen Vorgänger Nuri al-Maliki, der ins Premiersamt zurückkehren will. Die irakischen Sunniten brauchen, um gegen Angebote des jihadistischen Islam immun zu werden, einen Garanten für ihren Platz im mehrheitlich schiitischen Irak. Dafür bietet sich Saudi-Arabien an.

Diesen Job hätte aber auch gerne die sunnitische Türkei: Präsident Tayyip Erdogan schwenkt immer mehr auf die Saudi-Trump-Linie ein, was den Iran betrifft, verfolgt im Irak und in Syrien aber auch eigene Interessen. Er hält ja auch gar nicht damit hinterm Berg, dass die Türkei ihre Einflusszone über ihre Grenzen hinaus vergrößern will. Das ist, was der Iran seit Jahren tut – und auch sagt. Und nun bekennt sich auch Saudi-Arabien offen dazu. (Gudrun Harrer, 27.2.2017)