Wovon die Inschrift auf dem Jadeschmuck erzählt, ist noch nicht vollständig entziffert.

Foto: G. Braswell/UC San Diego

Voder- und Rückseite des Schmuckstücks sowie weitere Funde aus dem Grab.

Foto: Braswell et al.

San Diego – Ein ausgesprochen ungewöhnlicher Fund beschäftigt derzeit Archäologen um Geoffrey Braswell von der University of California San Diego: Sie entdecken in der Maya-Ruinenstadt Nim Li Punit im Süden von Belize ein prächtiges Jadeschmuckstück, das rätselhafter nicht sein könnte.

Schon der Fundort für das T-förmige Jadestück, das einen Brustschmuck darstellen dürfte, ist unerwartet: Nim Li Punit, vermutlich in den Jahren zwischen 150 und 850 besiedelt, war nach bisherigem Forschungsstand nicht sonderlich bedeutend. Der Fund eines so wertvollen Prunkgegenstands überrascht.

Noch dazu handelt es sich dabei nach Angaben der Forscher um das zweitgrößte Jadeschmuckstück aus der Zeit der Maya, das in Belize je entdeckt wurde. "So einen Fund hätten wir vielleicht in einer der großen Mayastädte erwartet", sagte Braswell. "Aber gefunden haben haben wir es hier, weit vom Zentrum des Maya-Reiches entfernt."

Rätselhafte Inschrift

Die Umstände des Fundes sind nicht weniger mysteriös: Wie Braswell und Kollegen in "Ancient Mesoamerica" berichten, stießen sie bei Grabungsarbeiten auf ein Grab aus der Zeit um das Jahr 800. In der Begräbnisstätte fanden sie etliche Tongefäße, eine Figur aus Stein und den Jadeschmuck – jedoch keinen Toten. Warum wurde die wertvolle Beigabe ohne ihren Besitzer bestattet?

Am meisten überraschte die Archäologen aber, dass auf den Brustschmuck ein Text eingraviert wurde: Auf der Vorderseite findet sich die Hieroglyphe "ik", die laut den Forschern für Wind oder für Atem steht. Auf der Rückseite finden sich gleich 30 Hieroglyphen. "Es ist das erste Mal, dass wir so etwas auf einem Jadeschmuck sehen", so Braswell.

Opfergabe für besseres Wetter?

"Das Fundstück spricht zu uns", so der Forscher. Bisher allerdings nur teilweise, denn noch ist der Text nicht vollständig entziffert. Die Archäologen schließen aber aus den bisher übersetzten Fragmenten, dass das Schmuckstück König Janaab' Ohl K'inich gehörte. Neben dem Hinweis, dass der König den Schmuck erstmals im Jahr 672 bei einem Ritual getragen hat, beinhaltet der Text demnach auch Ausführungen über seine Abstammung.

Laut Braswell ist Janaab' Ohl K'inich der erste König, der in Nim Li Punit überhaupt erwähnt wird – aus der Zeit vor seiner Regentschaft finden sich keine Hinweise auf andere Herrscher. Janaab' Ohl K'inich könnte hier also eine neue Dynastie gegründet haben. Weshalb das prunkvolle Schmuckstück allerdings nicht, wie sonst üblich, mit ihm zusammen bestattet wurde, ist unklar.

Theoretisch könnte es gestohlen worden sein, doch Braswell hat eine andere Theorie: Er vermutet, dass es als Opfergabe bestattet wurde – zu einer Zeit, in der das Klima Mittelamerikas immer unbeständiger wurde. Womöglich hoffte man, damit günstigeres Wetter zu erwirken."Ich denke, die Jadeplatte war nicht einfach nur Schmuck, sondern ihr wurde eine immense Macht zugeschrieben." Die Forscher hoffen, dass die vollständige Übersetzung und weitere Grabungen das Rätsel um Nim Li Punit bald lösen werden. (dare, 5.3.2017)