Es ist Montagfrüh, und mein Arbeitskollege schwärmt mir beim Kaffeetrinken vor, wie schön sein Wochenende war. Skitour am Hochschwab, Sonnenschein, Freundin, Party. Dann schaut er mich an und fragt interessiert: "Sag einmal, wir kennen uns schon länger, welche Hobbys hast Du eigentlich?" Ich wollte etwas sagen, mir lag etwas auf der Zunge, ich dachte nach, es fiel mir nichts ein. Nach einigen Minuten stammelte ich dann irgendwas von Lesen und österreichischer Belletristik. Oder so. Es hörte sich komisch an. Und mein Kollege, der hatte so einen Ausdruck in den Augen, der sagte: Oh, das ist jetzt ein bisschen arm. Gesagt hat er: "Echt, wirklich? Du hast kein bisschen Zeit für dich? Kannst Du dir denn nicht ein paar Stunden jede Woche nur für Dich nehmen? Das muss doch auch mit Kindern möglich sein!"

Schon glücklich, wenn Zeit zum Abschminken bleibt

Ehrlicherweise bin ich froh, wenn ich es jeden Abend schaffe, mich abzuschminken und eine Antifaltencreme aufzutragen. Ich empfinde es wahrscheinlich momentan als Zeit für mich, wenn ich allein im Drogeriemarkt einkaufe und mir darum Zeit lassen kann beim Aussuchen eines Haargummis oder eines Waschmittels. Ich weiß nicht, welche Hobbys ich neben meinem Job und den Kindern verfolgen könnte. Ich könnte zum Beispiel sagen, dass es mein Hobby ist, ohne Kinder in Supermärkten einzukaufen. Mit ihnen ist es immer stressig, weil sie in alle Richtungen ausschwärmen, 384 sinnlose Dinge mit zu viel Zucker anschleppen, Tränen in den Augen und flehende Stimmen bekommen, wenn ich nicht alles sofort willig kaufen möchte, und sich überhaupt immer widerständig verhalten und widersetzen in diesen Konsumtempeln. Wie eine permanente Trotzphase sind Kleinkinder in Supermärkten.

Mein Hobby ist, alleine zu duschen

Vielleicht könnte ich auch sagen, mein Hobby ist Fernsehen am Abend, wenn die Kinder schlafen. Oder ganz alleine ohne Kindsbegleitung und ganz lange zu duschen, ebenfalls nachdem sie im Bett sind oder so früh in der Früh, dass sie noch immer in meinem Bett schlafen, das sie wundersamerweise in totaler Finsternis ferngesteuert und geräuschlos finden, um mir dann die Decke wegzuziehen und mich in den Rücken zu treten.

Ich könnte auch damit angeben, dass ich laufen gehe. So circa viermal im Quartal. Oder ich könnte meine verstaubte Barbara-Becker-Yoga-Pilates-komische-Übungen-die-Muskelkater-machen-DVD direkt vor den Fernseher legen, damit Gäste darauf aufmerksam werden, wie konsequent ich mein Fitnessprogramm verfolge. Mein Hobby ist es also, vor dem Fernseher zu turnen. Oder vielmehr so zu tun, als ob ich das dauernd täte.

Mein Hobby könnte auch das Blumengießen in allen Zimmern unserer Wohnung sein. Oder das Kochen. Oder noch besser: das Backen. Ich könnte einen Backblog gestalten und darüber schreiben, welches Naschwerk ich meinem Nachwuchs angedeihen lasse. Vielleicht ist mein Hobby auch Putzen oder Sachen für die Kinder organisieren. Vielleicht ist es auch, Futzerl vom Boden aufsammeln, wenn mein Kindergartenkind befindet, dass ein A4-Zettel in möglichst kleine Teile zerschnipselt werden muss.

Der heilige Antonius und ich

Oder vielleicht ist mein Hobby das Suchen. Ganz früher war es dort, wo ich ursprünglich herkomme, üblich, zum Heiligen Antonius zu beten, wenn man etwas gesucht hat. Das hat zumindest meine schon lang verstorbene sehr alte Urgroßtantenoma immer gesagt. Wenn ich das heute als mein Hobby betrachten würde, müsste ich ganze Nachmittage damit zubringen, flehentlich den Heiligen Antonius zu bitten, mir dabei zu helfen, den Ball für das Tippkickspiel, die verlorengegangene Augenlinse, den wichtigen fehlenden Baustein, um das Ninjago-Auto fertigzubauen, oder das Aufladekabel für die Kamera zu finden. Ich und der Heilige Antonius würden sehr schnell eine sehr innige Beziehung aufbauen.

Armselig ist das irgendwie, oder? Meine Hobbys sind also Putzen, Werkeln, Tun, Machen, Kochen, Bügeln, Lesen, Suchen und Sachen reparieren. Ich gehe zweimal im Jahr ins Kino. Ist das ein Hobby? 2015 war ich auf einem Ball – und diesen Jänner auch. Kann man daraus ableiten, dass mein Hobby der Besuch gesellschaftlich wichtiger Ereignisse, etwa Schulbälle, ist?

Wandern? Nicht ohne meine Mannerschnitten!

Gestern habe ich den Arbeitskollegen wieder beim Frühstückskaffee getroffen. Er investiert jetzt, hat er mir erzählt, zwar viel Geld, aber es lohnt sich, denn er schafft sich eine neue Tourenskiausrüstung an. Mit allem Drum und Dran um richtig viel Geld. Das geht ja super, weil in einer Stunde bist du ja von Wien aus quasi sofort am Berg, und da gibt's so viele tolle Gegenden, wo man schneesicher diesem wunderbaren Hobby nachgehen kann. Ob das nicht auch was für mich wäre, ich ginge doch so gerne wandern. Ja, ich erinnere mich, darüber haben wir letzten Sommer gesprochen. Ich gehe wirklich sehr gerne wandern. Vor den Kindern stundenlang, viele Höhenmeter, auf wunderschöne Gipfel.

Jetzt im Wienerwald mit einem Packerl Mannerschnitten griffbereit, falls nach exakt 17 Minuten die völlige Ermattung über die Kinder kommt und ebendiese kleinen Menschen, die sonst stundenlang über Fußballplätze toben oder mit ihren Freunden raufen können, von geheimnisvollen Schmerzen in den Beinen heimgesucht werden ("Mama, da wächst schon wieder ein Knochen – ich kann nicht mehr gehen!") und darum ohne Mannerschnitten sofort zum Ausgangspunkt umkehren müssen, mit regelmäßiger Zuckerzufuhr aber zumindest noch eine Stunde durchhalten. Ich fühle mich dann immer ein bisschen wie die Hexe, die Hänsel und Gretel mit Süßzeug durch den Wald lockt. Vielleicht denke ich, vielleicht gebe ich also damit an, dass es mein Hobby ist, Märchen der Gebrüder Grimm nachzuspielen. Oder nein, das wäre doch ganz fürchterlich. Diese Märchen sind ja immer recht grausam und die Lehren, die am Ende der Märchen folgen, politisch auch so völlig unkorrekt.

Hobby? Vielleicht in zehn Jahren

Jedenfalls denke ich mir: du lieber, guter, junger, völlig ahnungsloser Kollege. Wie stellst Du Dir vor, dass ich hunderte Euro, die ich ohnehin nicht habe, weil sie für Kinderbetreuung und Zahnspangen benötigt werden, in eine Ausrüstung investiere, die ich nie nutzen kann, weil ich niemals einen Tag frei habe, an dem ich ohne Stress aufstehen, die Skitourenausrüstung ins Auto packen, zeitgerecht zum Berg fahren, dort gehen und entspannt heimkommen kann. Außer, ja, außer, ich organisiere einen straffen Zeitplan für meine Kinder und Betreuungsmöglichkeiten und kann dann im engen Zeitkorsett meinen Freizeitspaß genießen. Herrlich wäre das, oder?

Ich habe momentan kein Hobby. Dafür eine unglaubliche Menge an Freizeitaktivitäten, die ich mir allesamt nicht selbst ausgesucht habe. Außer dass ich mir die Kinder selbst ausgesucht habe, die diese Freizeitaktivitäten jetzt evozieren. Ja, lieber Freund, es stimmt also. Ich tue zu Hause nichts, ausgenommen die vielen Dinge, die Mütter und auch Väter einfach tun, weil sie getan werden müssen. Und Marmelade-Einkochen und Motivtorten für Geburtstage backen. Irgendwann werde ich wieder ein Hobby haben. Ein ganz richtiges, echtes Hobby. Und dann werde ich glücklich sein damit. Aber jetzt, jetzt bin ich es auch so – ganz ohne Hobby und nur mit meinen Kindern. (Sanna Weisz, 5.3.2017)