St. Moritz / Stilfser Joch – Der Italiener neigt zum Großsprech. Während alle westliche Welt sich an die karolingische Minuskel gewöhnt hat, tönen unsere südlichen Nachbarn immer noch und immer wieder in klassischen römischen Kapitalen. Bester SUV im Konkurrenzumfeld. Sportlichster. Dynamischster. Überlegene Fahrleistungen. Direkteste Lenkung. Porsche? Wer ist Porsche? Längster Radstand. Bester cw-Wert. Schönster seiner Klasse sowieso.

Stelvio. Eindeutig als Alfa erkennbar. Baut technisch auf derselben Architektur auf wie die Giulia, hat aber 65 mm mehr Bodenfreiheit.
Foto: Alfa Romeo

Auf solche REDE hin will man natürlich sogleich die Gegenprobe machen, ob es sich beim Stelvio, denn von dem ist hier die Rede, vielleicht im wirklichen Leben um ein zweidimensionales Phänomen handelt – ohne Tiefe und ohne Höhe.

Beruhigte Alfisti

Alfisti und solche, die es noch werden wollen – Alfa rechnet mit massenhaftem Zulauf -, dürfen beruhigt sein: Das ist zweifellos ein Fahrzeug mit (wenig) Tiefe und (viel) Höhe, eindeutig dreidimensional auch im Emotionskoordinatensystem, und damit zum ersten SUV, den Alfa hier hinter einem angeberisch mächtigen Scudetto auf die Räder gestellt hat.

Foto: Alfa Romeo

Rundum gelungen. Gar keine Frage. Volltreffer beim ersten Schussversuch. Und das in einem Konkurrenzumfeld, das bereits etliche Hochkaräter umfasst: Porsche Macan, der Leitwolf, dem bereits Jaguar mit dem F-Pace gefolgt ist und nun auch Alfa – kneifen Sie die Augenlider zusammen, und Sie werden unschwer die Macan-Silhouette wiedererkennen.

Foto: Alfa Romeo

Der Rest ist markentypische Zeichnung, bei Jaguar, bei Alfa, und vielleicht bei der Gelegenheit ein Wort zum Stelvio-Design: sehr fesch, keine Frage. Aber der Frappiereffekt, den man von hochkarätigen Italo-Autos halt immer erwartet, der fehlt. Als weitere Gegner zu nennen wären noch BMW (X3/X4), Mercedes (GLC/GLC Coupé), Audi (Q5), Lexus (NX).

Stilfser Joch

Dass die Italiener auf Eroberungsfeldzug gehen, belegen die erwähnten römischen Kapitalen, belegt auch der Name selbst – Stelvio ist die italienische Bezeichnung für das an der Grenze zum welsch besetzten Teil Tirols gelegene Stilfser Joch, wo Alfa diesen SUV soeben – von St. Moritz und über Livigno her angefahren, über Bormio, Tirano und den Bernina-Pass wieder verlassen – vorgestellt hat. In angemessen atemberaubender Kulisse.

Foto: Alfa Romeo

Mit 4,69 m Länge entspricht der Stelvio exakt dem Eichmaß der Klasse – Macan: 4,68 m; und mit 2,82 m schlägt der Stelvio den Porsche beim Radstand auch um einen Zentimeter. Zum Start Ende März tritt der Alfa-SUV mit zwei Motorisierungen an: einem 2,2-Liter-Diesel mit 210 PS und einem 2,0-Liter-Twinscroll-Turbo mit g'schmackigen 280 PS. Feiner, kultivierter Diesel. Und exzellenter Benziner, in Sachen Leistung und geschmeidiger Kraftentfaltung. Cuore sportivo? Ganz gewiss. Außer beim Klangbild.

Für gut befunden

Dazu gereicht wird, wie in der Giulia, ausschließlich die fantastische 8-Gang-Automatik von ZF. Weiters das nämliche Hang-on-Allradsystem von Magna, auf das auch Porsche beim Macan setzt. Und die wunderbar direkte Lenkung von Bosch/ZF (Übersetzung 12:1, falls das wen interessiert).

Foto: Alfa Romeo

Alles soeben alpenpasserprobt und für gut befunden. Inklusive Fahrwerk (mit elektronisch gesteuerten Dämpfern) – das einen souveränen Mix aus Komfort und Sportlichkeit, ja, lachen Sie nicht bei diesem Begriff in Zusammenhang mit einem SUV, bietet. Die 50:50-Achslastverteilung, ganz ohne Transaxle erreicht, trägt das ihre bei zur Balance. Und so nimmt der Stelvio Kurven in der Manier eines alten Adriano-Celentano-Haderns: in lässig federndem rhythmischem Schwung.

Hinterradler

Es bleibt freilich nicht bei diesen beiden Motoren, sondern geht Schlag auf Schlag weiter. Noch im April folgen ein 180- und 150-PS-Diesel (Letzterer wahlweise auch mit Hinterradantrieb), Anfang Mai kommt ein 200-PS-Benziner und gegen Jahresende der V6-Dampfhammer mit 510 PS. Allesamt Alu-Triebwerke übrigens.

Foto: Alfa Romeo

"Und Plug-in-Hybrid?", befragten wir Alfa-Cheftechniker Roberto Fedeli. "So spät wie möglich!" Des zusätzlichen Gewichts wegen, welches Alfa so gering wie möglich halten will. Schließlich soll das ja, wie gesagt, ein Sport-und-Spaß-Gerät sein. Unter den SUVs seiner Klasse will der Stelvio also das Alfa-Tier werden. Wir werden sehen. Verkaufen wird er sich jedenfalls wie die warmen Panettoni. Auch ohne Großsprech. (Andreas Stockinger, 16.3.2017)

Foto: Alfa Romeo

Nachlese:

Jaguar F-Pace: Eins, zwei, drei, im Sauseschritt läuft die Zeit

BMW X4 M40i: Agent Provocateur

Porsche Macan: Die Wollmilchsaugazelle