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Maya-Tempel und Badespaß. Tulum auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán bietet beides. Wobei einiges dafür spricht, der Kultur und dem Badespaß örtlich getrennt nachzugehen. Und fünfjährigen Mitreisenden ist die Maya-Kultur überhaupt noch powidl. Nicht einmal Eis gibt's dort.

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Der Día de Muertos, der Tag der Toten, wird in Tulums Souvenirläden täglich gefeiert.

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Für zwei Wochen am Strand kann man innerhalb weniger Meter zwischen 2.000 und 15.000 Euro ablegen. Das Meer ist da wie dort dasselbe.

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Baden und Sandburgen bauen, das geht in Tulum ganz gut.

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Die Maya-Ruinen von Tulum

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Ein gutes Thema für eine Taxifahrt in Tulum ist Donald Trump. Da fällt auf Fahrerseite verlässlich das Wörtchen "loco" – verrückt. Die Zustimmung lockert die Atmosphäre zwischen Taxler und den Passagieren auf, weiß dieser doch nun, die Fuhre kommt nicht aus dem Land, dem neuerdings einer vorsteht, der eine Mauer zu Mexiko errichten und die Rechnung dafür den Mexikanern ausstellen möchte.

Tulum auf der Halbinsel Yucatán ist von Amerikanern gut besucht, da möchte man Missverständnisse ausschließen. Unter größerem Rechtfertigungsdruck als Gringas und Gringos, die den europäischen Winter fliehen, stehen US-Amerikaner, die nach Mexiko runterjetten, um Sonne, Wärme und Margaritas zu tanken. "We are so embarrassed", sagt ein Paar aus Texas auf den Donald angesprochen. "Wie konnte es so weit kommen?" Man sei gerade auf der Flucht vom täglichen Nachrichtenwahnsinn zu Hause.

Abgebremstes Betriebstempo

Da ist Tulum ein dankbares Ziel. Das Kapital des Örtchens sind sein kilometerlanger Sandstrand, die Palmen und das türkisblaue Meer, dessen Wellen an diesem weißen Band brechen. All das in einer Intensität, die nahe am Kitsch zu liegen kommt, ein Traum. Vor allem, wenn der selbstgestellte Auftrag Erholungsurlaub mit Familie lautet und ohne Indiana-Jones-Ambitionen gebucht wurde. Lesen, schauen, Sandburg bauen. So.

Eine immerwährende Brise lässt die Hitze des tropischen Klimas angenehm erscheinen, das Betriebstempo der Gegend ist angenehm abgebremst, obwohl der Ort in den letzten zehn Jahren, seit dem ersten Besuch, deutlich gewachsen ist. Wobei es zwei, ja, sogar drei Tulums gibt. Da gibt es den tatsächlichen Ort an der Landstraße, zwei Kilometer im Landesinneren. An die 20.000 Einwohner hat die Stadt. Dort kommt an, wer mit Bus oder Auto anreist, dort gibt es Restaurants, Souvenirläden und Taxis, die zum zweiten Tulum fahren. Das liegt in der sogenannten Zona Hoteleria.

Kolibris und Affen

Zona Hoteleria klingt abschreckend, doch höher als einstöckig wird in dieser den Strand säumenden Zona nicht gebaut. Die Hotels sind Cabañas diverser Klassen oder Zimmer, meist hübsch eingebettet in die üppige Flora der Gegend. Grünzeug, das hierzulande in Bonsaigrößen aus dem Topf lugt, wächst sich dort zu Bäumen aus. Dazu kommt eine Fauna, die mit Kolibris, bunten Schmetterlingen oder manchmal Affen charmiert. Man darf das wohl dem immer noch halbwegs sanften Tourismus zuschreiben.

Den verdankt Tulum dem Umstand, dass es keinen eigenen internationalen Flughafen besitzt. Zwar war schon vor zehn Jahren die Rede davon, einen solchen zu errichten, materialisiert hat er sich bis heute nicht, und das ist gut so. Denn dann könnte die Stadt zu einem zweiten Cancún verkommen. Cancún ist in der Gegend bisher die Anlaufstelle für den Rest der Welt. Es liegt rund 130 Kilometer nördlich und kennt bezüglich Bettenburgen und Großresorts keine Scham. Doch Tulum ist auch ohne eigenen Flughafen gewachsen.

Tourismus in homöopathischen Dosen

Dünnten vor zehn Jahren noch nach ein- bis eineinhalb Kilometer die Übernachtungsmöglichkeiten spürbar aus, so muss man heute beträchtlich weiter südlich wandern, um das Ende der Zona zu erreichen. Die Grundstückspreise am Strand haben sich vervielfacht, die Übernachtungskosten sind ebenfalls nicht gerade gefallen. Für zwei Wochen am Strand kann man innerhalb weniger Meter zwischen 2.000 und 15.000 Euro ablegen. Das Meer ist da wie dort dasselbe.

Aktuell geht es billiger, doch der Anlass ist wenig erfreulich. Mitte Jänner, also mitten in der von Dezember bis März laufenden Hauptsaison, gab es beim Electronic Music Festival BPM an der Playa del Carmen, 50 Kilometer nördlich von Tulum, eine Schießerei in einem Klub. Fünf Tote und über ein Dutzend schwerverletzte Besucher lösten eine Stornierungswelle aus, die bis runter nach Tulum schwappte. Deshalb boten Quartiergeber später Nachlass bis zu 20 Prozent an.

Touristen bewegen sich in der Zona zu Fuß, mit Rädern oder Taxis. Räder kann man mieten, bei den Hütten, die 1.000 Euro die Nacht kosten, sind sie hoffentlich inkludiert. Viele der Übernachtungsanbieter haben Restaurants entlang des Strands, an der Straße dahinter wechseln sich kleine Märkte, einige Cafés, Boutiquen, Restaurants, Geldautomaten und Bars ab. Das liest sich wie die üblichen globalen Ausgeburten des Tourismus, erscheint aber immer noch eher homöopathisch dosiert, vor allem, wenn man weiter südlich wohnt.

Einsamer DJ

Zwar kann einem sogar dort passieren, dass sonntags ein House-DJ in Hipster-Uniform am frühen Nachmittag ein geiles Set aus seinem Computer abruft. Dass er aber der Einzige ist, der sich für sein Tun interessiert, wird als kosmische Gerechtigkeit wohlwollend zur Kenntnis genommen. Ansonsten gibt es kaum etwas, das die Kontemplation erschüttern würde. Zwei, drei Kitesurf-Anbieter liefern ebenfalls Unterhaltungsprogramm. Entweder mit Kundschaft, die den Spaß beherrscht, oder mit unbegabter Klientel, die um viel Geld einen viel zu großen Drachen steigen lässt und dabei nicht aus dem Wasser kommt. Doch Strandschwere und Schadenfreude allein ergeben kein ausfüllendes Tagesprogramm, irgendwas muss noch passieren. Dafür gibt es das dritte Tulum.

Der Ortsname geht auf die Zeit der Maya zurück, die dort an der Küste gelebt haben. Tulu'um bedeutete in ihrer Sprache Mauer. Und von ihren Mauern sind viele noch erhalten. Eine ob ihrer Strandlage spektakulär erscheinende Pyramide gilt als Höhepunkt einer alten Mayasiedlung am Nordrand Tulums.

Alte Steine: Nicht für jeden interessant

Hingehen! Doch wer keine Führung mitmacht, kann sich den Weg sparen. Ohne Guide, der das Leben dieser Kultur erklärt, die im 13. und 14. Jahrhundert ihre Blüte erlebte, ist es nicht viel wert. Ein früher Besuch sei zudem empfohlen, denn die Sonne ist unbarmherzig, Schattenplätze sind kaum vorhanden. Zwar kann man unterhalb der Pyramide baden, aber deshalb muss man nicht extra dorthin, und das obligatorische Foto haben andere bereits besser geschossen. Außerdem findet das mitgereiste Kind alte Steine nicht zu aufregend.

Für Kinder – große und kleine – gibt es im Umland mindestens fünf "Theme-Parks". Da läuten natürlich alle Vorhöllealarmglocken. Schließlich wird einem das 15 Kilometer nördlich von Tulum gelegene Areal Xel-Há als All-inclusive-Adventure angepriesen, was dem Wesen der Reisenden eher nicht so entspricht. Aber wer kann flehenden Kinderaugen bei in Aussicht gestellten Hüpfdelfinen schon widerstehen? Also hin.

Angenehme Abwechslung

Um rund 60 Euro pro Person bekommt man in Xel-Há ein Armband verpasst. Damit geht es durch eine üppig bestückte Merchandisehalle, um an deren Ausgang mit dem Code des Bands ein Drehkreuz zu durchschreiten und das eigentliche Areal zu betreten. Dort wird man zuerst einmal von oben mit Wasser bespritzt. Auf einem Kran-arm sitzt ein Mitarbeiter mit Wasserpistole, sagt grinsend "Ola!" und wünscht mucho Vergnügen. Grrrr ... acias.

Entgegen den Befürchtungen, einen Tag lang für alle verwerflichen Gedanken und Taten seit der letzten Beichte vor 40 Jahren zu büßen, erweist sich der Besuch als angenehme Abwechslung von den Strapazen des Strandliegens. Wer will, kann mit Delfinen schwimmen oder sich in einem Fish-Spa von kleinen Fischchen den Zehenkäse abnagen lassen. Man schaut Manatees (Seekühen) aus nächster Nähe beim Schnaufen zu, tritt beinahe auf einen Rochen oder treibt in eher würdeloser Haltung auf schwimmenden Plastikfauteuils einen Dschungelfluss stromabwärts. Smaragdgrünes Wasser, bunte Fische, ein seliges Kind, Mama und Papa sind die Besten. Das war's wert.

Das Erbe der Mayas

Die Abende verbringt man in Ortsteil eins oder zwei. Entlang der Hauptstraße befinden sich Restaurants verschiedener Qualität mit Welt- und Allerweltsküche. Dasselbe lässt sich über die Restis entlang des Strands sagen. Souvenirmäßig ist Tulum City, wie Taxifahrer die eigentliche Stadt nennen, sättigender. Die farbenfrohe Folklore des Landes schlägt sich dort in einem üppigen Angebot nieder. Der Día de Muertos, der Tag der Toten mit seinen bemalten Schädeln und tanzenden Skeletten, er wird alle paar Meter zelebriert, das Erbe der Mayas besorgt den Rest.

Aus dem Modegeschäft Milano brüllt mexikanische Popmusik. Irgendein Corazón ist lautstark in Aufruhr. Das Milano verwöhnt vor allem einheimische Kundschaft mit Outfits, wie man sie aus Filmen über Drogenbarone kennt, die circa 1981 mit dem Oscar für die beste Ausstattung prämiert wurden. Aber nur, wenn man nicht über die Kleidungsgröße Grande hinausgewachsen ist, denn dort ist bei der angebotenen Kollektion Endstation. Leider. Auf der Straße zum Strand liegt schließlich ein Supermarkt. Supermärkte in fremden Ländern sind immer interessant. Die Ausbeute beim Gewürzregal ist dann auch beträchtlich. Denn das Einzige, was in zwei Wochen nie stimmt, ist die Schärfe des Essens. Die muss als verweichlicht beschrieben werden. Aber wahrscheinlich schwitzen die meisten Gäste auch ohne loco Chili-Segnungen schon genug.

Maya-Tempel und Badespaß. Tulum auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán bietet beides. Wobei einiges dafür spricht, der Kultur und dem Badespaß örtlich getrennt nachzugehen. Und fünfjährigen Mitreisenden ist die Maya-Kultur überhaupt noch powidl. Nicht einmal Eis gibt's dort. (Karl Fluch, 11.3.2017)