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Die USA zeigen bei Manbij in Nordsyrien Flagge: Das soll die Türken vom Angriff auf die syrischen Kurden abhalten.

Foto: AP / Arab 24 Network

Damaskus/Wien – US-Präsident Donald Trump folgt den Syrien-Empfehlungen, die ihm im Februar die Pentagon-Strategen auf den Tisch gelegt haben: Mehr als 400 zusätzliche schwerbewaffnete Marines und Army Rangers wurden in den vergangenen Tagen bei Manbij und Raqqa stationiert, damit sind fast 1.000 US-Soldaten in Syrien im Kampfeinsatz.

Trump kommt damit offenbar auch den Wünschen seiner Generäle nach mehr kurzfristiger Verfügungsgewalt im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) nach, die Barack Obama eingeschränkt hatte. An die 1.000 US-Soldaten könnten auch bald nach Kuwait geschickt werden. Trump hatte während des Wahlkampfs zwar geschworen, keine "dummen Kriege" mehr führen zu wollen, gleichzeitig steht die "Vernichtung" des IS aber hoch oben auf seiner Agenda, und das geht nicht ohne Militär.

Jeder will etwas anderes

Bei der Stationierung der US-Truppen in Syrien geht es aber nicht nur um den Kampf gegen den IS. Die sichtbare US-Präsenz bei Manbij soll auch die Türkei davon abhalten, die syrische Kurdenmiliz YPG in Manbij anzugreifen. Für die USA sind die YPG der wichtigste lokale Partner im Kampf gegen den IS – aber in den Augen Ankaras sind sie nichts weiter als eine PKK-Unterorganisation.

Am Donnerstag erneuerte Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu die Drohung. Die nordsyrische Kleinstadt Manbij ist zum Symbol der divergierenden Interessen der externen Kräfte geworden, die in Syrien den IS bekämpfen – aber eben nicht nur. Die Türkei will die Kurden eindämmen und eine territoriale Verbindung der von ihnen kontrollierten Gebiete in Nordsyrien verhindern; die USA wollen nicht nur die Jihadistenroute, sondern auch die Verbindung Iran-Irak-Syrien-Libanon/Mittelmeer absperren; der Iran will sich an der Seite des syrischen Regimes Einfluss sichern.

Und Russland ist der große Koordinator und will die Beziehungen zu den USA verbessern. Was vielleicht Trump, aber nicht das Pentagon will, wie auch schon unter Obama nicht.

Den Russen ist vergangene Woche tatsächlich ein Meisterstück gelungen, als sie den "Militärrat Manbij", also die YPG, überredeten, einige Dörfer der Kontrolle des syrischen Regimes zu übergeben. Das kann die Türken nicht freuen – sie sind ja für den Sturz Assads –, nimmt ihnen dennoch bei ihrem Kampf gegen die YPG den Wind aus den Segeln.

Ausgebremste Türken

Die Türkei, die sich, um in Syrien ihre Interessen zu wahren, immerhin mit dem Assad-Unterstützer Russland versöhnen musste, sieht im Moment wie die Verliererin aus: Ankaras Vorstellungen für Syrien, wie etwa eine türkisch kontrollierte Sicherheitszone, sind erst einmal auf Eis. Die kurze Hoffnung, dass sich die USA unter Trump von der Zusammenarbeit mit den Kurden zurückziehen, hat sich nicht erfüllt. Die USA betonen zwar, sie würden das arabische Element in den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) – so heißen die Milizen, mit denen die USA kooperieren – stärken wollen, aber die YPG bleiben in den SDF eindeutig die dominierende Kraft. Die SDF haben vor kurzem dem IS den wichtigen Verbindungsweg zwischen Deir Ezzor und Raqqa abgeschnitten, das zunehmend isoliert ist.

Eine Eskalation in Manbij könnte die Offensive auf Raqqa gefährden, für die alle Akteure eine Art Burgfrieden brauchen. Zum "Deconflicting" trafen sich zu Wochenbeginn die Generalstabschefs der USA, Russlands und der Türkei im türkischen Antalya. Es wird darüber spekuliert, dass eine Lösung in Manbij ein Modell dafür liefern könnte, wie man sich bei der Offensive auf die IS-"Hauptstadt" Raqqa arrangiert, bei der die Gemengelage ähnlich ist.

Russland redet mit allen

Für die USA könnte dabei die russische Fähigkeit, als Liaison zwischen YPG und syrischem Regime zu dienen, durchaus interessant sein: Denn wenngleich sich Trump von dem Wunsch nach einem Sturz Assads verabschieden könnte, werden die USA dennoch nicht mit ihm reden.

Die Raqqa-Offensive ist das große Thema – aber nicht die Neuordnung nach dem IS. Anders als im irakischen Mossul steht ja nicht auf dem Programm, die Souveränität der Regierung wiederherzustellen. Wer wird Raqqa verwalten? Die in den SDF vertretenen arabischen Stämme? Wenn es nicht parallel zum militärischen Kampf eine politische Einigung gibt, würde das auf einen Zerfall Syriens hinauslaufen. "Genf IV" soll am 23. März weitergehen. Die vorige Woche beendete Gesprächsrunde brachte immerhin das Ergebnis, dass die dort vertretene Opposition (das heißt: nicht die gesamte) die Uno-Verhandlungsparameter akzeptiert hat. (Gudrun Harrer, 10.3.2017)