Wien – Seit einigen Jahren züchten Forscher aus Stammzellen hirnähnliche Organoide, um damit Gehirnentwicklung und Krankheiten zu ergründen. Ein Problem dabei ist, dass diese Mini-Hirne sehr unterschiedlich sind. Im Fachmagazin "EMBO Journal" berichten Wiener Forscher nun über Gründe für diese Variabilität und hoffen, die Organoide schon bald so beeinflussen zu können, dass eines aussieht wie das andere.

Die Anfänge

2013 hat Jürgen Knoblich vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) erstmals solche Mini-Hirne aus menschlichen Stammzellen im Labor hergestellt und damit für veritables Aufsehen nicht nur bei Wissenschaftern gesorgt. Er bezeichnet die hirnähnlichen Organoide als "wunderbares Modell, um sich neurologische Erkrankungen anzuschauen". Das System habe allerdings Limitationen, etwa keine Blutgefäße und kein Immunsystem. Zudem seien die Organoide sehr variabel. Das erschwere aber die Reproduzierbarkeit, etwa bei subtilen Erkrankungen wie Schizophrenie oder Epilepsie.

Knoblich und sein Team haben sich deshalb angeschaut, wie sich die Organe speziell in der dreidimensionalen Struktur entwickeln. "Eine Schlüssel-Botschaft unserer aktuellen Arbeit ist, dass die Musterbildung in den Organoiden genauso stattfindet wie in unseren Gehirnen", so Knoblich. Konkret handelt es sich dabei um bestimmte Regionen im Gehirn, die Signalmoleküle (Morphogene) ausschütten. Diese Moleküle diffundieren in das umliegende Gewebe, wodurch ein Konzentrationsgefälle entsteht. Jede Zelle weiß dadurch, wie weit sie vom Organisationszentrum weg ist und eine Struktur mit unterschiedlichen Nervenzelltypen kann sich ausbilden.

In sich verwundene Struktur

"Wir haben nun herausgefunden, dass diese Organisationszentren auch in den Organoiden vorhanden sind, was bedeutet, dass die Musterbildung so wie in unseren Gehirnen auch in den Organoiden stattfindet", sagte Knoblich. Möglich war dies durch eine Kooperation mit Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), die eine Technik entwickelt haben, Gehirne transparent zu machen.

Bisher haben die Forscher die undurchsichtigen kugelförmigen Organoide durchgeschnitten, um ihre dreidimensionale Struktur zu analysieren. "Das sieht dann so aus, als hätten die Organoide mehrere kleine Mini-Gehirne in sich, was uns immer gewundert hat, weil das mit dieser Musterbildung nicht zusammenpasst", sagte Knoblich. In der dreidimensionalen Rekonstruktion der transparenten Mini-Hirne hat sich zur Überraschung der Forscher gezeigt, "dass das, was wie einzelne kleine Mini-Gehirne aussieht, alles zusammenhängt."

Damit sei ein Organoid "im Prinzip noch näher an der wirklichen Gehirnstruktur als wir gedacht haben". Der Unterschied sei nur, dass diese Struktur in sich verwunden ist. Knoblich vergleicht dies mit einem Schwamm, den man mehrmals verdreht und zusammenknüllt. "Wenn man das gedanklich wieder auseinanderdreht, ist es die gleiche Organisation wie in einem wirklichen Gehirn", so der Forscher.

Der nächste Schritt

Das Problem ist, dass bei den Organoiden – im Gegensatz zur normalen Gehirnentwicklung im Embryo – die Organisationszentren zufällig entstehen. Die Wissenschafter arbeiten nun daran, die Variabilität der Mini-Hirne gezielt so zu verändern, "dass ein Organoid aussieht wie das andere". So könnten künstlich hergestellte Signalmoleküle gezielt in bestimmte Regionen des Mini-Hirns injiziert und damit dem Organoid eine Struktur angeboten werden, dass es sich nicht mehr zufällig entwickelt. (APA, red, 10. 3. 2017)