Andreas Senns Restaurant in Salzburg hat seit letztem Jahr ebenfalls zwei Sterne inne.

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"Für mein persönliches Ego brauche ich keine Sterne." Juan Amador

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"Köche, die ein ganzes Tier verarbeiten, müssten drei Sterne bekommen." Roland Trettl

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Auch wenn es kaum ein Küchenchef zugeben würde, die Aufregung ist groß vor der Bekanntgabe der neuen Sternerestaurants von Michelin. Vor wenigen Tagen war es wieder so weit. Der französische Restaurant-Guide verlieh die begehrten Auszeichnungen in seiner Ausgabe "Main Cities of Europe" in Brüssel. In diesem Guide sind auch Restaurants in Wien und Salzburg vertreten. Und wie jedes Jahr stellte man sich auch heuer wieder die Frage, ob es endlich einen Dreisterner in Wien oder Salzburg geben würde. Doch für Österreich ist bei zwei Sternen offenbar das Ende der Fahnenstange erreicht.

Der deutsche Spitzenkoch Juan Amador hielt in seinen Restaurants in Langen und Mannheim über mehrere Jahre drei Sterne. Als er bekanntgab, ein Restaurant in Wien zu eröffnen, hofften viele auf den langersehnten dritten Stern für Österreich. Doch es sollte anders kommen. Amador sperrte mit einem anderen Konzept in Wien Döbling Amador's Wirtshaus und Greißlerei auf. Den Testern des Guide Michelin war das aber immerhin zwei Sterne wert. Für den Spitzenkoch sei es das absolute Wunschergebnis, wie er sagt.

Bei der Frage, warum es in Österreich trotz der hohen Dichte an Spitzenrestaurants keines mit drei Sternen gibt, gehen die Meinungen stark auseinander. So mancher Gastronom vermutet hier ein Politikum, ja sogar eine Verschwörung. Für viele sei die Tatsache, dass es für Österreich keinen eigenen Guide Michelin gibt, die Wurzel allen Übels.

Weiter probieren

Christian Stromann ist Herausgeber des Gourmet-Blogs "sternefresser.de" und kennt nahezu alle Sternerestaurants im deutschsprachigen Raum. Für ihn sind die Vorwürfe völlig haltlos. "Hätte ein Restaurant in Wien oder Salzburg die drei Sterne konstant auf die Teller gebracht, dann hätte es die Auszeichnung auch gegeben. Es gibt sensationelle Restaurants in Österreich, aber vielleicht fehlt noch genau dieses Tüpfelchen zum dritten Stern", sagt Stromann.

Skeptisch bleiben hingegen die Gastronomen. "Für mich ist es unerklärlich, dass es in Österreich kein Dreisternerestaurant gibt. Wenn man bedenkt, was Heinz Reitbauer mit dem Steirereck in Wien leistet und sich das im internationalen Vergleich ansieht, dann ist es schon verwunderlich", sagt Spitzenkoch Andreas Senn, dessen Restaurant Senns in Salzburg seit letztem Jahr ebenfalls zwei Sterne innehat. Beklagen will sich aber natürlich niemand, bedeuten doch die Sterne nicht nur Ansehen, sondern vor allem höhere Auslastung. "Der zweite Michelin-Stern hat uns viele neue internationale Gäste gebracht. Auf einmal hatten wir Reservierungen aus allen Ländern", sagt Senn.

Umstrittene Listen und wichtiges Marketing

"Internationale Gäste orientieren sich am Guide Michelin. Natürlich sind die Sterne auch wichtig, um gute Mitarbeiter zu bekommen. Für mein persönliches Ego bräuchte ich sie nicht. Aber am Ende geht es um Wirtschaftlichkeit", sagt Juan Amador. Noch umstrittener als der französische Guide ist die Liste "The World's 50 Best Restaurants". Jedes Jahr werden die vermeintlich besten Restaurants gekürt und bei einer riesigen Zeremonie mit Party bekanntgegeben. Und jedes Jahr müssen die Herausgeber harsche Kritik einstecken. Vor allem von der eigens gegründeten Plattform Occupy 50 Best, auf der mehr Transparenz bei der Vergabe gefordert wird. Tester sollen anonym abstimmen können und müssten nicht nachweisen, dass sie das Restaurant jemals besucht haben.

"Es ist ein offenes Geheimnis, dass es bei der Liste interne Absprachen gibt. Es geht sehr viel um Lobbying. Die Liste ist nicht unwichtig, Objektivität sieht aber anders aus. Es handelt sich ja auch hier nicht um die besten Restaurants. Es sind die Restaurants, die sich am besten vermarkten können.

Wenn du unter den Besten bist, hast du auf einen Schlag 30 bis 40 Prozent mehr Gäste. Das ist nicht ganz unwesentlich", sagt Amador. "Weltweit gibt es über 4000 Sternerestaurants. Somit sind die World's 50 Best Restaurants ein sehr kleiner Ausschnitt. Außerdem sagt die Liste nichts über die Qualität des Essens aus. In New York gibt es beispielsweise das Estela, ein gutes, aber harmloses Restaurant, das nicht mal einen Stern hat. Die sind auf Platz 46 der Liste. Hier wurde ein großer Aufwand betrieben, um vertreten zu sein", sagt Christian Stromann.

Welcher Teller verdient eine Auszeichnung?
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Hauben zählen

In Österreich und Deutschland sind es vor allem die Hauben von Gault Millau, die für viele Gäste relevant sind bei der Wahl des Restaurants. Anders als bei Michelin werden hier nicht nur Punkte vergeben, sondern auch Rezensionen der Tester veröffentlicht, was vor allem in Deutschland bei vielen Köchen für Unmut sorgt. "Im deutschen Gault Millau sind die Texte oft sehr reißerisch. Das treibt natürlich die Verkaufszahlen nach oben und ist auch amüsant zu lesen. Leider überschreiten die Tester manchmal Grenzen und werden persönlich", sagt Stromann.

Genau das ist auch Roland Trettl schon lange ein Dorn im Auge. Der ehemalige Executive Chef des Restaurant Ikarus im Hangar-7 hat in seinem Buch "Serviert – die Wahrheit über die besten Köche der Welt" auch mit den Gastrokritikern abgerechnet. Für ihn gibt es einige Mängel an Bewertungssystemen wie Michelin oder Gault Millau.

Kritik an Verschwendung

"Als ich vor 20 Jahren meinen ersten Stern bekam, habe ich total die Bodenhaftung verloren. Je länger ich im Geschäft bin, desto mehr merke ich, dass das System nicht mehr zeitgemäß ist. Es gibt tolle Restaurants, die wenige Punkte und gar keinen Stern bekommen. Die Gäste und die Gastronomie haben sich in den Jahren verändert. Michelin und Gault Millau sind aber einfach stehengeblieben", sagt Trettl.

Für ihn gehe es auch um ökonomisches Arbeiten, wird doch vor allem in der Spitzengastronomie viel verschwendet. "Da liegen Langostinos oder ein Stück Fleisch auf dem Teller, bei dem links und rechts ein Zentimeter wegschnitten wird, nur damit es schön aussieht. Das ist doch irre. Im Jahr 2017 müsste man jenen Köchen drei Sterne geben, die ein ganzes Tier verarbeiten."

Viele Spitzenköche fürchten offenbar mit dem Verlust der Auszeichnungen das Ausbleiben der Gäste. Für Trettl kein Argument: "Die Köche lassen sich viel zu viel auf diese Spielchen mit den Testern ein. Würde sich die Gastronomie mal kollektiv wehren, sähe es ganz anders aus. Die wirklich guten Restaurants brauchen keine Punkte. Gäste gehen hin, weil es einfach gut dort ist". (Alex Stranig, RONDO, 18.3.2017)

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