Hans Neuner (40) ist einer der besten österreichischen Köche. Obwohl er zwei Michelin-Sterne hat, ist er hierzulande nicht sehr bekannt. Der gebürtige Tiroler – Neuners Familie betreibt in Leutasch ein Lokal – erkochte die Sterne nicht hier, sondern in Portugal. Seit 2007 ist er Executive Chef im Restaurant "Ocean" des Luxusresorts Vila Vita Parc an der Algarve, wo er viel Fisch und Meeresfrüchte auf den Teller bringt.

Sein Lieblingsessen ist aber auch nach der langen Zeit in Portugal ein sehr österreichisches Gericht: Kommt Hans Neuner nach Tirol, muss sein Bruder einen Riesentopf seines "Hammer-Gulaschs" kochen – das wird in Sackerln verpackt nach Portugal mitgenommen und für den regelmäßigen Genuss eingefroren. Wir haben Hans Neuner anlässlich des Auftakts der Nespresso-Gourmet-Weeks in Wien getroffen.

Der Tiroler Hans Neuner kocht an der portugiesischen Küste und liebt Gulasch.
Foto: vila vita parc

STANDARD: Sie waren vor kurzem in der TV-Show "Kitchen Impossible" als Gegner von Tim Mälzer zu sehen. Wie sehr muss man sich heute als Koch vermarkten?

Hans Neuner: Das war eine einmalige Geschichte und kam offenbar sehr gut an. Aber ich bin kein Fernsehkoch und Unterhalter und möchte nicht zum 400. Mal erklären, wie man Risotto kocht. Steffen Henssler hat mich auch einmal zu seiner Kochshow eingeladen, doch da habe ich abgelehnt. Das ist mir zu blöd, ich bin ein Handwerker und verdiene mein Geld mit Kochen.

Doch ich verstehe jene Köche, die ihr eigenes Restaurant haben, die mitmachen und das Geld aus dem Fernsehen wieder ins Lokal stecken, das ist völlig legitim. Ich bin Angestellter und muss zum Glück nicht jeden Euro mitnehmen. Nur wenn du heute kein Marketing machst, dann kennt dich niemand.

STANDARD: Wie wichtig sind Michelin-Sterne und Rankings wie "The World's 50 Best" fürs Marketing?

Neuner: Es bringt wahnsinnig viel, aber der Stern ist für mich am aussagekräftigsten. Drei-Sterne-Lokale in New York oder Hongkong sind eher vergleichbar, als das bei den ersten zwanzig Lokalen auf der Pellegrino-Liste der Fall ist (das Ranking "The World's 50 Best", Anm.).

STANDARD: Vor einigen Jahren meinten Sie, dass Sie den dritten Stern anstreben. Gleichzeitig hieße das, gar keine Zeit mehr zu haben. Ist das nach wie vor das Ziel?

Neuner: Natürlich arbeiten mein Team und ich daran. Und ich mache nicht viele Veranstaltungen außer Haus. Wenn das Restaurant geöffnet ist, bin ich zu 90 Prozent in der Küche. Aber in einem Land, wo es noch keine drei Sterne gibt, ist es nicht so einfach, da hinzukommen.

STANDARD: Wenn Sie in Österreich geblieben wären, hätten Sie dann auch schon zwei Sterne, oder war es in Portugal leichter?

Neuner: Nein, das glaube ich nicht, weil es in Portugal nicht viele Sternerestaurants gibt, da wird nicht so schnell etwas hergegeben. In Österreich oder Deutschland wär's leichter gewesen. Aber ich habe das Gefühl, in Deutschland ist der Stern nicht mehr so viel wert, da ist der Markt schon übersättigt. Manche Drei-Sterne-Restaurants bleiben unter der Woche halb leer, erzählen Kollegen.

STANDARD: Wie ist es mit der Konkurrenz unter Köchen? Sie haben an der Algarve mit Dieter Koschina einen österreichischen Zwei-Sterne-Kollegen in der Nähe.

Neuner: Mit ihm verstehe ich mich sehr gut, er hat mir viel geholfen, als ich nach Portugal kam, auch mit Lieferanten. Das war in Deutschland, wo ich früher gekocht habe, anders: Dort schaut jeder, dass er seine Produkte niemandem verrät. Aber Zusammenarbeit und der Austausch sind wichtig. Die Spanier wären nicht so weit oben, wenn sie nur ihr eigenes Süppchen kochen würden. Sie hatten schon vor 15 Jahren eine Homepage, auf der sie Ideen geteilt haben.

Hans Neuner beim Anrichten.
Foto: Nespresso

STANDARD: Sie tauschen sich auch regelmäßig auf Reisen mit Kollegen aus.

Neuner: Klar, man muss immer wieder aus der Küche raus, um nicht betriebsblind zu werden, und sich Inspiration zu holen. Auf meiner letzten Reise nach Südamerika hat mich das Boragò in Santiago sehr beeindruckt. Dort wird ein Lamm 45 Stunden am Grill in einer aufwendigen Prozedur geschmort, das war saucool, das muss man wirklich können. Vakuumieren, bei 60, 70 Grad ins Wasser schmeißen wie in Europa, das kann jeder.

STANDARD: Machen Sie das nicht auch?

Neuner: Nein, nicht mehr. Aber es war der Trend in den Neunzigern und Anfang der Zweitausenderjahre, da machten es alle. Beim Sous-Vide-Garen ist die Konsistenz das Problem, es wird alles so butterweich. Wenn ich in einen Lammrücken beiße, möchte ich im Mund Fleisch spüren und nicht Püree. Für Fisch ist es ganz gut. Aber eine Schweinsbacke beispielsweise würde ich immer klassisch schmoren, das gibt ganz andere Röstaromen. Unsere Geräte stehen derzeit im Keller, aber es kommt wohl alles wieder.

STANDARD: In der Spitzenküche ist momentan Regionalität das große Schlagwort.

Neuner: Regionale Produkte zu verwenden macht einfach Sinn, das schont die Umwelt. Und es bietet Köchen die Chance, ihren eigenen Stil zu kreieren und sich damit abzusetzen. Aber man kann es mit dem strikt Regionalen auch übertreiben, wenn das Ergebnis nicht mehr schmeckt.

STANDARD: Ex-Ikarus-Küchenchef Roland Trettl kritisiert in seinem Buch die Unsitte, viele "Grüße aus der Küche" zu servieren, bevor das Menü startet.

Neuner: Es kommt auf die Größe an, doch da haben alle ein bisschen wettgerüstet. Das hat mit den Spaniern begonnen, mit ihren 32-Gänge-Menüs. Nur wenn ein Gang aus einer Erbse besteht, dann sehe ich das nicht als Gang. Ich denke, der Trend geht in die Richtung: weniger und dafür besser. Kein Mensch will heute mehr 25 Gänge essen oder vier Stunden sitzen. Nach zweieinhalb Stunden langweilen sich die Leute und haben keinen Hunger mehr. Es reicht, wenn du acht Gänge machst. Wichtig ist es, mit der Säure zu spielen und diese nicht gleich am Anfang zu verballern und danach nur noch stumpfe Gerichte zu bringen.

Vor allem die Jugend mag dieses Altmodische nicht mehr, die kommen auch in Jeans und Turnschuhen und das stört auch keinen. Klar, wenn sich die Leute aufbrezeln, dann bin ich stolz darauf, weil das ist ein Zeichen von Wertschätzung.

STANDARD: Wie gehen Sie mit der wachsenden Zahl an Vegetariern und Veganern um?

Neuner: Das ist völlig normal heute, wir bieten auch ein vegetarisches Menü an. Mit Veganern ist es schwieriger, vor allem wenn er oder sie mit einer Person am Tisch sitzt, die ein klassisches Menü isst. Zwölf Gänge, bei denen sich kein Gemüse wiederholen darf, das nervt hin und wieder, aber das gehört zum Job. Schlimm sind die vielen Allergien, bei zwölf Tischen hast du sieben mit Allergikern dabei.

STANDARD: Werden Sie auch zukünftig in Portugal bleiben?

Neuner: Ja, ich bin gerne da, die Leute mögen mich, und ich habe ein tolles portugiesisches Küchenteam. Ich würde gerne eine eigene Rinderzucht für unser Lokal starten, da gibt es noch genug Ziele – genauso wie den dritten Stern.

STANDARD: Mit wem würden Sie gerne einmal gemeinsam in der Küche stehen?

Neuner: Marlon Brando, der wäre cool gewesen, ihn hätte ich gerne kennengelernt. (Petra Eder, RONDO, 27.3.2017)

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